Posts mit dem Label Fastenzeit werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Fastenzeit werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 11. April 2022

6. Fastenwoche - "Der Reiche und Lazarus"

 

Lazarus - Echternacher Handschrift (wikipedia)

 

Die letzte Woche der Großen Fasten ist da. Es ist eine weitere Woche des jahrelangen Krieges, unbeachtet seitens der westlichen Medien bis in den Februar 2022. Es ist eine weitere Woche hasserfüllter Publikationen und erschütternder Lügen, die hüben und drüben von den Medien aufgetischt werden. Es ist eine weitere Woche der Verunsicherung und der Verzweiflung. Und das ist zweifellos gewollt. Die Menschen in der Ukraine und der ukrainische Staat scheinen den Großmächten völlig egal zu sein, könnte man denken. Tote, Verletzte, Vertriebene - all das scheint nicht zu zählen vor den Großen der Welt, die wirtschaftlich vom Krieg profitieren und profitieren werden. Die Kirche leidet in höchstem Maße unter dieser Verunsicherung. "Kyrill muss weg!" heißt es da durchaus, nachdem es auch ein "Putin der Völkermörder!" gegeben hat. Für die Christen und die Gläubigen ist es beruhigend zu wissen: Wenn Patriarch Kyrill "weg ist", wird keiner kommen, der makelloser oder besser ist! Gott sei es gedankt: die orhtodoxe Kirche ist und bleibt eine Kirche der sündigen Menschen! Es stimmt natürlich: Die Sünde terrorisiert die Menschen mit Angst und Schrecken. Sie führt ihn in die Abgründe des Todes, in die Hände der Feinde des Menschengeschlechts. Aber die Sünde kann den Leib Christi, die Kirche, nicht vernichten, da er Urheber des Bösen nicht in dem Maße Macht besitzt, wie es momentan scheinbar der Fall ist. Die jetzt sichtbare Gestalt der "Macht" ist so vergänglich, wie es die einst sichtbare Pracht der Herrscher war, die "heute glänzt und morgen in Schutt und Asche sinkt". Die Mysterien der Kirche werden nicht durch einen Krieg auf einmal automatisch verfügbar gemacht: Die Kirche bleibt auch in Kriegszeiten verwurzelt in ihrer Zeitlosigkeit der Verbindung von Zeitlichkeit und Ewigkeit. die in jeder Liturgie Gegenwart wird.

Es ist die Zeit des "Reichen und des Lazarus"! Welcher Wirklichkeit stelle ich mich heute, habe ich mich in den vergangenen Wochen gestellt? Ist es die Wirklichkeit der von Gott geschaffenenen Menschen, die Fehler machen dürfen? Ist es die Wirklichkeit der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten, die am Computerbildschirm und in den Zeitungen leichtfertig als "verwerfliche Parteinahme", als "wiedererstandene KGB-Schachzüge" und als "Verantwortungslosigkeit der russisch-orthodoxen Kirche" dargestellt werden? Die Wirklichkeit des "Reichen und des Lazarus" ist anderweitig ausgerichtet: Sie hat die ewigen Wahrheiten im Blick, die Bestand haben und auch im Hier und Heute wichtig und unerlässlich sind. Eine solche Wahrheit ist zweifellos: Jeder Mensch ist Ikone und Geschöpf Gottes. Kein Handeln und kein Tun rechtfertigen seine Erniedrigung und seinen gewaltsamen Tod. Aber was ist dann der Krieg, zu dem so viele schweigen, denen wir doch ein klares Wort abverlangen? Der Krieg ist ein Anfang und ein Endpunkt des Teufelskreises, den man auch die "Verstrickung in die Sünde" nennen kann. Der Krieg ist gewollt, ganz sicher von den Westmächten, die zu oft schon bewiesen haben, welchen Stellenwert der Mensch in ihrem Weltbild einnimmt. (Ohne verallgemeinend werden zu wollen.) "Lazarus" ruht im Schoß Abrahams, "der Reiche" muss leiden: Ist das eine biblische Ghettoisierung, eine Aburteilung à la Schwarz-weiß-Malerei? Es ist vielleicht ein Aufruf: Stellt Euch der Wirklichkeit hier und jetzt! Lasst Euch nicht blenden von dem, was glänzt und großspurig daherkommt. Bleibt menschlich oder werdet wieder menschlich, das heißt: Verzeiht, vergebt, seid nicht auf einen Auge blind!

Dienstag, 16. März 2021

Die Große Fastenzeit : eine ganz und gar russische Perspektive ...

, ... um endlich zusammen mit manch anderem das Schubladendenken zu Grabe zu tragen: "Wenn das Fasten einfach nur darin besteht, kein Fleisch, keine Milchprodukte oder kein Öl zu essen, dann wären alle Kühe Heilige." (Russisches Sprichwort)

Dienstag, 22. Dezember 2020

Gott hat sein Gesicht verloren ...

