Samstag, 29. Oktober 2011

Ernst Wiechert - Jahre und Zeiten

Blick auf den Hl. Berg Athos...

Der deutsche Schriftsteller Ernst Wiechert, zeitlebens seiner ostpreußischen Heimat und dem heimatlichen Boden verbunden, schreibt in den autobiographischen Aufzeichnungen "Jahre und Zeiten":
"Es gibt Augenblicke und Zeiten in unserem Leben, die wie ein finsterer Himmel über unserem Herzen hängen, die uns Licht und Atem nehmen und in denen wir die Hände ringen nach einer Erlösung. Nicht Zeiten der Gefahr, des Kerkers, des Todes, sondern die Zeiten, in denen wir auf eine schreckliche Weise erkennen, daß wir unser Leben vertun. Daß wir auf einem falschen Boden wachsen, eingesenkt und an einen Stab gebunden, hoffnungslos und rettungslos, und daß wir schlechte Früchte tragen werden. Und daß wir uns nicht lösen können, ohne das Erdreich aufzubrechen, ohne den Strick zu zerreißen, den Stab zu brechen, und vor der Welt schuldig zu werden, indes wir doch nur dem Gesetz gehorchen, nach dem wir angetreten sind und das uns zu den fernen Küsten treibt, von denen wir nichts wissen, als daß es eben unsre Küsten sind, mögen es solche des Leides oder der Seligkeit sein."

Freitag, 28. Oktober 2011

Mönche... und der hl. Rafael Arnáiz Barón

Hl. Rafael Arnáiz Barón

"Die Welt sagt zum Mönch: Du bist verrückt: du verläßt alles und begnügst dich mit dem 'Nichts'. Und der Mönch antwortet der Welt: Nein, nein, genau das Gegenteil ist der Fall: ich lasse das, was nichts ist, um alles zu besitzen. Es stimmt, dass ich hier nichts mein Eigentum nenne, nicht einmal den Eigenwillen, nicht die Freiheit, aber dafür habe ich Gott ... jenen Gott, den du mir nicht geben kannst..."
Der spanische Zisterzienser Rafael Arnáiz Barón hat dieses Zwiegespräch mit der Welt in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts aufgeschrieben. Zufällig fand ich diesen Ausschnitt (entnommen dem Buch "Nur Gast auf Erden", erschienen im Bernardus-Verlag, unter der Nummer 680); und zufälligerweise fällt mir dazu ein, wie begierig ich auf die Welt höre und mich wundere, wie verwirrt sie mich zurückläßt! Oft und immer wieder führt sie mich hinters Licht - und läßt mich dann im Dunkeln stehen. Vielleicht braucht es Novizen wie den hl. Rafael, die immer wieder aus dem begeisterten Herzen weitergeben, was wirklich wichtig ist. Ich kann es kaum glauben, dass der Verzicht ein Gewinn ist... und merke, wie wenig mich die Begeisterung erfüllt. Gott sei dank habe ich das gerade gemerkt und direkt daran zu arbeiten begonnen.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Das Leben hat den Tod überwunden!

In der Zisterzienserinnenabtei Blauvac - Begräbnis nach Ordensbrauch...

Emotional zu reagieren, sollte nicht schwer sein (kann es aber durchaus!). Emotional und überlegt zu reagieren, ist schwer und erfordert Selbstbeherrschung. Mir jedenfalls kommen bei den Bildern, die mir vorschweben, bittere Gedanken: Es ist der Bruder, der mehr als drei Tage mit dem Tod kämpfen muss. Es ist das Bild eines sich nicht mehr seiner Würde bewußten Menschen, der tot ist, ohn das er schon sterben konnte. Und das Bild des ununterbrochenen Kampfes während dieser langen Tage! Dass der eingebaute "Computer" das Herz immer wieder anfeuert, dass alles im Körper dehydriert und vertrocknet, weil nur noch forciertes Atmen befohlen wird, und dass durch Infusionen der innere Wasserhaushalt zwar aufrechterhalten wird, aber die Luftröhre, die Schleimhäute bloßliegen. Selbst die Blutabnahme wird zur Qual, wo keine Vene mehr zu finden ist. - Ist das der Segen der Medizin? Ist das Verantwortung gewesen seitens des Pflegers, also meinerseits? Hätte ich nicht die Einweisung ins Krankenhaus verweigern sollen, wo der Tod ausgesperrt werden sollte, der doch für uns als Mönche und er st recht als Christen ein erhabener Augenblick ist? Der Tod ist ein Schritt durch den Vorhang, hinter den wir doch schon lange zu sehen wünschten! Wo endlich die "selige Schau" uns erwartet in der Person Christi.
Immer, wenn ich wieder und wieder erwägen muss, was medizinischerseits zu tun sein wird, versagt mittlerweile meine Nervenkraft. Und das letzte Bild eines Bruders steht mir vor Augen, der schon längst aufgehört hat zu atmen, weil es nicht mehr ging - aber dessen eingebauter "Computer" nicht aufgeben wollte: Nach einem gewaltigen Stromstoß habe ich gesagt, dass es nun wohl reicht: Dass die Wahrheit des Todes stärker ist als menschliche Hybris.
Noch nicht einmal der Trost des intimen zisterziensischen Begräbnisses ist uns in Deutschland gestattet. Anstelle des zärtlichen Hinablassens des Toten, den der Pfleger richtig im Grab bettet und dessen Gesicht er dann mit einem Tuch bedeckt, müssen wir einen auslaufsicheren Sarg haben. Wir Mönche haben früher immer im Sarg geschlafen - eine fromme Legende ist das und doch sehr wahr! Das Mönchsgewand war Pyjama und einziger "Sarg", wenn das, was sterblich war, ausruhen durfte - im Frieden übrigens!

