Montag, 30. Juli 2012

Edzard Schaper - "Der vierte König": Über die Unbedingtheit


[...] "Jugend! dachte ich vielleicht, herrliche Unbedingtheit! Lieber ein irrender König in fremdem Land hinter einem untergegangenen Stern sein, als eine zweckeifrige Biene daheim in den blühenden Linden der irdischen Jahreszeiten... So vieles, unsäglich vieles aus der Geschichte des vierten Königs fiel mir ein, was jetzt am allerwenigsten Platz in meinem Kopf finden durfte. Aber wie hatte Armjaninow gesagt? ,Ich frage mich, ob er nicht ewig leben wird' ... Wen hatte er damit gemeint? Den König der Legende als ewigen König des russischen Volkes, so viele Kommissare ihm auch den Thron streitig machen mochten, oder die seltsame Gestalt da drüben im zweiten Saal? Es hatte sich beinahe mehr nach dm zweiten angehört, und das konnte einem Angst einflößen. Geriet auch er bei den inneren Erschtterungen der Heimkehr in den verhängnisvollen Wahn der ewigen und fortwährenden Anwesenheit Gottes auf Erden wie der vierte König? War auch er nicht imstande, das Heilsgeschehen Vergangenheit und Geschichte werden zu lassen? Der Abt mit seiner Autorität konnte ihn, der immerhin in westlichem Denkengeschult war, so leicht widerlegen. Auferstehung und Himmelfahrt waren doch wenigstens theologisch nicht einfach ungeschehen zu machen. Oder hatte der vierte König, der Vasall ,des größten Königs aller Zeiten und Zonen', in Armjaninow schon wieder einen Untervasallen gefunden?" [...]
Aus: Edzard Schaper: Der vierte König. Zürich [1962], S. 171)
Major Frederichs, Stabsoffizier der Wehrmacht im estnisch-russischen Grenzgebiet Anfang der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts, also mitten im Zweiten Weltkrieg, der Ich-Erzähler des erschütternden Romans von Edzard Schaper, sinniert hier über die eine große Frage, die den ganzen Roman durchzieht: Wo liegt die Wahrheit für den suchenden Menschen verborgen? Und viel besser noch: Wer ist die Wahrheit und der Weg und, vor allem, das Leben? Sein ihm vor wenigen Stunden erst zugeteilter Sonderführer Armjaninow, Sohn russischer Emigranten und ehemaliger Student am (russischen) theologischen Seminar Saint-Serge in Paris, hat in dieser kurzen Zeit mit gigantischen Schritten seinen Aufstieg zum Berg Tabor begonnen. Frederichs wird ihm bis an sein Lebensende nachjagen - das erfährt der Leser ganz zu Beginn des Romans. Einholen kann er ihn nicht mehr: Welten trennen den jungen russischen Schmalspuroffizier, den seine Vergangenheit einholt, vom protestantischen Stabsoffizier. Schaper hat einen höchst theologischen Roman geschrieben, der nicht leicht zu erfassen ist. In diesem Werk wird die protestanische und allgemein westliche Theologie an ihre Grenzen geführt - und sie kann sie nicht hinter sich lassen. Dieses sich einzugestehen, fordert den ganzen Menschen. Demütig stellt sich Frederichs dieser Prüfung, ohne sie freilich in seinen Augen jemals bestehen zu können. Vielleicht ist das Taborlicht für sein Augen aber auch nur deshalb ein Geheimnis, weil er es schon längst im Herzen geschaut hat. Der Roman endet im Desaster, ohne den Leser wirklich loszulassen: Er macht sich, womöglich und hoffentlich, gleich Major Frederichs, auf den Weg zum Berg der Verklärung.

