Sonntag, 12. Februar 2012

Liturgie und Leben

Obwohl auch an den Zisterziensern die Reform der liturgischen Bräuche und Gewohnheiten nicht spur- und schadlos vorübergegangen ist, möchte ich heute daran erinnern, wie bis vor einigen Jahrzehnten in den meisten Gemeinden die Zeit vor dem Beginn der Heiligen Vierzig Tage als schrittweie Annäherung an die große Fastenzeit begangen wurde. Wir stünden schon jetzt in der Vorfastenzeit, der "Septuagesima", wie diese Zeit nach ihrem ersten Sonntag genannt wurde. Im byzantinisch geprägten Osten zeichnet sich diese Zeit heute noch durch schrittweisen Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel aus: Am "Sonntag des Fleischverzichts" wird zum letzten Mal vor Ostern Fleisch gegessen, am "Sonntag des Käseverzichts" werden zum letzten Mal tierische Produkte genossen, bevor in der vorösterlichen Fastenzeit auf als dies verzichtet wird. Nicht alles war notwendig in der langen Gebräucheliste, die die Liturgie im Laufe der Jahrhunderte anlegen ließ. Es wäre allerdings sehr kurzsichtig, die Notwendigkeit zum Maßstab des Sinnvollen zu machen. Sinnvoll ist das verliebte Gespräch zweier Menschen nicht unbedingt, aber es gehört ebenso dazu wie die Sinnlosigkeit verliebter Gesten. Dass die Liturgie zum Ort der Liebe und der liebenden Vereinigung zwischen Gott und Mensch werden soll, darf nicht in Vergessenheit geraten. Die Uhr im Hinterkopf, die auf höchstens eine Stunde begrenzen möchte, was ein Liebender in Ewigkeiten rechnet, tötet die "Sonntagspflicht" - ein Wort, das vor dem Hintergrund der Liebe ebenso lächerlich wird, wie die kanonistischen Regelungen zur Erfüllung oder Nichterfüllung von Fastengeboten. Die Karnevalszeit kann wieder ins Gedächtnis rufen, wie wichtig es ist, der Regel ein menschliches und schönes Gesicht zu geben. Es bliebe tatsächlich nur das Gute zurück, wenn jenseits sinnvoller liturgischer Praktiken und kirchenrechtlicher Regelungen auch die Leidenschaft im hohen Sinn des Wortes ihren Platz zurückerhielte.

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