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Hl. Isaak der Syrer - Asketische Reden XI


Aus dem zweiten Brief: An seinen Bruder dem Fleisch und dem Geiste nach,... der ihn zu sehen wünscht.

[...] Bitte mich nicht darum, nur das zu bedienen, was Fleisch und Sehnsucht befriedigt, Bruder, sondern wache über das Heil meiner Seele; nur noch ein wenig, und wir werden diese Welt verlassen. Wieviele Menschen werde ich getroffen haben, [wenn ich zu Dir komme und] wenn ich dorthin gehe! Wieviele Menschen und Orte aller Art werde ich gesehen haben, bevor ich wieder in meine Zelle zurückkomme! Was sind das für Versuchungen, die meine Seele finden wird auf ihrem Weg während all dieser Gelegenheiten! und was für eine Verwirrung für sie, wenn sie sieht, wie all diese Leidenschaften wieder aufwachen, die sie gerade erst besänftigt hatte! Du weißt um all diese Dinge. Der Anblick der Menschen, die in dieser Welt leben, schadet den Mönchen. Auch das weißt Du. Denke dir nur, welch eine Wandlung ein Mensch durchmachen kann in seinem Geist, der lange Zeit alleine in der Hesychia [der geistlichen Ruhe] gelebt hat, wenn er plötzlich inmitten der Welt steht und soviele Dinge sieht und hört, die seinen Gewohnheiten zuwiderlaufen. Wenn schon die einfache Begegnung mit Mönchen, die eine andere Art haben, das monastische Leben zu führen, als er selbst, für ihn schädlich ist, der noch kämpfen muss mit dem Widersacher, so denke nur daran, in welche Abgründe wir fallen würden und auch, wie wir den Fangstricken des Feindes entkommen könnten - vor allem wir, die wir durch eine langjährige Erfahrung im Verständnis geschult wurden. 2. Bitte mich also nicht darum, eine solche Sache ohne Notwendigkeit zu unternehmen. [...]

Übers. nach: Saint Isaac le Syrien. Discours ascétiques... Trad. ... par le R. P. Placide Deseille. Monastère Saint-Antoine-le-Grand 2006, S. 539-540.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Vom Segen des monastischen Lebens

"Mare balticum" - Ostseeimpression...

Nicht unbedingt auf den ersten Blick läßt sich erahnen, was das monastische Leben so wertvoll machen könnte: Ich meine hier nicht die tiefgeistliche Dimension der Berufung und der liebenden Hingabe, die unerlässlich sind im Mönchtum. Ich meine vielmehr die Zeit der Muße, des Nichtstuns und der Versenkung. Die beiden ersten Phänomene sind Voraussetzung für das letztgenannte. In allen drei Zuständen kann der Mönch oder die Mönchin zum Wesen der monastischen Berufung vordringen: Ganz in Gott einzugehen, um vollendete Ikone zu werden. Es wäre wirklich müßig, Diskussionen anzufangen über den Sinn dieser Behauptung. Allerdings habe ich das oben gezeigte Bild von der Ostsee nicht aus Verlegenheit gewählt. Ich habe es selbst aufgenommen, irgendwo bei Heiligendamm. Die See war, wie zu erahnen ist, rauh und der Wind nicht weniger kräftig. Trotzdem war die kurze Weile am Strand bei hereinbrechender Dunkelheit ein erhabener Moment für mich. Da die Ostsee mir lieber als die Nordsee ist, wohl weil sie irgendwie Heimat bedeutet, konnte ich im Sturm mehr Schweigen mitnehmen als im verordneten "Maulhalten". Die Schätze, die das Mönchtum mitbekommen hat durch seine Berufung, lassen sich eher in der Wirklichkeit des Lebens finden, als in disziplinierter Ordnung ohne verständige Offenheit. Ein Kloster, dessen Schweigen die Herzen zerbrechen läßt, weil es Gott nicht zu Wort kommen läßt, hat keine Lebensberechtigung. Es hat aufgehört, eine Schule des Herrendienstes zu sein, die für das Leben erzieht - ich meine hier das ewige Leben!

