Samstag, 12. Februar 2022
Das maskierte Schisma
Montag, 24. Januar 2022
Kirchenpolitik und Ukrainekonflikt
Mittwoch, 12. Januar 2022
Orthodoxie, Politik - und die "Deutsche Tagespost"
Sonntag, 24. Januar 2021
Hagia Sophia gegen Hagia Sophia?
Montag, 14. Dezember 2020
Krankheit und Gesetz
Freitag, 27. November 2020
Verschobene Realitäten
Freitag, 20. November 2020
Steht fest im Glauben!
Dienstag, 15. September 2020
Archevêché des églises orthodoxes de tradition russe en Europa occidentale
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Drei Generationen in Christus: der hl. Patriarch Tichon, Patriarch Kyrill, Erzbischof Jean | |
Vor einem Jahr, am 14. September 2019, hat der Bischof des einstigen Exarchats der Rue Daru in Paris, Erzbischof Jean Renneteau, um Aufnahme in die Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats gebeten: ein denkwürdiger Tag für die orthodoxen Christen in Westeuropa. Gerade zu diesem Jahrestag erschien nun in den Abgünden von Facebook u. ä., genauer gesagt auf der Seite der "Église locale en Europe occidentale", eine Zusammenfassung zur "Assemblée générale" der Gemeinden des "Erzbistums der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa" am 7. September 2019. Ein großes Problem der Rezeption jener "Assemblée", also einer gesetzlich festgelegten Zusammenkunft aller bei der 'Association' nach französischem Recht Eingeschriebenen bzw. ihrer gewählten Vertreter, ist die Vermischung grundlegender Ziele. Die Kirche kann nicht wie ein eingetragener Verein agieren. Eine Assoziation kann nicht mit ekklesiologisch argumentieren, wenn es um Vereinssatzungen geht. Es kann hier nicht um die Frage gehen, ob die Kirche sich vor einem Staat als Verein einschreiben lassen sollte... Es geht aber sehr wohl um die Frage - und zwar betrifft das alle orthodoxen Christen, da das besagte "Erzbistum der Rue Daru" eher bescheiden zu nennen ist -, was die Kirche ausmacht: Sie besteht aus den vielen Menschen, die auf Christus getauft sind, doch immer nur unter den Vorzeichen der unaufgebbaren Realia. Die Kirche lebt davon, dass sie auf Christus hin organisiert ist, dass ein Bischof ihr vorsteht - und dabei ist es egal, welchen Titel er führen kann. Zu den Realia gehört gleichfalls die unumstößliche Notwendigkeit, dass die Kirche niemals zu einer Demokratie werden kann, will sie nicht aufhören, Kirche zu sein. In der Kirche kann niemals ein "Volk" herrschen, da in ihr einzig die Herrschaft des menschenfreundlichen Gottes zugelassen ist. Was passiert, wenn eine Vermischung gewisser Ebenen vorgenommen wird, ist in der oben erwähnten (französischsprachigen) Zusammenfassung zu lesen, die hier aber nicht verlinkt werden soll. (Sie ist abrufbar auf der besagten Facebook-Seite unter dem 7. September.) Das "Erzbistum Rue Daru" hat seit der Entscheidung seines Bischofs, zur Mutterkirche von Moskau zurückzukehren, den für die Kirche so notwendigen Frieden wiedergefunden. Die orthodoxen Kirchen hingegen kämpfen immer noch um den Frieden Christi; ein trauriges Spiegelbild dieser verzweifelten Suche nach dem Frieden ist die Facebook-Seite der "Église locale en Europe occidentale": Dort wird geschimpft und gehadert, verleumdet und verurteilt. Es ist eine beschämende Lektüre, die jedem auf's Gemüt schlägt, der die Grundbegriffe akademischer theologischer Wissenschaft zumindest ansatzweise mitbekommen hat. Der Jahrestag der ekklesiologisch so wichtigen Entscheidung des Erzbischofs Jean Renneteau ist genau deshalb für alle orthodoxen Jurisdiktionen so denkwürdig, weil er alle Luftschlösser orthodoxer Befindlichkeiten grundlegend erschüttert. Die Entscheidung des französischen Bürgers Jean Renneteau als Präsident einer "Assemblée générale" zur Anerkennung eines Mehrheitsbeschlusses wäre der Todesstoß für ein orthodoxes Bistum gewesen, denn die Kirche kann und darf sich nicht zum Verein machen. Denn in ihr würden dann nicht mehr die Menschen in ihrer Hingeordnetheit auf den dreieinen Gott zählen, sondern nur noch Paritäten, Mehrheiten, Wahlregeln und Mitspracherechte. Der 14. September 2019 war - auch wenn die Rue Daru dem julianischen Kalender folgt - demnach wirklich ein dem lebenspendenden Kreuz geweihte Tag. Es war ein Tag, auf den sich alle orthodoxen Jurisdiktionen besinnen sollten, denn in dem mehr als bescheidenen Rahmen eines Exilbistums in Paris hat der orthodoxe Glaube zu einer ungeahnten Größe zurückgefunden, die auch die Person des Erzbischofs Jean Renneteau übersteigt, dem es scheinbar wirklich nur um die Menschen geht, die den Weg, die Wahrheit und das Leben suchen.
