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Freitag, 15. März 2013

Ein neuer Bischof von Rom und ein Wechsel des Szenario


Zahlreich sind die Kommentare der vergangenen Tage, die im Erscheinen des neuen Papstes auf seiner römisch-vatikanischen Loggia und am Stil der ersten Pontifkalliturgie in der Capella Sistina einen radikalen Kurswechsel sehen möchten. Diese Betrachtungen beiseite lassend, ist es viel interessanter und sinnvoller, die Rückkehr einiger alter liturgischer Traditionen unter Papst Benedikt unter diesem Blickwinkel zu beleuchten. Wer in Papst Franz(iskus) einen selbstbewußten Durchbrecher der rezenten neubarocken Renaissance sieht, wird vielleicht durch den schönen Glanz des Althergebrachten geblendet sein: Das wirklich Schöne (und damit näher an Gott gerückte) an der neuen alten Ferula ist nicht der gefällige Stil, sondern es ist das, für was sie steht: Sie kann nicht wie ihre Vorgängerin beim blutigen "Tod Gottes" stehenbleiben, sondern muss als Kreuzesbanner für die Verherrlichung Gottes stehen, die sie in der liturgischen Feier immer repräsentiert.
Gleiches gilt für den Fanon: Wer ihn als "zur Papstmesse aller Zeiten" dazugehörig betrachtet, weil er doch "schon immer" getragen wurde, oder wer den Fanon als unrepräsentative Stofffülle ansieht, der hat für sich wohl kaum einen nennenswerten Unterschied machen können zwischen einem wohlkostümierten Theatrum sacrum und der Liturgie. Das eine schließt das andere gewissermaßen aus, denn ein "heiliges Spiel" ist die Feier der Liturgie nun gewiß nicht. Genausowenig kann ein Gewandstück mehr oder weniger zum liturgischen Gütesiegel gemacht werden. Noch viel weniger übrigens kann es Beweis sein für die Rechtgläubigkeit oder die Häresie... So wenig der Fanon die Schönheit der Stickereien einer Kasel beeinträchtigen kann, über die er sich legt, so wenig kann die Schlichtheit eines echten liturgischen Gewandes und des Auftretens die Wirklichkeit der Liturgiefeier beeinträchtigen. Die "himmlischen Mächte" sind nicht weniger bei der Liturgie zugegen, wo sie in Konzentrationslagern oder in der Kanalisation gefeiert werden muss. Es kommt vielmehr darauf an, sich ihrer häufig unsichtbaren Gegenwart glaubend bewußt zu sein - und da scheiden sich die Geister.               

Mittwoch, 13. März 2013

Jetzt ist die Zeit der Gnade - Plädoyer für ein ordentliches Osterdatum

Ein steiniger Weg: Tradition vs. Realität?
Das "Erzbistum der russisch-orthodoxen Gemeinden in Westeuropa" (-> das deutsche Dekanat) hat seinen neuesten Rundbrief veröffentlicht. Es geht im Hauptartikel um die Festlegung des Osterdatums - eine Frage, für die im Heiligen Land ab diesem Jahr eine gewagte Lösungsmöglichkeit gesucht wurde: Dort nämlich hat man sich an den meisten Orten für das Osterdatum der Ostkirchen entschieden, d.h.: alle Gemeinden der franziskanischen Custodia Terrae Sanctae, alle römisch-katholischen Pfarreien, alle griechischen, russischen etc. Gemeinden feiern das Osterfest am 5. Mai - mit Ausnahme der Kirchen, die unter dem Status quo stehen (einer Regelung zwischen den nutzenden und besitzenden Parteien einer Kirche). Grund dieser Regelung sind die zahlreichen konfessionsübergreifenden Ehen in diesem Landstrich. Im Mitteilungsblatt des Exarchats (direkte Verweisung auf die pdf-Datei) wird diese Regelung kritisch beleuchtet und gleichzeitig eine Lanze gebrochen für eine überlegte und besonnen durchgeführte Anpassung des Osterdatums der Orthodoxie an einen neuen Berechnungsstil. Ein solcher wurde schon durch Studien vorbereitet - bleibt die Umsetzung dieser schwierigen Frage, nachdem der Kalender seit Einführung der gregorianischen Berechnung in manchen Kirchen zu Unstimmigkeiten und Spaltungen größeren Ausmaßes geführt hatte. Die Custodia Terrae Sanctae möchte mit der Übernahme des östlichen Osterdatums das Leben der Gemeinden christlicher, d.h. auch gemeinschaftsfähiger machen. Tatsächlich sind Gram, Spaltungen und Trauer nicht so sehr eine Folge des guten oder schlechten Kalenders. Sie sind Folgen der nicht auf Christus gegründeten Verankerung in an sich wichtigen traditionellen Formen. Vielleicht werden alle Christen irgendwann (vielleicht schon 2025, wie im Feuillet vorgeschlagen?) zuerst auf Christus blicken, dann auf die Überlieferung der Väter, dann auf ihre je eigenen Traditionen, und schließlich doch zur "Fußwaschung" (im übertragenen Sinne) bereit sein: Dass jeder etwas losläßt von dem, was ihm wertvoll ist. Damit stiege er zwar von der Höhe der rechtgläubigen Überlieferung hinab, empfinge aber die (weiß Gott viel unfassbarere) Gnade, in Gemeinschaft mit den anderen, gleich den Aposteln, vom Erlöser in Knechtsgestalt gewaschen zu sein.                