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Photographie als Betrachtung: Bruno Rotival und sein Schaffen

Bruno Rotival: Abbaye d'Acey

Der französische Photograph Bruno Rotival arbeitet seit vielen Jahren mit seiner Wahrnehmung der monastischen, hier besonders der kartusianischen und zisterziensischen Welt. Eine umfangreiche Photosammlung vermittelt etwas von der Außensicht eines Menschen, dem viele Türen und Tore von Klöstern geöffnet wurden. Seine Photographien sind wie verewigte, lang anhaltende Augenblicke, die manchmal die Grenzen der Intimität berühren. Für mich sind die Bilder von Bruno Rotival Zeugnisse für den großen und kostbaren Schatz des Mönchtums, zeigen sie die Kostbarkeit der Perlen, die das Ordensleben hüten sollte.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Himmerod

Himmerod vor der Wiederbesiedlung: Wie groß werden die Anstrengungen gewesen sein, um diese Ruine wieder bewohnbar und zum Kloster zu machen? Auch das verdient Würdigung und Anerkennung!

Die wohl etwa 100 Jahre alte Postkarte, die diesen Gedanken vorangestellt ist, will nicht etwa ironische (noch viel weniger sarkastische!) Illustrierung der Gegenwart sein. Das Kapitel der Mehrerauer Zisterzienserkongregation hat den emeritierten Abt von Marienstatt (Westerwald), Dr. Thomas Denter, zum Administrator für ein Jahr in Himmerod ernannt (Meldung im Trierischen Volksfreund).
Wer ein wenig die geistliche Ordnung der Zisterzienser kennt, freut sich sicher darüber, dass die Mehrerauer Kongregation das ehrwürdige Institut der Filiation rechtskräftig in ihren Konstitutionen bewahrt hat. Nachdem die Abtei Mariastern in Bosnien 1922 die Paternität an die Abtei Marienstatt abgeben musste (und es auch wollte), ist der Abt von Marienstatt Vater Immediat von Himmerod. Von 1971 bis 2006 hat also auch Dr. Thomas Denter diesen, vor allem geistlichen, Dienst an der Gemeinschaft von Himmerod als sogenannter "Vaterabt" ausüben dürfen. Demzufolge dürfte er für seine neue Aufgabe das nötige Hintergrundwissen mitbringen, das in der schwierigen Situation der Himmeroder Gemeinde nutzbringend anzuwenden sein wird. Aller desolaten journalistischen Ergüsse der letzten Monate und aller tatsächlichen Schwierigkeiten zum Trotz kann man den Kapitularen des Mehrerauer Kapitels nur dankbar sein für ihre Entscheidung bezüglich der Gemeinschaft von Himmerod. Wesentlich ist nämlich nicht Ort oder Gebäude oder glorreiche Vergangenheit, wesentlich sind die Menschen, die diesen Ort zu einem geistlichen Ort machen und die zuallererst als Mönchsgemeinde Christus in seinem verherrlichten Leib abbilden.

Samstag, 8. Oktober 2011

Das Schöne und der (Einzig-)Schöne... und Hans Urs von Balthasar

Cîteaux...

Heute wiederge- und des Bedenkens für würdig befunden. Ein Text von Hans Urs von Balthasar:
"Ob "schöne" Liturgie (die um schön zu sein, gewiß nicht des für die meisten unverständlichen Lateins bedarf) nur für gewisse Generationen schön ist, während nachfolgende ihre Schönheit nicht mehr wahrzunehmen vermögen, kann als Frage offenbleiben. "Auch das Schöne muß sterben", und Einbalsamierungen bekommen ihm nicht. Aber keinesfalls darf es durch Häßliches oder Gemeines, durch Triviales oder Gehaltloses ersetzt werden, sondern bestenfalls durch Schlichtes, das dem nicht mehr verständlichen weltlich Großartigeren an Würde nicht nachzustehen braucht. "Selig die Armen im Pneuma", falls sie nur ihre Armut eingestehen und sie nicht für sich selbst zu bemänteln suchen. Wenn ein Geschlecht keine echten religiösen Bilder für die Kirche zu schaffen vermag, soll es nicht sagen, leere Wände konzentrierten den Geist wirksamer auf das Wesentliche. Wenn wir kleine Leute geworden sind, sollten wir das Mysterium, das wir feiern, nicht auf unser Format zu reduzieren suchen."
(Ausz. aus: In der Fülle des Glaubens. Hans Urs von Balthasar-Lesebuch. Hrsg. v. Medard Kehl und Werner Löser. Herder 1981, S. 317)