... Das könnte man meinen, wenn man sich umsieht. Natürlich ist das unmöglich: Gott hat uns allen ja sein Gesicht gegeben, da er der Schöpfer ist. Wir sind als Kirche sein Leib, ein mystischer, nur im Geheimnis wahrnehmbarer Leib zwar, aber trotzdem real und greifbar. Die Kirche hat fundamentale Stützen: die apostolische Lehren und das Glaubensbekenntnis. Gerade mehren sich die Botschaften verschiedener Bischöfe. Sie mahnen alle die Einheit der orthodoxen Kirche an. Welche Antworten geben die Stützpfeiler der Kirche auf die ungelösten Fragen, die häufig in diesen Bischofsbotschaften angesprochen werden? Einmal ist es die grundlegende Antwort überhaupt: Als Kirche und als Kirchen in Land X und in Land Y haben wir auf Christus zu schauen, nicht auf die Politik, auf Grenzen, auf Ethnien. Eine zweite, vielleicht drängendere Antwort aus apostolischer Zeit ist die Blickrichtung: die Kirche, bestehend aus ihren Bischöfen zusammen mit den Gläubigen, kennt keine andere Hierarchie als die apostolische, bei der das Haupt Christus, alle anderen aber Geschwister sind, wenn auch mit unterschiedlichen Augaben betraut. Daraus ergibt sich die Verfassung der Kirche, die notwendigerweise hierarchisch ist, was aber bedeutet: die Gemeinschaft der Kirche, vertreten durch die Bischöfe (von denen manche auch Patriarchen genannt werden), trifft Entscheidungen im Blick auf ihr Oberhaupt, Christus, in Zusammenkünften und auf Synoden. Diese apostolische Verfassung der Kirche ist keine kirchenrechtliche Spitzfindigkeit, sondern ein sakramentaler Ausdruck ihres Wesens. Einfacher ausgedrückt bedeutet das: Durch die Bewahrung der apostolischen, orthodoxen Verfasstheit der Kirche dürfen wir alle am sakramentalen Leben der Kirche teilhaben. Denn es sind weniger bestimmte Riten und Rubriken, die die Sakramente beseelen, sondern es ist der unverfälschte Glaube der Kirche, in den diese Mysterien mittels äußerer Formen eingepackt sind. Verliert also Christus sein Gesicht, wenn die Kirche mit allen Kräften versucht, am apostolischen Glauben festzuhalten? Auch das kann nicht sein. Denn das, was gerade geschieht - Streit, Unfriede, Ärgernis, Ablehnung, Auflehnung -, das alles lässt zu, dass wir Menschen unser Gesicht vielleicht voreinander zu verlieren scheinen. Denn eines ist klar: Ein Christ verliert sein Gesicht nicht, weder durch die Sünde, noch durch Ehrenrührigkeiten... In dieser Weihnachtsfastenzeit wird daher sehr deutlich, was uns fehlt. Der Blick auf die Würde des Menschen, die soweit geht, dass ein früher Bischof sagen konnte: "Gott wurde Mensch, damit der Mensch vergöttlicht werde." (hl. Athanasius) Wenn dem so ist, dann müssen wir alles daransetzen, diese Würde des Menschen - jedes Menschen - zu verteidigen. Natürlich beginnt das im Kleinen, bei jedem Entrechteten oder Gedemütigten. Aber im Blick auf die Kirche heißt das eben auch: Die Einheit der Kirche kann nur in der gelebten Wahrhaftigkeit gefunden werden. Daher wird es keine Kirche in der Ukraine geben können, die auf Hass gegründet ist. Ein solches Konstrukt kann weder Kirche genannt werden, noch wird sie jemals apostolisch heißen. Deshalb sagt der Bischof von Kiew auch: "... bewaffnet Euch mit dem Gebet!" Und im Grunde ist das Gebet die einzige sinnvolle Waffe gegen den Hass! Es geht in dieser Frage nicht wirklich um Patriarchatsstreitigkeiten oder Vormachtstellungen. Es geht um die Kirche als Leib Christi! Nur aus diesem Grund gab es keine andere Möglichkeit, als uns allen ein Höchstmaß an liebender Verbundenheit abzuverlangen - durch die Aussetzung der "communio", die niemals auf Hass gegründet sein kann. Denn - in aller Ehrlichkeit gesagt - es ist doch völlig egal, welcher Bischofssitz die Verbindung zur Kirche gewährt, ob nun Moskau oder Istanbul, etc. Dass nunmehr aber die politischen Interessen umso deutlicher werden, sollte für die Kirche als ganze nur noch mehr Antrieb sein, sich entschieden gegen den Hass zu wenden und die Versöhnung zur Tat werden zu lassen. Das wird nur gelingen, wenn jeder bereit ist, auch die Geschichte als authentischen Ausdruck der Anwesenheit Gottes zu werten: dass "Konstantinopel" für die griechische Welt einen Halt darstellt, dass die "Rus" bis heute eine staatenverbindende Wirklichkeit sein darf, dass die Kirche in allen Sprachen und Kulturen auf eine je andere Art gegenwärtig sein kann. Nur dann übrigens sind wir wirklich orthodox, da jede Kleinkariertheit im Widerspruch steht zur apostolischen Lehre. Denn sonst hätte der Erlöser der Welt niemals in einer Höhle geboren werden und niemals am Kreuz sterben dürfen. Er hätte sein Gesicht verloren, so denken wir sicher.

