Montag, 30. Januar 2012

Über die kreatürliche Angst


Der Monat Januar, der Wintermonat schlechthin, steht im Ruf, in entsprechenden Gegenden Deutschlands kalt und schneereich zu sein. Er ist für Zisterzienser durchaus ein Monat der Festtage: Beschneidung des Herrn (Neujahr, mit dem Fest der Gottesgebärerin), Epiphanie mit den großen Geheimnissen der Theophanie des Herrn, der hl. Aelred, die hl. Maurus und Placidus, die hl. Gründerväter von Cîteaux. Und trotzdem stehen wir noch ganz unter dem Stern des Weihnachtsfests! Entgegen der "pastoralliturgischen" Engstirnigkeit einer strikt bis zum Fest der Taufe des Herrn abzuschließenden Weihnachtszeit, denkt der Mensch unwillkürlich weiter und großherziger. Die Wintermonate sind eine Zeit der Besinnun - oder waren es zumindest noch während meiner Kindheit! Der unsinnige und gefährliche Trend der unablässigen Erreichbarkeit mittels eines "Handy"-Telephons, mittels Internetkontakten und der assoziale Druck der Arbeitswelt zu immer größeren und schnelleren und efizienteren Leistungen haben diese ganz gesunde Zeit der winterlichen Besinnung oder wenigstens einer größeren Ruhe zerstört. Nicht etwa zerstört, sondern vielmehr vergrößert hat dieser allem zum Trotz sehr unproduktive Zwang die Angst des Menschen! Sie ist "kreatürlich", das heißt, sie ist uns Kreaturen irgendwie mitgegeben worden, als die Sünde in die Welt kam. In den letzten Tagen habe ich oft nachgedacht über die Angst. Sie wird geschürt von denen, die meinen, sie könnten andere unterdrücken und knechten. Sie wird rezipiert - und wird zur Tyrannin - gerade von und bei den Menschen, die Gutes wollen, doch damit gegen die bestehenden Gesetzmäßigkeiten der "Herrschenden" anzukämpfen versuchen. Es braucht viel Intelligenz oder ein großes und einigermaßen reines Herz, um aufzudecken, was schlecht und verwerflich in der Welt ist. Es braucht den Kampf gegen die Angst, wenn man gegen die Verwerflichkeiten ankämpfen möchte. Es braucht vor allem auch den Mut zum Leiden, sicher aber den Mut, in der Angst das Leid auszuhalten. Der Anspruch an den Menschen wächst während dieser Aufzählung. Ein solches Leben im mutigen Kampf gegen Unrecht und Willkür und gegen die Angst ist ganz gefordert. In Christus bekommt ein solches Leben einen tiefen und liebevollen Sinn! Ein Wintermärchen wird daraus nicht werden, doch das Leben kann dadurch seine Katharsis finden. Vielleicht doch ein wenig wie im Märchen?

Freitag, 27. Januar 2012

Gedenktag an die Opfer des Holocaust - ein mutiger Bekenner: Alexander Schmorell

(Quelle: www.moinillon.net)

Heute gedenkt unser Volk der unzähligen Opfer des Holocaust. Der "Nationalsozialismus", wie er sich ohne die geringste Selbstironie nannte, steht für ein diktatorisches und menschenverachtendes Regime, dessen "tausendjähriges Reich" zwölf lange und finstere Jahre dauern sollte. Jenseits aller Verurteilungen soll heute eines Mannes gedacht werden, der am 4./5. Februar d.J. in der Kathedrale der russ. Neumärtyrer in München (Russ.-Orth. Auslandskirche) kanonisiert wird: Alexander Schmorell. Seine christliche Grundhaltung und seine konsequente Umetzung dieser Grundhaltung haben ihn in den Kreis der "Weißen Rose" geführt. Seine Mitarbeit war ein mutiges und kraftvolles Einstehen für die Grundwerte es menschlichen Lebens. Wo heute diese Grundwerte mit Füßen getreten werden - und das geschieht nur zu oft -, braucht es oft ebenfalls Mut, einer Idololatrie des Egoismus entgegenzutreten. Der hl. Alexander Schmorell möge für uns eintreten vor den Thron Gottes!
Im vierten Flugblatt der "Weißen Rose", verfasst im wesentlichen von Alexander Schmorell, heißt es: "[...] wenn er [d. h. Hitler - Red.] in frevelhaftester Weise den Namen des Allmächtigen nennt, meint er die Macht des Bösen, den gefallenen Engel, den Satan. Sein Mund ist der stinkende Rachen der Hölle wer aber heute noch an der realen Existenz der dämonischen Mächte zweifelt, hat den metaphysischen Hintergrund dieses Krieges bei weitem nicht begriffen. Hinter dem konkreten, hinter dem sinnlich Wahrnehmbaren, hinter allen sachlichen logischen Überlegungen, steht das Irrationale, d. i. Der Kampf wider den Dämon, wider den Boten des Antichrists. Überall und zu allen Zeiten haben die Dämonen im dunklen gelauert auf die Stunde, da der Mensch schwach wird, da er seine ihm von Gott auf Freiheit gegründete Stellung im ordo eigenmächtig verlässt, da er dem Druck des Bösen nachgibt, sich von den Mächten höherer Ordnung losgelöst und so, nachdem er den ersten Schritt freiwillig getan, zum zweiten und dritten und immer mehr getrieben wird mit rasend steigender Geschwindigkeit – überall und zu allen Zeiten der höchsten Not sind Menschen aufgestanden, Propheten, Heilige, die ihre Freiheit gewahrt hatten, die auf den Einzigen Gott hinwiesen und mit seiner Hilfe das Volk zur Umkehr mahnten. Wohl ist der Mensch frei, aber er ist wehrlos wider das Böse ohne den wahren Gott, er ist wie ein Schiff ohne Ruder, dem Sturme preisgegeben, wie ein Säugling ohne Mutter, wie eine Wolke, die sich auflöst.