Samstag, 14. Juli 2012

Ein modernes Itinerarium aus dem Heiligen Land - IX : Jahrestag der Kirchweihe der Anastasis-Basilika


Im Jahr 335 wurde der Kranz von verschiedenen Kirchen am Ort des Todes und der Auferstehung Jesu Christi, den Kaiser Konstantin hatte errichten lassen, feierlich geweiht. An diese Kirchweihe erinnert der heutige Festtag, den die Kirche von Jerusalem mit besonderer Feierlichkeit begeht. Die heutige Basilika der Anastasis, im Deutschen gemeinhin Grabeskirche genannt, ist ein Bauwerk, das durch viele Jahrhunderte hindurch entstanden ist. Die Kuppel über dem Ort der Auferstehung Christi wurde erst vor wenigen Jahren saniert, während andere Kapellen, Apsiden und auch "Chöre", wie es offiziell heißt, durch die Jahrhunderte immer wieder ergänzt und erneuert wurden. Eine feierliche Kirchweihe im 12. Jahrhundert (1149) steht am Beginn des Anniversariums vom 15. Juli. Während damals die Kreuzfahrer um die Heiligen Stätten kämpften, teilen sich heute mehr oder minder friedlich verschiedene Konfessionen die Grabeskirche. Die Gottesdienstzeiten sind präzise geregelt bzw. werden durch den Status quo bestimmt, dessen Einhaltung zu den grundlegenden Pflichten der Gemeinschaften gehört, die am Ort des Todes und der Aufersehung Christi leben. Insofern ist gerade auch dieser ehrwürdigste Ort der Christenheit ein Abbild der Wirklichkeit und der bitteren Realität, die nicht nur im Mittleren Osten und in den Diktaturen dieser Welt täglich erfahrbar wird. Ein Pilger im Heiligen Land, der mit offenen Augen durch die Orte und Städte geht, die die Apostel im Auftrag Jesu durchwandert haben, sieht alle Wunden, die Kriege und Politik geschlagen haben. Umso schmerzlicher ist die Feststellung, dass am Nabel der Welt gerade die Christen ein Bild erbärmlicher Spaltungen und Kleingläubigkeit abgeben. Die Liturgie am Kirchweihfest (und nicht nur diese) ist im Himmlischen Jerusalem angesiedelt. Die Visionen des Apostels Johannes erinnern daran, dass dort unsere wahre Heimat ist, in der Stadt des Friedens.

Pour la vieille et vénérée France...

Elle est la "Fille ainée" de l'église. Elle est en fête aujourd'hui, la grande Nation francaise (avec cédille...). Pourtant, pour mon cadeaux festif, j'ai choisi la version de l'hymne nationale sans paroles. On me pardonnera sans doute:

Freitag, 13. Juli 2012

Fest des Hl. Alexander Schmorell


Zum ersten Mal kann in diesem Jahr das Fest des hl. Alexander Schmorell in der russ. Kathedrale in München gefeiert werden. Der Heilige wurde am 4./5. Februar 2012 in München kanonisiert. Vorgesehen ist neben dem vollständigen Gottesdienst zu Ehren des von den Nazis enthaupteten Widerstandskämpfer aus den Reihen der "Weißen Rose" auch eine Prozession (während der Liturgie) zum Grab des Märtyrers, das sich in unmittelbarer Nähe der Kathedrale auf dem Friedhof "Perlacher Forst" befindet. Auf der Seite des "Moinillon" konnte man diese Informationen gestern abrufen. Aus dem Festgottesdienst zu Ehren des hl. Alexander Schmorell: "Mit welchen Lobeskränzen schmücken wir dich, Märtyrer Alexander, der du die in Bosheit geflochtenen Redekünste zerstäubtest, indem du sie mit deinem Worte zerschnittest. Du lehrst das Rechte, und leidest geduldig für Christus, vom Guten bekleidet und mit den Leidensduldern gekränzt. Mit welchen Lobgesängen schmücken wir dich, den jetzt Besungenen, Alexander, den Märtyrer. Von Kindheit an eignetest du dir Christus an, von Klein auf den Geist des reifen Mannes erwählend, und nach Göttlicher Weisheit trachtend, wurdest du, Märtyrer, Wohnstätte Christi im Heiligen Geist."