Montag, 14. März 2016

Die Große Fastenzeit

Gestern war Versöhnungssonntag. Mit der Vesper und der Vergebungsbitte beginnt die Fastenzeit. Sich gegenseitig um Verzeihung zu bitten, ist ein befreiender Augenblick, der der Fastenzeit ihre geistliche Atmosphäre schenkt: Die Erwartung der Auferstehung in immer größerer Freiheit vor Gott und den Menschen. Das kleine Video zeigt die Predigt und die Vergebungsbitte der Vesper am Abend des Versöhnungssonntags im Minsker St. Elisabeth-Kloster.
"Verzeiht mir, Väter, Mütter, Schwestern und Brüder. - Gott vergebe Dir; verzeihe auch mir."

 

Freitag, 3. April 2015

Das Ende der Großen Fasten


Stichire der Aposticha im Morgengottesdienst des heutigen Freitags der 6. Fastenwoche:

Ehre sei dem Vater... Jetzt und immerdar, 8. Ton:

Angelangt am Ende der Quadragesima,
Herr und Menschenliebender,
bitten wir Dich darum, auch die heilige Woche Deines Leidens sehen zu dürfen,
um in ihr Deine Großtaten zu verherrlichen
und das unergründliche Wirken Deines Heils,
indem wir mit einer Stimme singen:
Herr, Ehre sei Dir!

Vor Beginn der Großen und Heiligen Woche am Palmsonntag wird in österlicher Freude am morgigen Samstag schon der Auferweckung des Lazarus gedacht. Es ist wie ein Vorgeschmack des Auferstehungsfestes, auf das sich die Gläubigen seit nunmehr vierzig Tagen vorbereiten.
(Übers. nach dem Kirchenslavischen und Französischen, beides hier verfügtbar...)

Mittwoch, 1. April 2015

Ein häufiges Gebet an Fasttagen

..., das schöne und berührende Gebet des heiligen Ephräm des Syrers:


"Herr und Gebieter meines Lebens,
den Geist des Müßiggangs, der Verzagtheit, der Herrschsucht
und der eitlen Rede halte von mir fern.

Aber gib Deinem Diener den Geist der Weisheit,
der Demut, der Geduld und der Liebe.

Ja, Herr und König, lass mich meine Sünden sehen
und meinen Bruder nicht verurteilen.
Denn Du bist gepriesen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen"

Üblicherweise begleiten tiefe Verbeugungen dieses Gebet - sie helfen uns, aufmerksam und mit Bedacht die Worte des Gebets aufzunehmen und mit Leben zu füllen. Während der Fastenzeit sprechen wir diese Bitten immer wieder: Und jedes Mal kann dem Menschen mehr zu Bewußtsein kommen, wie weit entfernt er von dem ist, was er vom himmlischen Vater erbittet. Man muss kein Mönch sein, um sich dabei an die bekannten Worte des Auferstehungshymnus zu erinnern: "Christi Auferstehung haben wir gesehen, laßt uns anbeten den heiligen Herrn, Jesus, der allein ohne Sünde ist..." Und dann kann es sein, dass man sich an die großen Heiligen erinnert, die hl. Maria Magdalena, die hl. Maria von Ägypten, viele andere unserer Väter und Mütter, deren Tränen vielleicht beides widerspiegeln können - die Zerknirschung und die Freude.

Freitag, 20. März 2015

Woche der Kreuzverehrung

Mit dem 3. Sonntag der Fastenzeit, dem "Sonntag der Kreuzverehrung", beginnt die vierte Fastenwoche: Während dieser Woche liegt in der Kirche ein geschmücktes Kreuz, das im Nachtgottesdienst des Sonntags feierlich dorthin getragen wird. Ein sehr schöner Hymnus wird zur anschließenden Verehrung gesungen, der auch das Trishagion in der Liturgie ersetzt: "Vor Deinem Kreuze, o Herrscher, werfen wir uns nieder, und Deine heilige Auferstehung preisen wir." In der "Woche der Kreuzverehrung" wird das Kreuz dann am Montag, Mittwoch und Freitag während der Prim, dem Gebet zur Ersten Stunde, von allen verehrt. Traditionellerweise werden die ganze Woche hindurch süße gebackene Kreuze als Nachspeise gegessen - die Vorfreude auf das Osterfest ist allgegenwärtig und belebt selbst den Speisenplan der Fastenzeit... 

Sonntag, 23. März 2014

3. Sonntag in der Fastenzeit

Der Monat März steckt für Mönche voller wichtiger Festtage: der hl. Patrick, der hl. Benedikt von Nursia, die Verkündigung an die Gottesmutter. Mittendrin erstrahlt in diesem Jahr gleichsam der 3. Sonntag in der großen Fastenzeit in seinem ganz eigenen Licht. Der Sonntag der Kreuzverehrung markiert das Mittfasten, den Beginn der vierten Fastenwoche. Während der ganzen Woche, bis zum Freitag, liegt das geschmückte Kreuz zur besonderen Verehrung in der Mitte der Kirche. Bei der gottesdienstlichen Verehrung singt die Gemeinde eine alte Antiphon zur Erhöhung des hl. Kreuzes, die in den lateinischen und griechisch-slavischen Gottesdienstordnungen vorgesehen ist: "Vor deinem Kreuz, oh Herr, fallen wir nieder, und deine heilige Auferstehung preisen wir." In der Mitte der Fastenzeit ist es ein enormer Trost, das verherrlichte Kreuz verehren zu dürfen, das schon ganz in den Glanz der Auferstehung eingetaucht ist.
     