Gibt es, so frage ich Dich, der Du ein Christ bist, gibt es in diesem Ringen um die Erhaltung deiner höchsten Güter ein Zögern, ein Spiel mit Intrigen, ein Hinausschieben der Entscheidung in der Hoffnung, dass ein anderer die Waffen erhebt, um Dich zu verteidigen? Hat Dir nicht Gott selbst die Kraft und den Mut gegeben zu kämpfen? [...] Obgleich wir wissen, dass die nationalsozialistische Macht militärisch gebrochen werden muss, suchen wir eine Erneuerung des schwer verwundeten deutschen Geistes von Innen her zu erreichen." (Zitat entnommen der Seite: www.sobor.de

Donnerstag, 26. Januar 2012

Die hl. Gründer von Cîteaux - Robert, Alberich und Stephan - in der Rezeption des sel. Caesarius von Heisterbach


Zum Festtag der hl. Gründerväter des Neuen Klosters möchte ich in diesem Jahr einen kurzen Ausschnitt aus dem ersten Buch des "Dialogus miraculorum" des Caesarius von Heisterbach zitieren. Er ist, wie die lat.-dt. Ausgabe in den Fontes christiani zeigt, ein überaus gewichtiger Zeuge für die Zisterzienserbewegung im 12. Jahrhundert, also etwa 100 Jahre nach der Gründung von Cîteaux. Hier sein Bericht über die Anfänge der Zisterziensergemeinde unter den hl. Vätern:
"Nicht lange [nach der Gründung des Novum monasterium im Jahre 1098] forderten die Mönche von Molesme ihren Abt Robert mit Nachdruck zurück, und dieser wurde auf Befehl von Papst Urban II. und mit Zustimmung des Bischofs Walter von Chalon zurückgeführt (sc. nach Molesme). An seine Stelle kam Alberich, ein heiliger und gottesfürchtiger Mann. Durch seinen Eifer und mit Hilfe der göttlichen Gnade wurde das Tal sehr berühmt und nahm an den notwendigen Gütern zu.
Als Alberich verstorben war, folgte ihm der Engländer Stephan, ein Mann von gleicher Heiligkeit, im Amt. Die (Mönche) waren bis dahin gering an Zahl, weil die Menschen in der Welt zwar die Heiligkeit ihres Lebens bewunderten, aber die Strenge (sc. der Regel) fürchteten."
(Caesarius von Heisterbach: Dialogus miraculorum, 1. Distinktion, 1. Kapitel. In der Reihe "Fontes christiani" Bd. 86,1. Übers., Einl. und Kommentar Nikolaus Nösges u. Horst Schneider. Zit. S. 209)
Der kurze Ausschnitt aus dem Dialogus legt ein beredtes Zeugnis ab für die Verehrung, die die drei Gründer und Charismatiker von Cîteaux schon zu Caesarius' Zeiten genossen. S. Robert, der Wankelmütige, S. Alberich, der Aufbauende, S. Stephan, der Organisator: das sind Charakterisierungen, die selbst und vieleicht gerade heute noch und wieder auftauchen. Man ist versucht zu sagen, dass die eigentlichen Gründer, also die im unbedingten Glauben im Jahre 1098 ausziehende Schar von 21 Mönchen, sich bis heute messen lassen muss an allen folgenden Zisterziensergenerationen ab 1113. Dabei, so wage ich zu behaupten, hat die Entwicklung, so gerechtfertigt und natürlich sie war, den "Orden" immer weiter weggeführt von den Geistesgaben des Anfangs. Selbst die unweigerlichen Reformen durch die Jahrhunderte, La Trappe in keiner Weise ausgenommen, haben die Wesenszüge der ersten Zisterziensergemeinde nicht mehr revitalisieren können. Das ist vielleicht das Geschenk Gottes an uns: Dass wir erkennen dürfen, wie nichtig in Gottes Augen womöglich alles Großartige und Weltbewegende ist. Dass wir uns beschenken lassen dürfen von der Gründergeneration, deren Bedürftigkeit schon zwanzig Jahre später legendär (und Geschichte) war. Und dass deren Charisma wie eine tief verborgene Glut das durch die nachfolgenden Jahrhunderte sich erstreckende Abenteuer von Cîteaux am Leben erhalten wird.