Donnerstag, 1. November 2012

Dom Alexis Presse, das Anniversarium seines Heimgangs und die Liturgie


Der 1. November, in vielen lateinischen Riten als Gedächtnis aller Heiligen gefeiert, ist gleichzeitig der Todestag von Dom Alexis Presse im Jahre 1965. Als "enfant terrible" des zisterziensischen Aufbruchs, nach den Jahren der Rekonstituierung von nunmehr zwei Zweigen des Zisterzienserordens vor mehr als 100 Jahren, konnte Dom Alexis viel Gutes tun: Sein Wirken wurde oft belächelt, oft auch mit Stirnrunzeln bedacht und öffentlich geächtet. Die "Affäre Alexis Presse", wie seine Causa selbst in neuesten Veröffentlichungen genannt wird (so in der in mehreren Sprachen vor wenigen Jahren erschienenen Geschichte ocso), war die Affäre eines Suchenden - und ist zu einer Affäre vieler Suchender geworden! Dom Alexis hat einen Gedanken, der ihn nicht losläßt: Wie kann ich Gott suchen, und wie kann ich den Menschen, die mir begegnen, bei ihrer Gottsuche helfen, ohne den Blick entweder nur auf Gott oder nur auf die Menschen zu richten? Seine Lösung des Problems war zu einfach - und sie war deshalb nicht allgemein verständlich. Dom Alexis, als hochgebildeter Theologe im wahren Sinne des Wortes, nahm relativ bald auf seinem Weg, der zur "Affäre" wurde, die Traditionen seines Ordens, der Zisterzienser also, und prüfte sie auf ihre Wegtauglichkeit, indem er neben sie das Evangelium legte. Bei der Prüfung gebrauchte er die Hilfsmittel, die ihm zur Verfügung standen: die Wissenschaften der Theologie und der Historie (und die des Rechts... um sich verteidigen zu können...). Er führte Neues ein in den Gemeinschaften, die ihn zu ihrem geistlichen Vater gewählt hatten (zuerst Tamié, dann Boquen). Das Neue stand im Gegensatz zu vielem von dem, was bislang durch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Geltung besaß. Dom Alexis war sich bewußt, dass dieser Kurs nicht ohne Konfrontationen gehalten werden konnte. Er blieb am Steuer, ohne seinen eigenen Untergang zu fürchten. Die Frage seines Lebens - Wie Gott suchen und zu ihm gelangen? - löste er idealtypisch: Er machte sein Leben zur Liturgie. Diese Lösung fand er bei den Zisterzienservätern (und nicht im Kirchenrecht). Die Väter von Cîteaux hatten einfach gelebt, was ihnen anvertraut worden war. Sie hatten sich gegen das gestellt, was ihrem Ruf entgegenstand. Sie hatten jahrhundertealte Regeln gebrochen, um neue aufzustellen. Aber sie waren nicht Herrscher über eine Idee, sondern Vasallen des größten Königs, Teilhaber am Himmlischen Königreich. Diese Teilhabe lebten sie hier und jetzt, im "paradisus claustralis", dem klösterlichen Paradies. Dom Alexis Presse kannte die Väter und wußte um ihre Lebensleidenschaft: sie - so erkannte er damals - feiern zeit- und schrankenlos die Himmlische Liturgie, in ihren Klöstern und im Himmel, der auf Erden beginnt. An dieser Erkenntnis scheiterte Dom Alexis wohl vielleicht, denn sie läßt sich nur noch schwer in die engen Grenzen der Neuscholastik integrieren. Heute würde Dom Alexis vielleicht nicht mehr ausgeschlossen. Verstanden hingegen würde er wohl ebensowenig wie damals.
Alle Heiligen, unsere Mütter und Väter, ihr Märtyrer und Bekenner, bittet bei Gott für uns!