Montag, 11. März 2013

Über das Fasten

Vor wenigen Tagen zeigte der oft mit spitzer Feder geschriebene Blog Orthodoxologie (in französischer Sprache) eine thematisch passende Seite an, die lesenswerte Gedanken enthielt:
Gerade während der Fastenzeit, die sich im westlichen Kulturkreis als solche nur schwer halten kann, stehe die Entscheidung für Christus ganz vorne an. Der Schreiber der Gedanken auf Orthodoxologie hat denn auch dargelegt, wie befreiend die Kombination von Hunger und Erinnerung sein kann! Ihn würde (und sicher nicht nur ihn allein!) der Hunger nach bestimmten Speisen quälen, wenn es ans Fasten geht - aber genau das sei der Augenblick, der ihm ins Gedächtnis ruft, dass es dem Festtag entgegen geht. Was für ein beseligendes Magenknurren ist es doch, wenn sich das Osterfest dadurch täglich heißer ersehnen läßt. Leider Gottes ist das ein allzu menschliches Fühlen, aber immerhin ist es ein Gefühl. Ein zweiter Gedanke ist nicht weniger wichtig: Das Fasten verlangsamt das Leben, denn es nimmt dem Körper einige Kaftressourcen. In einer Umwelt der Hetze und Schnelligkeit könnte dem Christen nichts Besseres passieren! Verlangsamtes Leben, verlangsamtes Arbeiten, sogar verlangsamte Hetze... Und ein schöner Gedanke zum Fasten ist gewissermaßen das Sahnehäubchen (für Nicht-Zisterzienser...): Nehmt die verlangsamte - und dadurch tatsächlich gedehnte - Zeit, und besucht die Nachbarn zum Gespräch, meinetwegen auch zum Kaffeeklatsch, aber bewegt euch aus dem engen Blickwinkel der eigenen vier Wände hinaus, da gerade dort Christus auf euch wartet.
Das sind tatsächlich schöne und friedvolle Gedanken in der Fastenzeit, die doch "in der Freude des Heiligen Geistes" (vgl. die Benediktsregel) ausgekostet sein will!    

Sonntag, 2. Dezember 2012

Der Eingang in den Advent

Für die Zisterzienser ist der "Eingang" in eine Festzeit immer ein wichtiger Moment. Abgesehen von dem Mythos der "Einförmigkeit", die niemals in den Klöstern des Ordens geherrscht hat (da z.B. Gemeinden außerhalb Frankreichs im 12. Jahrhundert schon Mitte November den Advent gegonnen haben), ist oder war die rituelle Grundlage des Zisterzienserlebens durchaus einförmig zu nennen. Der Eingang in den Advent ist keine Ausnahme, wie auf den obigen Reproduktionen zu sehen. Der monastische Tag beginnt ja am Abend; und die Vorabende der Feste und Festzeiten nehmen die Zisterzienser gleichsam bei der Hand. Es sind die "Vesperae vigiliae" die hier anklingen, was manche bei Reformversuchen wohl vergessen haben: Nach der Rezitation der Tagespsalmodie singt der eingeteilte Mönch das Kapitel, das den Ton angibt - "Brüder, die Stunde ist da, vom Schlafe aufzustehen."! Wer noch nicht aufgeschreckt ist, der wird es sicher, wenn alle sich zum feierlichen Responsorium bereitmachen - "Der Engel Gabiel wurde zur Jungfrau Maria gesandt, der Angetrauten Josephs, und verkündete ihr das Wort"... Es ist ja nicht so, dass es beim Gottesdienst um Ästhetik geht; und ganz sicher ist es wenig ästhetisch, wenn auf einmal, mitten in der Vesper, alle aus den Stallen zu den Büchern gehen müssen, um dort das Responsorium zu singen. Aber es ist ein großer Augenblick, wenn die Gemeinde in die Festzeit eintritt und wirklich merkt, was sie zu tun hat: Erwarten und warten, dass die Gemeinschaft zur Gemeinde wird, wenn der Engel Gabriel jetzt die Antwort einfordert. Und es ist schon eine Antwort, wenn die Gemeinschaft fastet, weil es Wichtigeres zu tun gibt, als sich ums Kochen zu kümmern.  

Sonntag, 11. November 2012

Das Fest des hl. Martin von Tours - ein Wendepunkt im liturgischen Jahr

Hl. Martin von Tours. Photo: orthpedia

Im November häufen sich Gedenk- und Festtage! Und im November begann für die Zisterzienser (regional bedingt) auch die vorweihnachtliche Fastenzeit, nach dem Martinsfest nämlich. Damit folgten sie einem sehr frühen Brauch, der statt vier Adventssonntage derer sieben kennt. Die Monastische Fastenzeit, die am 14. September begann, wurde mit der Weihnachtsfastenzeit geistlich aufgestockt, indem die Mahlzeiten einfacher wurden und der Seele mehr Freiheit für die Gottsuche zugestanden wurde. Unnötig, das manchem modernen Liturgiehistoriker so verhasste Adventsfasten ausführlicher zu begründen - schließlich weiß nur der Liebende, was die Erwartung des Geliebten bewirkt! Der christliche Osten hat das bis heute bewahren können, wenn er das Weihnachtsfasten am 15. November beginnen läßt. Es heißt dort "Philippsfasten", weil es am Tag nach dem Fest des Apostels Philippus beginnt. Ähnlich wie bei den Zisterziensern begnügt man sich mit Speisen, die ohne Eier, Milch, Fett, Fisch - und natürlich Fleisch zubereitet werden. Das Fest des hl. Martin gilt nicht nur im Hinblick auf das Weihnachtsfest im Westen als Wendepunkt: Seit frühesten Zeiten wurden auch die Löhne ausbezahlt, da nun die Winterpause begann. Noch um die Jahrhundertwende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert entsprach dem Martinsfest z. B. in Russland das Fest Mariae Schutz (1. / 14. Oktober). Nach diesem Datum wurde dort der erste Schnee erwartet.