Montag, 23. Januar 2012

Ein kurzes Resumé der Geschichte von Tibhirine - Notre-Dame e l'Atlas


Die "Éditions du Signe" haben kürzlich eine neue Broschüre herausgebracht - in französischer Sprache und als "Comic" konzipiert. In enger Zusammenarbeit mit P. Jean-Pierre, dem letzten Überlebenden der 1996 fast vollständig umgekommenen Mönchsgemeinde von Tibhirine. ARCCIS hat mit Unterstützung des Verlags große Anstrengungen unternommen, um die tragischen Ereignisse in diesem alten algerischen Kloster angemessen darstellen zu lassen. Das erforderte große Korrekturen und eine gute Zusammenarbeit. Die Vorschau auf dieses interessante Heft (mehr kenne auch ich nicht!) ermöglicht HIER ein kurzes Durchblättern einiger Seiten. In Frankreich wurde der Film "Des hommes et des dieux" verständlicherweise sehr sensibel aufgenommen. Eine entsprechend disponierte Zuschauerschaft fehlt in Deutschland notwendigerweise, da Algerien nur eines von vielen muslimischen Ländern ist, ohne direkte Beziehung zur deutschen Politik und Geschichte. Unwichtig ist das Thema Christentum, Islam, Politik hingegen keineswegs. Und vor allem die christliche Haltung zum Bekenntnis des Glaubens ist hier mehr denn je gefragt. Opportunismus und Naivität sind gerade jetzt unendlich fehl am Platz

Donnerstag, 19. Januar 2012

"... denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut"


Was kann das heißen: Gott hat auf das Kleine, das Erbärmliche gesehen, das die Jungfrau Maria ihm zu bieten hatte? Hat Gott nicht vielmehr auf die Demut seiner
Magd geschaut?
In den Gottesdiensten der Kirche wird der Lobgesang Marias täglich gesungen, entweder im Morgen- oder im Abendgottesdienst. Es ist die Gottesgebärerin, die diesen Gesang angestimmt hat, aber heute sind wir es, die ihn singen. Gott schaut also nicht mehr nur die Demut der Gottesmutter an, sondern er sieht meiner Niedrigkeit ins Gesicht. Um das zu tun, muss er sich tief herunterbeugen. Ich kann ihm keinerlei Schönheit anbieten, keinen Tag, den ich halbwegs "geheiligt" nennen möchte. Immer noch renne ich dem Hirngespinst hinterher, die Menschen könnten die Sehnsucht meines Herzens erfüllen. Was bleibt, ist der Schmerz: Wenn mir klar wird, dass die Sehnsucht größer ist als irgendein menschlicher Trost. Dass, wenn Gott mich seinen Trost hat kosten lassen, das Herz verwundet bleiben muss. Dass ich Zuneigung nur wirklich schenken kann, wenn ich bereit bin, nichts dafür zu fordern.
Das "Magnificat" zu singen, erfordert großen Mut, wenn ich bereit bin, es mir zu eigen zu machen. Schon der erste Satz kann eine Zumutung sein. "Meine Seele preist die Größe des Herrn..." Ich möchte direkt einfordern: Dann sieh doch zu, dass meine Seele an deiner Größe nicht zerbricht! Schau dir doch die vielen Menschen an, die sich täglich zerbrechen, weil sie deine Größe nicht kennen oder nicht kennen wollen; die dich schmähen, weil sie es nicht ertragen, alleine zu sein.
Und es geht weiter so, das gesamte Lied hindurch! Bis zu deinen Verheißungen an Abraham und seinen Stamm, dass du Israel zu Hilfe kommen wirst, dich an Israel erinnern wirst, ihn aufnehmen wirst! Sie alle haben geglaubt. Sie haben alles gegeben, um dir ihre Anbetung darzubringen und ihre Hingabe. Und trotzdem habe ich gerade das Wort "Liebe" durch "Anbetung" ersetzt! Angst gibt es nicht in der Liebe... Doch du bist unerbittlich! Beschenke uns Hungrige mit deinen Gaben, denen der Glaube Abrahams zu zerbrechen droht. Dann bleibt auch für die Reichen noch übrig, deren Herz ebenso nach deiner Liebe dürstet, wie das des Armen.