Mittwoch, 11. Juli 2012

Zum Fest des hl. Benedikt


Gerade eben - und gerade zum Fest des hl. Benedikt! - entdecke ich HIER eine etwas grobkörnige, aber dafür auch amüsante literarische Karikatur des Konflikts zwischen der römischen Kirche und den "Traditionalisten" der "FSSPX". Wie alle Vergleiche, so hinkt auch dieser ziemlich deftig - und dennoch enthält er eine große Wahrheit. Um es im übertragenen Sinne zu sagen: Das Hochzeitskleid für das Festmahl im Himmlische Jerusalem ist wohl nicht uniform. Damit sind wir auf einer eher gewichtigen Ebene gelandet, die alles Komische hinter sich gelassen hat. Aber auf ihr sollten wir uns, zumindest theoretisch, mit ebensolcher Freude im Herzen bewegen. Sonderbarerweise hat unser heute (auch römischerseits) gefeierter Mönchsvater viel mit der oben verlinkten humoristischen Geschichte gemeinsam. Und er hat eigentlich auch schon die Pointe vorweggenommen. Für ihn ist das christliche Leben zuallererst eine unaufhörliche Antwort der Liebe. Und auch die Sehnsucht spielt für ihn eine große Rolle: Wer die Stimme des Herrn hört, der ebenso unaufhörlich ruft, und wer dann von der Sehnsucht getrieben wird, auf dem heiligen Berg, in der Gegenwart Gottes, zu wohnen, der muss den richtigen Weg einschlagen (oder eben: in den richtigen Zug einsteigen). Das Evangelium nennt das noch anders: Ein solcher Mensch soll mit dem Hochzeitsgewand bekleidet sein, das für ihn bereitliegt. Und obwohl es für den hl. Benedikt nur einen Weg und eine Wahrheit und ein Leben gibt - Christus, den Sohn des lebendigen Gottes -, ist sein Weg nicht uniform. Sein Weg führt immer zu Gott, aber kennt so viele Gesichter, wie es Menschen gibt. Sein Weg ist immer auf die Wahrheit gegründet und hat doch so viele unterschiedliche Fahrrinnen, wie es Vorbilder und Wege im einen Glauben gibt. "Über Farbe und Stoff des Gewandes soll man sich gefälligst nicht den Kopf zerbrechen; man nehme das, was gerade zu bekommen ist." - aber es muss daraus ein wirkliches Hochzeitsgewand werden, nicht ein dreckiger Lumpen. Der hl. Benedikt, dessen Reliquien-Übertragung am heutigen Tage gedacht wird, hatte übrigens einen sehr wenig "römischen" Heimweg ins Himmlische Jerusalem: Seine Seele wurde im Unerschaffenen, Göttlichen Licht in die ewige Herrlichkeit aufgenommen. So jedenfalls sah es wunderbarerweise der hl. Bischof Germanus in einer Vision, wie alljählich am Benediktsfest (21. März) gesungen wird.