Mittwoch, 11. Juli 2012

Zum Fest des hl. Benedikt


Gerade eben - und gerade zum Fest des hl. Benedikt! - entdecke ich HIER eine etwas grobkörnige, aber dafür auch amüsante literarische Karikatur des Konflikts zwischen der römischen Kirche und den "Traditionalisten" der "FSSPX". Wie alle Vergleiche, so hinkt auch dieser ziemlich deftig - und dennoch enthält er eine große Wahrheit. Um es im übertragenen Sinne zu sagen: Das Hochzeitskleid für das Festmahl im Himmlische Jerusalem ist wohl nicht uniform. Damit sind wir auf einer eher gewichtigen Ebene gelandet, die alles Komische hinter sich gelassen hat. Aber auf ihr sollten wir uns, zumindest theoretisch, mit ebensolcher Freude im Herzen bewegen. Sonderbarerweise hat unser heute (auch römischerseits) gefeierter Mönchsvater viel mit der oben verlinkten humoristischen Geschichte gemeinsam. Und er hat eigentlich auch schon die Pointe vorweggenommen. Für ihn ist das christliche Leben zuallererst eine unaufhörliche Antwort der Liebe. Und auch die Sehnsucht spielt für ihn eine große Rolle: Wer die Stimme des Herrn hört, der ebenso unaufhörlich ruft, und wer dann von der Sehnsucht getrieben wird, auf dem heiligen Berg, in der Gegenwart Gottes, zu wohnen, der muss den richtigen Weg einschlagen (oder eben: in den richtigen Zug einsteigen). Das Evangelium nennt das noch anders: Ein solcher Mensch soll mit dem Hochzeitsgewand bekleidet sein, das für ihn bereitliegt. Und obwohl es für den hl. Benedikt nur einen Weg und eine Wahrheit und ein Leben gibt - Christus, den Sohn des lebendigen Gottes -, ist sein Weg nicht uniform. Sein Weg führt immer zu Gott, aber kennt so viele Gesichter, wie es Menschen gibt. Sein Weg ist immer auf die Wahrheit gegründet und hat doch so viele unterschiedliche Fahrrinnen, wie es Vorbilder und Wege im einen Glauben gibt. "Über Farbe und Stoff des Gewandes soll man sich gefälligst nicht den Kopf zerbrechen; man nehme das, was gerade zu bekommen ist." - aber es muss daraus ein wirkliches Hochzeitsgewand werden, nicht ein dreckiger Lumpen. Der hl. Benedikt, dessen Reliquien-Übertragung am heutigen Tage gedacht wird, hatte übrigens einen sehr wenig "römischen" Heimweg ins Himmlische Jerusalem: Seine Seele wurde im Unerschaffenen, Göttlichen Licht in die ewige Herrlichkeit aufgenommen. So jedenfalls sah es wunderbarerweise der hl. Bischof Germanus in einer Vision, wie alljählich am Benediktsfest (21. März) gesungen wird.

Montag, 2. Juli 2012

Ein modernes Itinerarium aus dem Heiligen Land - VIII : Mariae Heimsuchung


Nach altem Brauch feiern zumindest einige deutschsprachige Länder den Festtag der Heimsuchung Mariens weiterhin am 2. Juli. So bin ich denn, alter Gewohnheit gedenkend, heute zum Ort der "Visitatio" hinaufgestiegen: In En Kerem durchquert man dazu ein kleines Tal im Ort, läßt die Marienquelle, an der die Gottesmutter Wasser geholt haben wird, links liegen und steigt etwa 50 Höhenmeter zur Heimsuchungskirche hinauf, zu der man noch circa 500 Meter zu gehen hat. Der Tradition zufolge besaß der Priester Zacharias dort ein Landhaus, etwa einen Kilometer von seinem Wohnhaus in En Kerem entfernt. Dorthin also hat sich die hl. Elisabeth zurückgezogen, um ihre unverhoffte Schwangerschaft abseits des Getriebes zu verleben. Und hierhin kam auch die Gottesmutter Maria - ins "Bergland von Judäa" -, um ihre Base zu besuchen. Hier kann man heute in vielen Sprachen den Lobgesang Mariens, das "Magnifikat", lesen, der n diesem Ort zum ersten Mal gesungen wurde.

In der byzantinischen Krypta wird der Ort der Begegnung verehrt, da hier der Brunnen zu sehen ist, der zum Landhaus des Zacharias gehörte. In der Oberkirche, in ihren Grundmauern aus der Kreuzfahrerzeit, hat man bei der Wiedererrichtung einen Bildzyklus angebracht, der das Magnifikat Mariens anhand eines Marienlobpreises beleuchtet: Maria, die den Sohn Gottes unbefleckt empfangen hat, umstehen all diejenigen, die sich um ihre Verehrung bemüht haben. "Hochpreist meine Seele den Herrn, und mein Geist jubelt in Gott, meinem Heiland. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Allmächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten!"