Campus Galli-Baustelle 2012
Gestern wurde im Deutschlandradio eine Reportage über eine zukünftige experimentalarchäologische Baustelle ausgestrahlt: den Campus Galli in Meßkirch, eine "karolingische Klosterstadt" also, entwickelt nach dem St. Galler Klosterplan (datierbar etwa um 820). Der Zeitpunkt der Ausstrahlung war gut gewählt. Das Fest des hl. Martin, dessen Mantel eine Reichsreliquie war, wird auch, wie zu lesen ist, auf der ambitionierten Baustelle (geöffnet ab Frühjahr 2012) den Schlusspunkt der alljählichen Arbeitsperiode setzen. Dieses Projekt, obwohl eher ungewöhnlich und unkonventionell, darf mit Spannung erwartet werden. Ob der Wissenschaft auf breiter Basis gestattet wird, aus den Bau- und Lebensbedingungen auf dieser modernen karolingischen Baustelle Erkenntisse und Rückschlüsse zu ziehen? Der gut besetzte Wissenschaftliche Beirat des "Vereins Karolingische Klosterstadt Campus Galli" ist in dieser Hinsicht ein vielversprechendes Zeichen. Hoffentlich dürfen sich die Forschenden und Wissenschaftler an den Früchten der wachsenden Klosterstadt freuen. Zahlreiche, nur theoretisch erörterte Fragen liegen parat, die sich nur beantworten lassen, wenn man sie mit Leben füllt. So renommierte Wissenschaftler wie der Liturgiehistoriker P. Angelus A. Häussling von Maria Laach haben sich mit dem St. Galler Klosterplan beschäftigt. Verwiesen sei nur auf den umfassenden Aufsatzband "Studien zum St. Galler Klosterplan II" von 2002.
Das Martinsfest als jährlicher Aufbruch in die Winterzeit ist nicht nur Aufhänger für zahlreiche Bräuche, sondern auch der Tag des Waffenstillstands 1918, nach dem Ersten Weltkrieg.  Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg ist es kein großer Schritt mehr, weshalb die Reichskristallnacht 1938, die nur einen Tag vor dem Martinsfest eskalierte, nicht minder in diese Betrachtung gehört. Nur fünfzig Jahre später sollte am 9. November schließlich die Mauer zerfallen, die durch die Folgen des Krieges in Deutschland errichtet worden war. Alles in allem ist der November also ein an Gedenktagen äußerst segensreicher Monat; segensreich solange, wie die Menschennicht nicht vergessen, woher sie kommen und wohin sie unterwegs sind.                 

Montag, 11. Juni 2012

Apostelfasten - Ein Aufruf des Patriarchen der melkitischen Kirche zu Gebet und Fasten

In den Kirchen des Ostens beginnt alljährlich am Montag nach dem Oktavtag von Pfingsten das "Fasten der Apostel [Petrus und Paulus]", auch "Petrusfastenzeit" genannt. Es dauert bis zum Festtag de Apostelfürsten (29. Juni) und ist demnach, je nach Ostertermin und -berechnung, länger oder kürzer. In diesem Jahr, so berichtet die "Agenzia Fides" in DIESEM ARTIKEL, leider nur auf Französisch, hat der Patriarch der Melkitischen Kirche, Gregorios III. Laham, besonders zu Gebet und Fasten für die Menschen in Syrien aufgerufen. Die desolate politische Lage und die ungewisse Zukunft sind für die Menschen und vor allem die Christen in diesem Land eine gravierende Herausforderung und Prüfung. Zahlreiche Tote und Verletzte, nicht zuletzt durch ein grausames Vorgehen bewaffneter Einheiten, sind zu beklagen. Extreme isalmistische Gruppierungen werden diese Unruhen nutzen, um nach einem möglichen politischen Umsturz unter Verschärfung der gewalttätigen Vorgehensweise ihre religiöse Sichtweise und Gesetzgebung durchzusetzen, wie Kenner der Lage vermuten (so auf "L'Observatoire de la Christianophobie", oft zitiert in den letzten Tagen). Es wäre gut und richtig, wenn sich auch die Christen des Westens mit ihren Schwestern und Brüdern solidarisch zeigen könnten und dem Aufruf des Patriarchen Folge leisteten, um durch vermehrtes Gebet und Verzicht in der Liebe zu Gott und dem Nächsten zu wachsen. Im Zeitalter kommunikativer Netzwerke wäre es etwas Großes, in der zwischenmenschlichen Beziehung wieder sehr konkret zu werden.