Mittwoch, 11. Januar 2012

Die Liturgische Bewegung und die Orden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Es lohnt sich, Kolloquiumsankündigungen durchzusehen. Eben finde ich eine Veröffentlichung des KADOC - European Forum on the History of Religious Institutes in the 19th and 20th Centuries. Am 8. und 9. November 2012 veranstaltet dieses Institut ein Kolloquium über die Auswirkungen der Liturgischen Bewegung auf manche interessanten Aspekte, die relevant sind für die Liturgie als solche und für alles, was sich ihr zuordnen lässt. Hat der Gedanke einer Neubesinnung auf das liturgische Erbe zu einem Erstarken bzw. einem Wiedererwachen der liturgischen Musik geführt? Hat die Kunst durch einen neuen und tieferen, oder nur scheinbar zeitgemäßeren Blick auf die Liturgie der Kirche sich adäquater in den Dienst der Kirche stellen können? Welche Orden haben sich aktiv in die liturgische Bewegung integriert, international oder wenigstens regional vernetzt? Hoffentlich kommen die Belange der Zisterzienser zur Sprache! Einige gewichtige Gestalten dürfen in diesem Zusamnahng nicht vergessen werden: Dom Alexis Presse, Dom Sighard Kleiner, Dom Bernhard Kaul (Hauterive). Aber auch Abt André Malet, Abt Karl Braunstorfer (Heiligenkreuz), P. Fulgentius/Fulgence Schneider (Koningshoeven) und manch andere Zisterzienser sollten durchaus gewürdigt werden, schließlich hatten sie versucht, durch intensives Studium und konkretes Handeln bzw. durch Veröffentlichungen ein neues, tieferes Verständnis für das liturgische Leben in den Klöstern aufbrechen zu lassen. Die (zum größeten Teil nicht bekannten) Bemühungen der Liturgiekommission ocist/ocso nach dem 2. Vatikanischen Konzil zeigen zu Genüge, dass dieses Bemühen fruchtbar war und gesunde Fundamente hatte. Es bleibt zu wünschen, dass die Kolloquiumsveranstaltung in Leuven / Louvain diese Aufbrüche würdigen wir. Hier die Internetpräsenz des Instituts: KADOC - Relins

Dienstag, 10. Januar 2012

Neuer Mut für's alte Christentum

Anschläge auf christliche Kirchen in Nigeria, Skandale um Kredite und Durchsichtigkeit in der Politik (und nicht nur dort), Armut und Bedürftigkeit bei prozentual weitaus mehr Menschen in den reichen Ländern als befürchtet, moralische Zwielichtigkeiten aller Art in Kirche und Staat. Die Botschaft des menschgewordenen Erlösers hat nichts von ihrer Dringlichkeit verloren. Die Menschwerdung Gottes ist sogar das entscheidende Moment in den schweren und sich als unmenschlich offenbarenden Geschehnissen, die allenthalben durch die Medien gehen. Es ist und bleibt beschämend, wie groß die Verstandlosigkeit der Menschen sein kann. Seit die Menschheit existiert, tötet man sich gegenseitig oder versucht, sich das Leben noch schwerer zu machen, als es schon ist. Ich verstehe manchmal die gläubige Anklage Ernst Wiecherts, die er Gott entgegenschreit: Dass er doch endlich darauf sehen solle, dass - wenn für ihn in seiner Allmacht auch ein Tag wie tausend Jahre seien - ein Tag voller Leid und Trauer wie tausend Jahre wiegen könne.
Ist es etwa unsere Bestimmung, durch die Entäußerung zu lernen? Vielleicht ist es so und sollte es immer so sein. Und doch bleibt es schwer, die Augen offenzuhalten und die Menschen zu sehen, deren Fleisch Gott annehmen wollte, um nur immer wieder gegen Mauern anzurennen, die künstlich hochgezogen wurden. Es sind Mauern des Unverstands und der Borniertheit. Christi Menschwerdung stellt sich gegen diese Begrenztheit und durchbricht sie wunderbarerweise.