Dienstag, 26. Juni 2012

Tradition und Traditionalismus


Momentan stellen sich einigen Menschen, z.B. HIER, bedrängende Fragen: Was wird aus der Kirche, wenn die Einigung mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. und ihren Anhängern nicht zustande kommt? Darf sich die "Priesterbruderschaft SPX" überhaupt zu einer Einigung mit Rom durchringen? Ist es nicht viel besser, Stachel im Fleisch der "Konzilskirche" zu bleiben, anstatt sich von einer dekadenten römischen (=häretischen!) Kirche ge-(bzw. miss-)brauchen zu lassen?
Unwillkürlich drängen sich dem etwas über den Tellerrand Hinausblickenden Assoziationen ganz anderer couleur auf: Da sind die russischen Altgläubigen des 17. Jahrhunderts, die sch entschieden gegen die Reformen der russischen Kirche wandten, um den wahren Glauben zu retten. Sie waren beseelt vom Verlangen nach Weitergabe der jahrhundertealten Traditionen ihrer Kirche - sie wollten die alten Riten und Gebete, die alten Traditionen und Bräuche bewahrt wissen, damit die Kirche nicht ebenso wie der damalige Staat den Verderben bringenden Enflüssen der Säkularisierung ausgesetzt bleibe und daran zugrunde ginge. Freilich waren die Umstände der russischen Kirche andere, als in Rom oder Ecône - um bei den plakativen Begrifflichkeiten zu bleiben. Und doch kann es in hohem Maße erschrecken, wie ähnlich Menschen völlig unterschiedlicher Mentalität reagieren. Liest man Beiträge theologisch durchaus gebildeter römisch-traditionalistischer Menschen zugunsten der entschiedenen Haltung der Priesterbruderschaft SPX, könnte sich mit Leichtigkeit der Eindruck aufdrängen, dass diesen Eiferern der heiligen Sache einzig eine Geburt beispielsweise in Rußland oder Griechenland abgeht, die sie zu gleich vehementen Verfechtern der ultraorthodoxen Sache gemacht hätte! Das sind keine beruhigenden Gedanken. Sie zeigen vielmehr, wie wenig es noch um den Dreifaltigen Gott und das Evangelium geht bei den erbitterten Diskussionen. Es geht um die Verhärtung der Positionen - sowohl bei Romtreuen und Romkritikern, als auch bei Orthodoxen und Ultra-Orthodoxen, denjenigen also, die sich, aus Liebe hoffentlich!, schon oberhalb der Orthodoxie positionieren. Im deutschen Sprachraum, und im Orden auf internationaler Ebene, ist unser Kloster Mariawald bekannt geworden durch einen Reformversuch ungewöhnlicher Art. Nach massiver Schrumpfung der Klostergemeinde in den letzten 30 Jahren - also nach den Reformen der Nachkonzilszeit - versuchen Abt und ein Teil der Klostergemeinde, durch die Rückbesinnung auf die Gebräuche der frühen 1960er Jahre, dem Kloster neue Lebensperspektiven zu ermöglichen. Und auch hier drängt sich der Eindruck auf, die Liebe zur Tradition versperre die freie Sicht auf die Grundlage unseres Glaubens. Über lange Jahrhunderte hinweg wurde im Zsterzienserorden treu bewahrt, was zum "Patrimonium" des Ordens gehört: Die Art und Weise, sich als Mönch auf die Suche nach Gott zu machen. Dazu gehören verschiedene Elemente, die wesentlicher Art sind: Ein monastisches Leben in Einsamkeit und Schweigen, das Fasten und die Abstinenz, das Gebet und die Lesung der Heiligen Schrift und der Väter. Dazu gehören jedoch nicht zwingend: Die lateinische Sprache (denn von ihr wurde sogar schon im 12. Jahrhundert bei der Sakramentenspendung dispensiert, wenn jemand sie nicht verstand), ein bestimmter "Stil" (denn was heute als traditionell gilt, etwa "römische" Kaseln, sind auch nur -späte- Entwicklungen, die gerade in der Zisterzienserliturgie sekundär sind), das legalistische "Pensum" der Frömmigkeit (denn es unterscheidet sich fundamental vom "officium" als heiliger Pflicht, zu welchem selbst die Eucharistiefeier in Ausnahmefällen in der Hohen Zeit des Zisterziensertums nicht gehört...). - Wie wohltuend könnte es sein, wenn die begeisterten Reformer von einst den begeisterten Reformern von heute zuhören könnten (et vice versa) und wenn beide weniger Ideologie und mehr Theologie (und zwar die echte) lebten.