Mittwoch, 15. Juli 2020
Eine verhangene Theologie
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Historisierende Illustration zu einer Rekonstruktion des Klangraums der historischen Hagia Sophia |
Donnerstag, 2. Juli 2020
Hagia Sophia - Kirche, Museum, Moschee... und die Mission der Christen
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Hagia Sophia in Istanbul, Quelle: Wikipedia |
Samstag, 2. Februar 2019
Menetekel auf Ukrainisch
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"Menetekel" nach Rembrandt / Wikipedia |
Und so könnte es wie ein Menetekel wirken, wenn der Abt Ephraim vom Vatopaidi-Kloster auf dem Athos-Berg einen Herzinfarkt erleidet, als er in Kiew aus dem Flugzeug steigt, um - gezwungen, wie manche sagen - an der Inthronisation des Primaten auf einer Kiewer Kathedra teilzunehmen, die auf den Tränen und auch auf dem Blut vieler Orthodoxer errichtet wurde. Die selbst ernannten Mächtigen benutzen die Kirche zu ihren Zwecken und wollen Reiche aufbauen, die mit der Botschaft Christi nichts zu tun haben. Es sind Jurisdiktionen, die auf Hass und Abneigung, Antipathie und Groll basieren: So etwas hat in der Kirche keinen Platz und darf niemals Beweggrund für kirchliches Handeln sein. Die Predigt von Patriarch Johannes von Antiochia in Moskau am 1. Februar 2019 (hier einsehbar) macht das sehr deutlich. Ob Beziehungen zum KGB oder zum US-amerikanischen Geldadel - kein Menschen ist ohne Sünde und Fehler und Schwächen. Wer allein sündelose Menschen zu Bischöfen und Klerikern bestimmt wissen möchte, darf und kann sich nicht orthodox nennen, denn er verleugnet den orthodoxen Glauben und seine Schönheit. Als Kirche hingegen können die Menschen gegen Korruption und Verwirrtheit angehen - und die Christen sind sogar dazu verpflichtet, denn das gehört auch zu ihrer Berufung. Freilich: Es ist schwer, ohne zu verurteilen und ohne heftig zu reagieren den christlichen Weg zu beschreiten. Es erfordert viel Klugheit, sogar Weisheit, richtig zu handeln und dadurch das Wirken des Heiligen Geistes zuzulassen. Ein Menetekel braucht es dazu nicht mehr.
Mittwoch, 23. Januar 2019
Akademische Annäherungen an orthodoxe Problematiken
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Aula magna in Padua - Quelle: Wikipedia |
Man sollte die Theologie nicht mit der Religionswissenschaft verwechseln. Sehr gut lässt sich auf akademischem Niveau ein die Religionen betreffendes Thema behandeln. Doch dadurch wird es noch lange nicht zur Theologie. Aus orthodoxer Sicht ist die Theologie zuallererst der gelebte und vor allem auch erlebte Glaube. Natürlich wird er kommuniziert, "theologisch" geschieht das jedoch nicht auf dem Niveau der Wissenschaft, sondern auf dem Niveau der Kirchlichkeit, was bedeutet: im Lebensgefüge des Leibes Christi, der die Kirche ist.
