Sonntag, 24. Januar 2021

Hagia Sophia gegen Hagia Sophia?

Es ist zu lesen (und die seriöse Quelle sei an dieser Stelle mal verschwiegen), dass das ukrainische Schisma, das die gesamte Orthodoxie verwundet hat, sich an seinen Erschaffern rächt: Die Kiewer Hagia Sophia habe die Istanbuler Hagia Sophia mit in den Abgrund gezogen; die malträtierte ukrainische Nation sei das Vorspiel für eine malträtierte amerikanische Nation. Solche Behauptungen aufzustellen, hilft nicht gerade dabei, Versöhnliches und Klarstellendes hervorzuholen. Übrigens widerspricht eine solche Auslegung der geschichtlichen Ereignisse in einem entscheidenden Punkt der christlichen Sicht auf die Welt. Alles hängt zusammen - das ist wahr. Aber nicht alles wird automatisch zum oktroyierten Verhängnis für wen auch immer. Kürzlich konnte man in der frankophonen Szene empörte Zwischenrufe vernehmen: Wie kann die Weihe eines katholisch-unierten Klerikers orthodox anerkannt werden, wenn die russische Kirche sogar orthodoxen Klerikern (in der - schismatischen - "orthodoxen Kirche der Ukraine") die Anerkennung verweigert und sie als Ungeweihte bezeichnet? Es stimmt: Alles hängt zusammen. Mit dem Unterschied, dass im letztgenannten Fall die Anerkennung von sakramentalen Akten eng mit dem unumgänglichen Willen zur Umkehr zusammenhängt, ohne den die Liebe Gottes wohl vergeblich anklopft. Der "Schismatiker" spaltet nicht unbedingt durch gegensätzliche Meinungen und Lehrsätze, sondern vielmehr durch seine Zurückweisung der "communio" in ihrer grundsätzlichsten Bedeutung: es ist bei ihm - und das eigentlich immer in der Kirchengeschichte - eine Verweigerung aller Verwundungen und Toten zum Trotz. Und wo steht zwischen all dem Schmutz und Dreck das Evangelium? Es steht mittendrin und es ist sich nicht zu schade, uns Heutige immer wieder neu seine Zwischenrufe hören zu lassen: Dass Gott heilen will, dass Gott bedingungslos heilt, wenn wir ihn bitten, dass Gott sogar alle menschlichen Schubladen wie Volk, Rasse, Nation, Kultur, ja sogar Religion ... außer Acht lässt, um dem aufnahmebereiten Menschen alles Gnadengeschenke zukommen zu lassen. Und Gott heilt sogar vorbehaltlos, selbst wenn der Geheilte ihm noch nicht einmal seinen Dank zurückgibt. Die oft verstörenden Wortmeldungen, von denen drei oben in Auszügen vorgestellt wurden, gehören ebenfalls in den Gesamtzusammenhang, der die Welt besser oder schlechter werden lässt! Gebe Gott, dass sie nicht Hass, Abneigung oder Entmutigung produzieren, sondern zu einem entschiedenen Willen zur Wahrhaftigkeit und zum evangeliumsgemäßen Handeln aufrufen.

Dienstag, 12. Januar 2021

Die Macht des Wortes - verantwortungsvoller Journalismus

Gerade jetzt im neuen Jahr muss es sauer aufstoßen, wenn eine Zeitung wie "Die Tagespost" sich zum Sprachrohr der Parteiungen macht. Auffällig ist freilich nicht nur die Parteinahme der "Tagespost" für Strömungen innerhalb der Orthodoxie, die nicht so einfach abzuhandeln sind, wie es den Redakteuren erscheinen mag. In einem jüngst erschienenen Artikel beklagt Stephan Baier die Diskreditierung des Moskauer Patriarchats in Hinblick auf die Hilfe für verfolgte afrikanische Christen. Diese Diskreditierung sei Folge der kirchenpolitischen Ambitionen des Moskauer Patriarchats, seiner Eigeninteressen. Leider unterschlägt der Autor manche Details: Er erwähnt nicht die Positionierungen der Moskauer Bischofssynode zugunsten des "Ökumenischen Patriarchats" und seiner Bedeutung, er erwähnt nicht die bei weitem komplexere Binnensituation der orthodoxen Ortskirchen - Jerusalem mit ihrer Vermittlerrolle, die anderen Patriarchate in ihrer Stellung im politischen Gefüge - und sieht folglich nur die vermeintlichen russischen Angriffe auf die Aggressoren der russischen Kirche: den Phanar, dem seine Protos-Rechte streitig gemacht würden, den Patriarchen von Alexandrien, der zum "Phanar" hält und dem deshalb "Moskau" eine Hundertschaft Priester abspenstig machen will. S. Baier verkennt scheinbar völlig die strukturelle Schwachstelle seines Argumentationsgefüges: Die "Orthodoxie" sieht sich nicht zuerst als Größe, die es zu verteidigen gilt, sondern sie sieht sich vor allem als Kirche, die im apostolischen Glauben leben möchte. Obwohl sicherlich auch Machtgefüge und Einfluss nicht auszuklammern sind, verbietet sich doch eine einseitige Argumentation, wie sie S. Baier zum wiederholten Male vorträgt und für die er sich zum Sprachrohr macht. Orthodoxerseits findet tatsächlich ein Kampf statt: es ist der um die Orthopraxie, das rechte Handelns. Nicht umsonst hat das Außenamt des Moskauer Patriarchats betont, dass eine Übernahme von Priestern des Patriarchats von Alexandrien zuerst einmal nicht wünschenswert ist, da sie zu einem anderen Patriarchat gehören. Legitim wäre ein solche Übernahme erst dann, so ist zu folgern, wenn das Wohl der Gläubigen auf dem Spiel steht. Denn es ist die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen, um die es geht, es sind nicht Landesgrenzen oder Macht und Einfluss - was immer menschliche Unvollkommenheit auch durch die Hintertür einzubringen vermag (und was nicht abgestritten werden soll). Daher wäre es wichtig und wünschenswert, wenn auch im Journalismus die Macht des Wortes gebührend Beachtung fände. Es brauchte keine Lobhuddelei auf wen auch immer sein, aber eine einigermaßen ausgewogene Berichterstattung verdient auch jemand, dem ich nicht meine Sympathie entgegenbringe.