Dienstag, 20. März 2012

Weisungen der Väter - P. Paissios der Hagiorit


„Da die menschlichen Annehmlichkeiten die Grenzen gesprengt haben, sind sie zu Unannehmlichkeiten geworden. Die Maschinen haben sich vervielfacht, die Sorgen haben sich vervielfacht und haben aus dem Menschen eine Maschine gemacht. Jetzt beherrschen die Maschinen und das Stahl die Menschen und deshalb sind ihre Herzen zu Stahl geworden.“

- Ein reines Herz erschaff in mir, o Gott, und den rechten Geist erneuere in meinem Innern.
Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht; und deinen heiligen Geist nimm nicht von mir. (Ps. 50, 12.13)-

Sonntag, 18. März 2012

Mittfasten

Der Vierte Sonntag der Vierzigtägigen Fastenzeit bezeichnet das "Mittfasten". Wenn die Mitte der Heiligen Vierzig Tage vor Ostern erreicht ist, kennt das christliche Brauchtum verschiedene Zeichen, die in der ernsten und entsagungsvollen Zeit den Blick schon auf Ostern ausrichten helfen. Die strengen Fastenregeln werden nicht aufgehoben, und dennoch gibt es kleine Freuden: Dem "Laetare"-Sonntag wurde im Laufe der Jahrhunderte seine rosa Farbe zugewiesen. Das Strahlen der Auferstehung sollte im Violett aufscheinen. Der röm. Ritus erlaubte dann auch Blumenschmuck und das Spiel der Orgel. Im Osten fällt das Mittfasten zusammen mit dem Sonntag und der Woche der Kreuzverehrung. Der Schriftsteller Ivan Schmeljow beschreibt diese Periode der Großen Fastenzeit ausdrucksstark in seinem Buch "Wanja im heiligen Moskau". Das geschmückte Kreuz wird feierlich in der Kirche erhöht, ähnlich wie am Fest der Kreuzerhöhung. Die Mahlzeiten werden abgeschlossen mit einem Hefegebäck in Form eines Kreuzes, in das die Wundmale eingebacken wurden (in Gestalt von Rosinen). Vielleicht ist es an der Zeit, sich neu Gedanken über das Fasten zu machen. Die Regeln wurden heute römischerseits so weit aufgehoben und verwischt, dass sie schwerlich Halt und Stütze geben können für Christen, die in einer gleichgültigen Umwelt ihren Glauben an den dreifaltigen Gott bekennen und "ganzheitlich", wie man sagt, leben möchten. Almosen, Gebet und Fasten: Das sind wichtige Eckpunkte des christlichen Lebens. Es lohnt sich also, einen jeden von ihnen zu bedenken und in die Tat umzusetzen.

Dienstag, 13. März 2012

Gedanken über die sogenannten Fluchpsalmen


Die monastische Tradition, die der Zisterzienser sowie der benediktinischen Gemeinschaften im Allgemeinen, aber auch andere monastische Typika, kennen die wöchentliche Rezitation des gesamten Psalters (während der Gottesdienste). Dass heute das Psalterium auf mehrere Wochen aufgeteilt wird, hat vielschichtige Gründe. Einer ist die Zeit, ein anderer kann die veränderte Struktur der Gottesdienste sein, um nur Beispiele anzuführen. Das, was gemeinhin als die "Fluchpsalmen" im deutschen Sprachgebrauch bezeichnet wird, kommt bei den Kürzungen oftmals schlecht weg. Das römische Stundengebet spart einige Psalmen aus, im monastischen kann es vorkommen, dass die anrüchigen Stellen ausgelassen werden. Macht das wirklich Sinn?
Diese Frage läßt sich wohl nicht apodiktisch beantworten. Es geht hier um den inneren Zusammenhang zwischen dem, was der Beter ausspricht, und dem, was die Gebetsworte vor Gott sind. In Psalm 68 heißt es:
"Ich erwarte, ob einer mittrauere, und es ist keiner da, ob einer tröste, und ich finde keinen. Und sie geben mir Galle zur Speise; und in meinem Durst tränken sie mich mit Essig. Ihr Tisch werde vor ihnen zum Fallstrick, zur Vergeltung und zum Anstoß. Ihre Augen sollen finster werden, daß sie nicht sehen; und ihren Rückn krümme auf immer!" (V. 21-24)
Diesen Psalm in der Vesper zu beten - das ist demütigend! Nicht etwa, dass die Worte peinlich wären. Sie sind ganz in Gebet gefasste Humanität! Gott hört auf das Gebet der Menschen. Er hört auf ihr Stöhnen und ihren Dank. Aber er hört erst recht auf ihre Anklage, da er weiß, wie groß seine Liebe ist - und folglich, wie sehr wir Menschen uns nach dieser Liebe ausstrecken, ohne sie erreichen zu können. Das, was die Theologen "Fluchpsalm" nennen, ist das Gebet eines verletzten Menschen. Gerade diese Worte möchte Gott hören, da sie ehrlich sind, viel ehrlicher, als Geschwafel und Süßholzgeraspel. Und der Gottesdienst muss ehrlich sein! Was in den Herzen verborgen ist, darf vor Gott getragen werden: Um wie viel größer ist doch ein Gottesdienst, der aufrichtig ist. Gott möchte der Aufrichtigkeit der Menschen mit seiner Liebe vergelten. Deshalb ist es traurig, wenn die anklagenden Worte des Psalmisten nicht mehr gebetet werden sollen, da sie "anstößig" sind. Und tatsächlich mag es sein, dass sie anstößig wirken. Doch das macht den Gottesdienst nicht weniger aufrichtig und wahrhaftig. Nur dem aufgesetzten Idealbild entspricht es nicht.
"Sie sollen vertilgt werden aus dem Buch der Lebendigen, und mit dem Gerechten nicht verzeichnet werden!" (Ps. 68,29). Wie wahr sind doch diese Zeilen, wenn Zeitungen und Nachrichten tagtäglich neue Grausamkeiten berichten können. Was der Psalmist betet, kommt aus der Aufrichtigkeit seines Herzens. Dass er diesen Fluch nicht herunterschluckt, sondern vor Gott ausspricht, macht den Beter größer vor Gott. Es ist der gleiche Beter, der ebenso wahrhaftig spricht:
"Erbarme dich meiner, o Gott, nach deiner großen Barmherzigkeit; und nach der Fülle deiner Erbarmung tilge meine Schuld. Mehr und mehr wasche ab meine Ungerechtigkeit; und von meiner Sünde reinige mich." (Ps. 50,3-4).
Die Heiligen Vierzig Tage des Fastens sind ein günstiger Moment, um die Wahrhaftigkeit in den Blick zu nehmen. Während ich in der "Qual meines Herzens" um Gottes Gerechtigkeit für meine Feinde bete, weiß Gott um die Sehnsucht des menschlichen Herzens, das sich an der Begrenztheit stößt - und seine anklagenden Worte vor Gott in Liebe umgewandelt sehen möchte.