Das vorausgeschickt, sollen andere zu Wort kommen, Menschen also, die sich bemühen werden, die Theologie und die Wissenschaft einfließen zu lassen in ihre Überlegungen, die aufgrund ihrer Ausbildung der akademischen Linie zu folgen haben:
Vater Georgij Maximov analysiert die gegenwärtige Situation der Mächtespiele in der Orthodoxie. Er führt an, dass die momentane Verunsicherung in der orthodoxen Welt nicht die erste innerorthodoxe Zerreißprobe darstellt. Die kontroverse Auslegung bestimmter 'canones' im Hinblick auf die konstantinopolitane Autorität zieht sich durch die Kirchengeschichte, wobei die neueste Zeit privilegiert ist. Vor allem seit Beginn des 20. Jahrhunderts versucht der Phanar die Diaspora in seine Jurisdiktion zu ziehen: Finnland, Estland, Polen, Amerika, u.v.m. Der Autor betont, dass es nicht nur die russische Kirche war, die sich dem Anspruch Istanbuls stellen musste. Er zeigt aber auch auf, dass der Phanar mit der Aufhebung der Kommuniongemeinschaft die Kirche von Griechenland bedroht hatte, als diese im Jahr 2003 einige ihrer Diözesen nicht dem ökumenischen Patriarchat unterstellen wollte. Das geschah dann tatsächlich, nämlich im des Friedens willen, nicht, weil dem Phanar dieses Recht zugestanden wurde! Auch das sollte bedacht werden, wenn man die heutige Situation beurteilen möchte, abgesehen von dogmatischen Gründen, die ebenfalls im Raum stehen sollten. Es reicht jedenfalls bei weitem nicht, sich mit der Bemerkung aus der Affäre zu ziehen, dass jede der Parteien doch ihre Leichen im Keller liegen hätte. Das ist zwar korrekt, wird aber der theologischen Realität keinesfalls gerecht, die nicht die sozio-politischen Hintergründe interessiert, sondern das Leben in Christus.
Alexej Ossipov, ebenfalls in Rußland lehrend, beschreibt ganz ähnlich, welche Hintergründe der momentanen Autoritätskrise zugrundeliegen, auch mit einem Blick auf die römischen Verhältnisse.
Metropolit Kallistos Ware referiert auf einem Kongress in Iasi (Rumänien) über eben jene Problematik, die heute zum Schisma in der Orthodoxie geführt hat: "Synodalität und Primat". Mit besonderer Klarheit verweist er auf den Umstand, dass das "Konzil von Kreta 2016" heute von niemandem mehr als pan-orthodox apostrophiert würde. Zu offensichtlich war die pan-orthodoxe Uneinigkeit in der Art und Weise der Organisation und hinsichtlich des Ablaufs, ganz zu schweigen von den zu behandelnden Themen.
Dienstag, 22. Januar 2019
Theologische Annäherungen an die orthodoxe Krisensituation
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Die hl. Theophanie Quelle: orthpedia.de |
In der gegenwärtigen Situation einer ängstlichen Verunsicherung bei vielen orthodoxen Gläubigen darf man die tröstenden Momente nicht vergessen! Unter anderem sind das sicherlich die ermutigenden Worte aus Kiew selbst, vom dortigen Metropoliten Onuphrij, der in den Katastrophen der letzten Wochen und Monate eine reinigende geistliche Kraft sieht.