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Notre-Dame de l'Atlas / Tibhirine - fr. Christophe Lebreton, X


[04/10/1995] Mittwoch.
Der hl. Franziskus der Poverello. Wie würde ich mich freuen, wenn mein Leben eines Tages im Einklang mit deinem Leben singt, in der Freude der verwundeten Liebe. Maria, die du alle Heiligen persönlich kennst, könntest du mich mit deinem Kind aus Assisi bekanntmachen? Ich werde ihn zu meinem Gesangslehrer machen. Mein Ziel: Meine 45 Jahre mit Dir zu erreichen. Und (?) dir entschieden, restlos alles Folgende anvertrauen.

(Übers. nach: Le souffle du don. Journal de frère Christophe... Bayard 1999, S. 187)

Montag, 3. Oktober 2011

Tag der deutschen Einheit

Eisenhüttenstadt - Leninallee

Ein Festtag von nationaler Bedeutung sollte der 3. Oktober sein. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich für uns Deutsche so ist. Natürlich gibt es Feiern zum Nationalfeiertag, es gibt Ansprachen und Reden, zentrale Gedenkveranstaltungen mit Bundespräsident und Bundeskanzlerin. Und ich freue mich, dass wenigstens die offiziellen Institutionen den 3. Oktober als Feiertag begehen, mit echter Freude der Wiedervereinigung des Vaterlandes gedenken!
Wenn man persönlich betroffen ist von der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands, dann sieht alles etwas anders aus, als wenn man die Geschichte gleichsam nur von außen mitbekommen hat, ohne dass die Familie, die Heimat auf dem Spiel stand. doch auch diese Perspektive kann täuschen! Meine Familie sah sich immer als deutsch. Dabei würde ich sagen, dass sie zur Hälfte (sagen wir mal:) polnisch ist. Das ist genauso richtig und genauso falsch, wie die Mär vom "bösen Polen", der "die Deutschen vertrieben hat". "Die Deutschen" sind genuin Bewohner ihres Landstrichs gewesen, sind natürlich ganz Deutsche, aber wohl auch ganz Polen oder ganz Slaven oder ganz Wenden. Dass nach der Vertreibung aus ihrer Heimat weiter nach Westen hin, westlich der Oder also, mehr Deutschland war, lag an der Gunst der Geschichte und ihrer Grenzziehung, nicht an ethnischen Gegebenheiten. Die Tragödie der deutschen Teilung hat seit vielen Jahren ein Ende. Für mich war Deutschland vor der Wiedervereinigung schon eins, da meine Wurzeln ebensogut im sandigen Boden der Lausitz verwachsen waren, wie in der steinigen Erde Westfalens. Umso verwunderlicher war für mich, den Knaben, die menschliche Fähigkeit, sich selbst zu beschneiden: Ein Land zu teilen, mit Waffengewalt zu zerschneiden und zu verhindern, dass Deutsche von hüben nach drüben und umgekehrt gehen konnten, um ihre Heimat wiederzusehen oder ihre Verwandten. Die Reproduktion einer Postkarte, die ich oben eingestellt habe, ist ein Gruß an meine Familie im Westen Deutschland aus Eisenhüttenstadt im Jahr 1980. Zu Besuch bei meinen Verwandten, durfte ich die Segnungen des real existierenden Sozialismus am eigen Leibe erfahren und eines Konstruktes ansichtig werden, der jeglicher Schönheit entbehrte. Einzig meine gute Großtante konnte die Ödnis mildern durch ihre Gastfreundschaft. Sie ist längst heimgegangen, wie die ganze großelterliche Generation, der ich nicht nur die Liebe zu Deutschland als ungeteilte Heimat verdanke. Dieser Generation verdanke ich auch eine Weite des Geistes, wenn es um Europa geht: Dass dem Fremden nicht hinter der nächsten Grenze zu begegnen ist, sondern einzig dort, wo der Mensch zum ideologischen Konstrukt und zum gedankenlosen Mitläufer wird.
Gottes Menschwerdung könnte ein großes Zeichen sein für alle, die das Sehen noch nicht verlernt haben.