Freitag, 17. Februar 2012

Der Karneval und die Vorbereitung auf das Fasten

Arbeiten für das Reich Gottes - die Altlast kommunistischer Enteignung in St. Petersburg, Maria Heimsuchung

Abgesehen vom lächerlichen "Karneval" (im volkstümlich-naiven Sinne), der momentan die Politik in Deutschland und anderswo prägt, sollte der Karneval im verständigen Sinne viel mehr an Gewicht zurückgewinnen. Die Verabschiedung bestimmter Speisen, die in der Fastenzeit nicht mehr gegessen werden, hat zu Recht einen frohen Unterton! Der Verzicht auf Fleisch, womöglich auch auf Milchspeisen und tierisches Fett aller Art, soll das Herz froh stimmen und vor allem: Er soll das Herz wieder auf Gott ausrichten oder diese Ausrichtung auf Gott vertiefen und erneuern. Das ist ein schönes und beglückendes Ziel! Der hl. Benedikt möchte, dass die Mönche frohen Herzens die Fastenzeit erleben! Ohne Zweifel: Es fällt mir schwer, mit klarem Verstand aller tierischen Fette mich zu enthalten, wie es die alte Tradition der Zisterzienser vorsieht! Ab dem Montag nach dem Sonntag "Quinquagesima" - ab "Rosenmontag" also - begann im alten Cîteaux die Fastenzeit. Das bedeutete tatsächlich ein Verzicht auf alles Fette, ein Verzicht auch auf mehr als eine Mahlzeit am Tage,und selbst die fand an Werktagen (an Nicht-Fest- oder Sonntagen) erst nach der Vesper am Abend statt. Leider hat die römische Kirche darauf verzichtet, ihren Gläubigen wrkliche Fastenregeln mit auf den geistlichen Weg zu geben, nachdem manche Regeln zu Maßregelungen verkommen waren. Keiner wollte mehr die peinliche Enge der Skrupulanten durchleben müssen, die grammweise nach Todsünde oder nur Fehlerhaftigkeit forschten. Das ist sehr verständlich. Das Kind mit dem Bade auszuschütten und alle Fastenregeln auf "Minimalstvorschläge" zusammenzustreichen, bedeutet allerdings nicht nur eine Infantilisierung erwachsener Christen, die klug genug sind, das ihnen gemäße anzuwenden, sondern auch eine Zerstörung gewachsener Traditionen, die sich als zerstörerisch auch hinsichtlich des Glaubenslebens erweisen kann.
Vielleicht kann ein Interesse an den Überlieferungen und an althergebrachten Lebensweisheiten den geistlichen Kahlschlag aufhalten. Dazuj braucht es aber mehr als zaghaftes Suggerieren und Herumreden um die Traditionen, die uns eigen sind (oder besser: waren). Ich habe vorgestern in der 1. Lesung der römischen Leseordnung den Satz gefunden: "Setzt das Wort Gottes auch in die Tat um!" Genau das brauchen wir: Die Überwindung der Trägheit; die Ausdauer, beim Gebet zu stehen oder zu knien (anstatt sich auf die erstbeste Sitzgelegenheit fallen zu lassen); sich für das Gebet alle Zeit der Welt zu nehmen, wo keiner mehr Zeit hat; das Fasten zu lieben - nicht nach Canones und geltenden Regeln, sondern als Liebende! Die Infantilisierung in der Politik, die im "Irrealis" mehr zuhause ist als im Hier und Jetzt, kann unmöglich weiterhin kirchlicherseits den kirchlich engagierten Menschen zugemutet werden. Diese nämlich können und wollen fasten, beten, sich für Gott Zeit nehmen und sich anstrengen und kämpfen für ihren Glauben. Mit seichten Worten kann kein Bischof oder Pfarrer diesen guten Willen stärken und leiten! Gerade das aber brauchen wir doch: Stärkung, Führung und Unterstützung auf dem immer schwieriger werdenden Weg der Christen durch die Welt auf Gott hin.