Kürzlich hat sich der Rat des Erzbistums der russisch orthodoxen Gemeinden in Westeuropa, bis 2018 als Exarchat zum ökumenischen Patriarchat gehörend, zu Wort gemeldet. Der ausführliche und sehr klare Text (s. Verweisungen auf franz., engl., dt. Übersetzungen und interessanten Zusatzinformationen im engl. Pressebericht) schließt etwas verwunderlich - allerdings nur auf den ersten Blick:
< [...] „Denn“, so der Apostel Paulus weiter, „Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens“ (1Kor 14,33); das Gegenteil der Unordnung ist folglich nicht die Ordnung, sondern der Friede. >
Die aktuelle Situation der Kirche spiegelt wider, was der Apostel Paulus anmahnt: Der Phanar in Istanbul verweist immer und immer wieder auf sein Recht, die "Ordnung" herzustellen; und er tut das unter Umgehung oder sogar durch Missachtung der canones, indem er seine Stellung vorschiebt als Erstsitz mit oberster Gewalt. Ganz abgesehen davon, dass nun noch mehr Unordnung herrscht (siehe HIER), hat sich dadurch eine ganz neue Situation ergeben, nämlich eine Schwebesituation in Glaubensfragen. Bis jetzt hat sich noch kein berufenes Organ bereiterklärt, den orthodoxen Glauben mit den jüngsten Ereignisse in der Ukraine explizit in Verbindung zu bringen. Der letzte Teil des oben zitierten Satzes tut das verhalten, wenn er auf die Verkündigung des Evangeliums anspielt und folglich auf das Erbe, dass der Kirche von ihrem Haupt Jesus Christus übergeben wurde: "Meinen Frieden gebe ich euch." (Joh 14,27), das ist die Antwort auf die "Ordnung" der Gesetze, die unantastbar war und den Tod des Gottessohnes nach sich gezogen hat. Denn diese Ordnung war zu einem Alten Bund geworden, an dessen Stelle ein Neuer Bund getreten ist: Wieder ist Gott selbst Urheber dieses Neuen Bundes, und er ist selbst Garant für die Gültigkeit dieses Bundes - durch sein Blut und seine Hingabe, aber auch durch sein Tun. "Er hielt nicht daran fest, wie Gott zu sein, [...] sondern er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz." (Phil 2,5-8). Der letzte Satz des Kommuniqués jenes Rates des Exarchats fordert im Grunde die letzte Konsequenz ein, um die man sich noch herumdrückt: das Bekenntnis zu Christus oder ein Verharren in der Ordnung, die den Frieden entbehrt. Dabei ist dieser Friede Christus selbst (vgl. Eph 2,14)! Der Hinweis auf diese wichtige Schlussfolgerung ist grundlegend: Die Ordnung muss mit dem Erlöser, dem Friedensfürst, verbunden sein, ansonsten bleibt sie Unordnung, ist sie ungeordnet - und Sünde!
Montag, 22. Oktober 2012
Edzard Schaper, Der vierte König und die Transzendenz Gottes
"Sehen Sie", sagte der Abt [...], "ich habe Ihnen gesagt, hier sei Christus wie gestern geboren, und Judas hänge jeden Tag unter jedem Baum, Herodes herrsche fürchterlich und vergieße das Blut der unschuldigen Kinder Gottes, aber der vierte König sei auch immer noch unterwegs - Wolodjenka hier, unser kleiner König. Er hat irgendwann einaml, in heiligen Augenblicken, über die wir gar nichts wissen, Christus erlebt, hat den Stern gesehen und ihm nachfolgen müssen. Das kann undkann nicht Geschichte werden für ihn, Vergangenheit; er ist sein ganzes, armes, geschlagenes und doch völlig glückliches Leben in die Gegenwart Gottes auf Erden gebunden. Wir wissen nicht, wo er gewandert ist, bevor er zu uns kam, und was er alles in seinem Leben erlebt hat. Es werden weite, weite Wege im alten Rußland gewesen sein, und doh immer nur Heilswege, könnte man sagen. [...] Er ist heute wie immer der kleine russische König, der vierte von den Heiligen Königen, der einmal aufbrach, als der Stern die Geburt des Erlösers verhieß, und er trauert hier darum, daß er das Kind versäumt, dem lehrenden Heiland nicht gehorcht und den Herrn nur am Kreuz gesehen hat, als er alle Gaben, die er zur Huldigung vor dem Kind mitgenommen, schon unbedacht verschwendet und seine Kraft vertan hatte und nichts mehr besaß als sein müdes, altes Herz, das er dem Gekreuzigten schenken konnte. - Natürlich können Sie diesen Menschen psychiatrisch rubrizieren; Sie im Westen tun das so gern; aber keine Rubrik hebt für Wolodjenka die Wirklichkeit auf..." (Schaper, Der vierte König, S. 94 f.)