Samstag, 24. März 2012

Der Gottesdienst als Lebenswirklichkeit


Der Gottesdienst der Kirche besteht nicht nur aus ehrwürdigen und ästhetisch in Form gebrachten Texten und Gebeten, deren Rezitation oder Gesang, in einer bestimmten Ordnung absolviert, den Menschen am Ende der Feier geheiligt entlässt. Die Liturgie ist kein Wellnessbereich, in dem man die Seele baumeln lassen kann. Die Liturgie ist auch kein Kontor mit Kirchenbindung, in dem Gutschrift und Schulden buchhalterisch abgerechnet werden. Für mich ist es ein Grauen, wenn manche Menschen Gott vorrechnen zu können meinen, was dem himmlischen Vater geschuldet ist und was diese Schuld abträgt. Das Gebet ist eines der anspruchsvollsten christlichen Werke, das dem Christen aufgetragen und geschenkt ist. Manchmal will es scheinen, dass diese Maxime aus dem Blickfeld gerät. Nämlich dann, wenn die Größe Gottes dazu verleitet, allzu menschlich ins Rechnen und Abwägen zu verfallen, um die Seele zu beruhigen. Vor dem dreifaltigen Gott ist die Seele wie atemlos; sie versucht, sich in Gott zu wiederzufinden, und stößt an die Grenzen ihrer Geschöpflichkeit. Das Paradoxon Gottes ist sicher auch seine "unermessliche Winzigkeit". Durch sie hat er sich vielleicht (oder auch nicht) so weit entäußern wollen, dass Gott Fleisch und menschliche Grenzen angenommen hat. Ohne das, was wir die Regel, den Ordo, das Typikon nennen, wären wir überfordert. Wir sind eben nicht ohne unsere Begrenztheit denkbar. Und deshalb sind die Regeln ein Geschenk und eine Herausforderung. Zu meinen, die Feier der Liturgie unter "Karenzbedingungen" - unter Rahmenbedingungen, die der Würde nicht widersprechen und die gnadenvermittelnde Teilnahme erlaubt, könnte genügen und könnte unser Gewissen befriedigen, ist wohl ein Trugschluss. Die Liturgie und der Gottesdienst sind nicht rechentechnisch abzuhaken und Gnaden sind nicht zu verbuchen! Und da werden die Probleme nur wieder zu gut sichtbar: Die Diskrepanz der Empfindungen (im Gestern und im Heute) ist eine unauslotbare Komponente in der Überlieferung des christlichen Frömmigkeitslebens. Waren unsere monastischen Vorfahren weniger fromm, weil sie nicht nur nicht täglich die Eucharistie feierten, sondern diesen Unterschied zur heutigen Wirklichkeit auch noch unthematisiert ließen? Dieser Umstand läßt sich nur vordergründig durch Mentalitätsverschiedenheit erklären. Auch die zugrundeliegende "Theologie der Liturgie" spielt nicht die Rolle in diesem Zusammenhang, die wir ihr wohl zuweisen würden. Es ist ein großer Unterschied, ob man Theologie betreibt, oder ob man sich für die Theologie bereit hält. Die Mönche und Mönchinnen des Mittelalters (zumindest läßt sich das aus den alten Texten herauslesen) gehören zu denen, die sich bereithalten. Das ist eines der schwierigsten Werke des Mönchslebens: das Bereitsein ohne Genugtuung, ohne Ergebnis. Das Eingeständnis, dass Gott in der Liturgie handelt, weil der Mensch sich bereithält und tut, was ihm richtig erscheint, wiegt schwer aus dieser Perspektive heraus. Denn sie erlaubt keine "Buchführung", kein Soll und Haben. Heute den Gottesdienst zu feiern, indem "rite et recte" zelebriert wird, aber ohne wirkliche theologische Perspektive im obengenannten Sinne, das ist "Buchhaltermentalität" und wirkt zerstörerisch - nicht auf die herrlichen Gnadengeschenke der Liturgie und des Gebets, aber auf die menschliche Seele, die in ihren Grenzen gequält wird, anstatt während des Gottesdienstes in die heilsame Lebenswirklichkeit Gottes eintauchen zu können.

Freitag, 2. Dezember 2011

Advent, Fasten und so weiter : Vom Verlust der Werte


Die Hochzeiten des kirchlichen Jahres sind immer auch beliebte Festzeiten des gesellschaftlichen Lebens. Zwar verschiebt sich mittlerweile der weihnachtliche Rummel um mehr als zwei Monate in den Herbst, zwar wissen selbst praktizierende Gläubige nur mehr sehr wenig vom Hintergrund der kirchlichen Bräuche, aber der weihnachtliche Advent wird in voller Lautstärke zelebriert. Was daran eher schmerzlich zu nennen ist, läßt sich vielleicht am besten als "Hirnlosigkeit" apostrophieren. Es sind beileibe nicht die Menschen, die sich unbedacht in den Trubel stürzen, um an Weihnachten des Stollens und der Plätzchen überdrüssig zu sein. Von der "kostbaren Perle" habe ich an dieser Stelle schon öfter geschrieben. Die mit ehrfürchtigen Händen und mit gläubigem Herzen weiterzugebende "Tradition" ist ebenfalls eine solche Kostbarkeit. Die an sich so wertvolle Kultur wird zum Ramsch, wenn sie ihres Fundamentes beraubt wird und nur noch aus Hülle und Schein besteht. Die Liturgie ist Theater und Spielerei, wenn ihr die Grundlage genommen wird, die sie beseelt. Sie hat dann aufgehört, theologische Wirklichkeit im Vollsinn des Wortes zu sein. Umso wichtiger ist die Rückführung von Lebenswirklichkeit und Glaubenswirklichkeit zum Menschen hin. Es ist viel verloren gegangen, das kann niemand leugnen. Aber der Verlust kann auch eine Chance sein, einen fundierten Neuanfang zu wagen.