Sonntag, 12. Februar 2012

Liturgie und Leben

Obwohl auch an den Zisterziensern die Reform der liturgischen Bräuche und Gewohnheiten nicht spur- und schadlos vorübergegangen ist, möchte ich heute daran erinnern, wie bis vor einigen Jahrzehnten in den meisten Gemeinden die Zeit vor dem Beginn der Heiligen Vierzig Tage als schrittweie Annäherung an die große Fastenzeit begangen wurde. Wir stünden schon jetzt in der Vorfastenzeit, der "Septuagesima", wie diese Zeit nach ihrem ersten Sonntag genannt wurde. Im byzantinisch geprägten Osten zeichnet sich diese Zeit heute noch durch schrittweisen Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel aus: Am "Sonntag des Fleischverzichts" wird zum letzten Mal vor Ostern Fleisch gegessen, am "Sonntag des Käseverzichts" werden zum letzten Mal tierische Produkte genossen, bevor in der vorösterlichen Fastenzeit auf als dies verzichtet wird. Nicht alles war notwendig in der langen Gebräucheliste, die die Liturgie im Laufe der Jahrhunderte anlegen ließ. Es wäre allerdings sehr kurzsichtig, die Notwendigkeit zum Maßstab des Sinnvollen zu machen. Sinnvoll ist das verliebte Gespräch zweier Menschen nicht unbedingt, aber es gehört ebenso dazu wie die Sinnlosigkeit verliebter Gesten. Dass die Liturgie zum Ort der Liebe und der liebenden Vereinigung zwischen Gott und Mensch werden soll, darf nicht in Vergessenheit geraten. Die Uhr im Hinterkopf, die auf höchstens eine Stunde begrenzen möchte, was ein Liebender in Ewigkeiten rechnet, tötet die "Sonntagspflicht" - ein Wort, das vor dem Hintergrund der Liebe ebenso lächerlich wird, wie die kanonistischen Regelungen zur Erfüllung oder Nichterfüllung von Fastengeboten. Die Karnevalszeit kann wieder ins Gedächtnis rufen, wie wichtig es ist, der Regel ein menschliches und schönes Gesicht zu geben. Es bliebe tatsächlich nur das Gute zurück, wenn jenseits sinnvoller liturgischer Praktiken und kirchenrechtlicher Regelungen auch die Leidenschaft im hohen Sinn des Wortes ihren Platz zurückerhielte.

Sonntag, 21. Februar 2010

Die Heiligen Vierzig Tage - das Fastentuch

Bei den Zisterziensern (und nicht nur bei ihnen) war es lange Brauch, in der Fastenzeit ein Tuch vor den Altarraum zu spannen, das Fasten- oder auch "Hungertuch". Nach der Komplet des 1. Sonntags in der Fastenzeit sollten die Kreuze verhüllt und das Tuch vor dem Altarrraum ausgebreitet werden. Es wurde nur an Sonn- und Festtagen zurückgezogen (von der 1. Vesper bis nach der Komplet am Folgetag), um den Feiertag zu ehren, d.h. die Auferstehung Christi am Sonntag bzw. den Festtag des Heiligen oder des Herrn. Das Tuch, lat. "cortina", und die Verhüllung des hl. Kreuzesbildes waren Ausdruck tiefer geistlicher Verbundenheit mit dem Heilsgeheimnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Herrn. Wenn der Prophet Jesaja (und andere vor und nach ihm) sich verhüllten und dadurch ihre Ehrfurcht vor und Nähe zu Gott ausdrückten, dann erinnert die Verhüllung in der Liturgie an die Realpräsenz Gottes im Gottesdienst der Gemeinde. Diese feiert und vollzieht die Heilsgeheimnisse im Jahreslauf und vergegenwärtigt sich in den hl. vierzig Tagen das Geschehen unmittelbar vor Leiden und Tod Jesu, sein Hinaufsteigen nach Jerusalem und seine liebevolle Hingabe an den Willen des Vaters. Die Gemeinde geht auf den Höhepunkt des Jahreslaufs zu, auf das Osterfest, das Heilige Pascha. Und in frühen Zisterziensertexten heißt es, dass die ersten drei Tage der Osteroktav "aus Verehrung der heiligen Auferstehung" arbeitsfrei sein sollen - so zu lesen in den "Ecclesiastica Officia", Kap. 25,1. Das Bildnis des Gekreuzigten und der Altar bleiben verhüllt in der Fastenzeit, um der Schmach und Entstellung des Gottesknechtes zu gedenken, um sich der eigenen Gottebenbildlichkeit neu bewußt zu werden, um die Entäußerung bis zum Tod am Kreuz, wo der Menschensohn keine Gestalt und Schönheit mehr hatte, schmerzhaft zu erleiden und am eigenen Leib zu erfahren.
Dazu nur der Beginn des Großen Responsoriums der 1. Vesper zum Ersten Sonntag in den Vierzig Tagen: "Die Türen des Paradieses öffnet uns die Zeit des Fastens: Empfangen wir diese Fastenzeit mit Gebet und Bitte, damit wir am Tag der Auferstehung mit dem Herrn verherrlicht werden."