Vladimir Kireev - Christus ist unter uns
Samstag, 24. März 2012
Der Gottesdienst als Lebenswirklichkeit
Der Gottesdienst der Kirche besteht nicht nur aus ehrwürdigen und ästhetisch in Form gebrachten Texten und Gebeten, deren Rezitation oder Gesang, in einer bestimmten Ordnung absolviert, den Menschen am Ende der Feier geheiligt entlässt. Die Liturgie ist kein Wellnessbereich, in dem man die Seele baumeln lassen kann. Die Liturgie ist auch kein Kontor mit Kirchenbindung, in dem Gutschrift und Schulden buchhalterisch abgerechnet werden. Für mich ist es ein Grauen, wenn manche Menschen Gott vorrechnen zu können meinen, was dem himmlischen Vater geschuldet ist und was diese Schuld abträgt. Das Gebet ist eines der anspruchsvollsten christlichen Werke, das dem Christen aufgetragen und geschenkt ist. Manchmal will es scheinen, dass diese Maxime aus dem Blickfeld gerät. Nämlich dann, wenn die Größe Gottes dazu verleitet, allzu menschlich ins Rechnen und Abwägen zu verfallen, um die Seele zu beruhigen. Vor dem dreifaltigen Gott ist die Seele wie atemlos; sie versucht, sich in Gott zu wiederzufinden, und stößt an die Grenzen ihrer Geschöpflichkeit. Das Paradoxon Gottes ist sicher auch seine "unermessliche Winzigkeit". Durch sie hat er sich vielleicht (oder auch nicht) so weit entäußern wollen, dass Gott Fleisch und menschliche Grenzen angenommen hat. Ohne das, was wir die Regel, den Ordo, das Typikon nennen, wären wir überfordert. Wir sind eben nicht ohne unsere Begrenztheit denkbar. Und deshalb sind die Regeln ein Geschenk und eine Herausforderung. Zu meinen, die Feier der Liturgie unter "Karenzbedingungen" - unter Rahmenbedingungen, die der Würde nicht widersprechen und die gnadenvermittelnde Teilnahme erlaubt, könnte genügen und könnte unser Gewissen befriedigen, ist wohl ein Trugschluss. Die Liturgie und der Gottesdienst sind nicht rechentechnisch abzuhaken und Gnaden sind nicht zu verbuchen! Und da werden die Probleme nur wieder zu gut sichtbar: Die Diskrepanz der Empfindungen (im Gestern und im Heute) ist eine unauslotbare Komponente in der Überlieferung des christlichen Frömmigkeitslebens. Waren unsere monastischen Vorfahren weniger fromm, weil sie nicht nur nicht täglich die Eucharistie feierten, sondern diesen Unterschied zur heutigen Wirklichkeit auch noch unthematisiert ließen? Dieser Umstand läßt sich nur vordergründig durch Mentalitätsverschiedenheit erklären. Auch die zugrundeliegende "Theologie der Liturgie" spielt nicht die Rolle in diesem Zusammenhang, die wir ihr wohl zuweisen würden. Es ist ein großer Unterschied, ob man Theologie betreibt, oder ob man sich für die Theologie bereit hält. Die Mönche und Mönchinnen des Mittelalters (zumindest läßt sich das aus den alten Texten herauslesen) gehören zu denen, die sich bereithalten. Das ist eines der schwierigsten Werke des Mönchslebens: das Bereitsein ohne Genugtuung, ohne Ergebnis. Das Eingeständnis, dass Gott in der Liturgie handelt, weil der Mensch sich bereithält und tut, was ihm richtig erscheint, wiegt schwer aus dieser Perspektive heraus. Denn sie erlaubt keine "Buchführung", kein Soll und Haben. Heute den Gottesdienst zu feiern, indem "rite et recte" zelebriert wird, aber ohne wirkliche theologische Perspektive im obengenannten Sinne, das ist "Buchhaltermentalität" und wirkt zerstörerisch - nicht auf die herrlichen Gnadengeschenke der Liturgie und des Gebets, aber auf die menschliche Seele, die in ihren Grenzen gequält wird, anstatt während des Gottesdienstes in die heilsame Lebenswirklichkeit Gottes eintauchen zu können.