Mittwoch, 29. Januar 2020

Was es heißt, Ortskirche zu sein

Der hl. Apostel Jakobus umgeben von anderen Bischöfen unterschiedlicher "Ortskirchen" 
Ikone aus Kiew, Wikimedia

Es braucht nicht viel, um allenthalben auf diverse Plattformen (z.B.) zu stoßen, die - orthodoxerseits - die "Ortskirche" oder "Lokalkirche" in den Fokus rücken. Vor allem in Frankreich und in den französischsprachigen Ländern war und ist diese Bestrbung nach einer lokalen orthodoxen Kirche stark, nicht erst seit den Versuchen der Kowalewski-Brüder, die Orthodoxie auch in einem liturgisch-rituellen Kontext westlich werden zu lassen. Auf der oben verlinkten Seite wird tatsächlich momentan kritisch beurteilt, was sich orthodoxerseits an Schwierigkeiten auftut. Hauptkritikpunkt ist entweder die Unterwerfung unter eine, wie man sagt, politisch dominierte Kirche Moskauer Prägung oder aber das Beklagen des Fehlens einer Unterstützung durch andere orthodoxe Kirchen. Dass der Phanar nurmehr sehr schlecht wegkommt, darf nicht verwundern, sind manche der Kommentatoren doch ehemalige Daru-Gemeindemitglieder - eines Erzbistums also, das als "Exarchat" des ökumenischen Patriarchen im Jahr 2018 aufgelöst wurde und erst Ende 2019 wieder zu seiner Gründerin, der Kirche von Moskau, zurückkehren konnte. Viel wichtiger ist bei näherer Betrachtung allerdings der Umstand, dass die einschlägigen Kommentare vor allem eines betonen: eine Ortskirche darf nicht abhängig sein.

Freitag, 22. November 2019

Politisch korrekte Orthodoxie?


Es kann nur mit einigermaßen erstaunter Beunruhigung wahrgenommen werden, was sich aufgrund der zugespitzten Ereignisse in der Ukraine-Frage in der orthodoxen Kirche tut:
Der Erzbischof von Athen, Hieronymus, weist die Einladung seines bischöflichen Mitbruders, des Patriarchen von Jerusalem Theophilos, formell zurück als ungehörige Anmaßung: ein solches Recht hätte einzig der Patriarch von Konstantinopel - eine ungeheuerliche Behauptung für jeden Orthodoxen, der nur ein wenig die geschichtlichen Zusammenhänge der "Ökumene" des "ökumenischen Patriarchen" in Istanbul durchschaut. Diese "Ökumene" unterstand dem byzantinischen Kaiser, den es längst nicht mehr gibt. Konstantinopel selbst existiert nicht mehr als das, was sie zu Kaisers Zeiten war - Hauptstadt eben jener Ökumene. Diese Stadt ist heute weder Hauptstadt, noch Teil eines Kaiserreichs, sondern schlicht eine Stadt mit Namen Istanbul in der Türkei. Die Ukraine-Frage rechtens angewandt auf die realen Verhältnisse der Gegenwart - das ist ein echtes theologisches Muss! - bedeutet: Zurückweisung aller Besitzansprüche des Patriarchen in Istanbul auf Gebiete ausserhalb der Türkei, vor allem auch auf Gebiete im heutigen Griechenland; Bildung einer türkischen Kirche in den Grenzen der Türkei, des einzigen Landes, auf das der Bischof von Istanbul rechtens seine geistliche Hand legen kann; Zurückweisung aller historischen Gebietsumschreibungen, die auf heutige kirchliche Grenzen angewendet werden sollen unter Umgehung der realen kirchlichen Synoden.
Nicht genug damit: Man kann seit kurzem einen Text einsehen, der von einem Priester der deutschen griechischen Metropolie verfasst wurde und der sich der Thematik des "Erzbistums orthodoxer Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa" zuwendet, das kürzlich ins Moskauer Patriarchat zurückgekehrt ist. In diesem Text, der sich den Anschein wissenschaftlicher Objektivität geben möchte, fällt die aggressive Wortwahl politischer Prägung auf, die den Text verzerrt und seine wohl beabsichtigte Gemessenheit Lügen straft. Leider Gottes muss man in diesem Schriftstück gehäuft auf unangemessene Wortwahl und unangemessene Rhetorik stoßen, Ungern, aber einer gewissen Objektivität geschuldet, soll hier ein Auszug aus diesem Text folgen, um den oben angesprochenen Vorwurf zu stützen: "Das Drama der „Auflösung des Erzbistums“ hat allerdings noch einen zweiten Akt. Der auferlegten Auflösung seiner Struktur als Diözese des Ökumenischen Patriarchats folgte der geistige Suizid jenes Teils des Erzbistums, der Erzbischof (seit dem 3. November 2019 Metropolit) Jean von Dubna in die Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats in der Hoffnung gefolgt ist, gerade die Struktur erhalten zu können. Dieser Schritt ist indessen Verrat an allem, was uns kostbar ist: Ortskirche, Konziliarität, Verwendung der Volkssprache im Gottesdienst, Freiheit von staatlicher Willkür. Das Moskauer Patriarchat verkörpert die Unterwerfung unter ein staatliches Willkürregime, das der Kirche Reichtum und Macht dafür gibt, dass sie seinen Machtanspruch durch die Ideologie der „russischen Welt“ ideologisch fundiert. Der Anschluss an eine solche Formation bedeutet einen Salto mortale in ein ekklesiologisches Gegenuniversum, in dem die Kirche zum Instrument klerikalen Machterhalts degeneriert. Anders gesagt: Das Moskauer Patriarchat ist der Inbegriff all dessen, was zu vermeiden und zu bekämpfen die raison d’être jenes Erzbistums war, dem wir entstammen und dessen Erben wir sind. Das galt schon 1930/31, als sich Metropolit Evlogij genötigt sah, das damalige Westeuropäische Exarchat des Moskauer Patriarchates dem Schutz und der Obhut des Ökumenischen Patriarchen Photios II. zu unterstellen. Und das gilt noch mehr unter den Bedingungen einer gegenüber dem 20. Jahrhundert dank der Möglichkeiten des digitalen Zeitalters unvorstellbar verfeinerten und gesteigerten Dominanz des Staates im Dienst seines postsowjetischen, neofaschistischen Totalitarismus. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass der neue russische Staat die Kirche nicht mehr im „klassischen“ Sinne verfolgt, sondern vereinnahmt, weil diese Kirche mit ihm eine vorbehaltlose und uneingeschränkte symbiotische Verbindung eingegangen ist."
In diesem Kommentar zur Krise der Orthodoxie infolge der Ukraine-Problematik sollte eine Auswahl an Wörtern und Begrifflichkeiten des oben zitierten Schriftstücks veröffentlicht werden, um auf die Gefahren des politischen Machtmissbrauchs hinzuweisen; aufgrund der diesbezüglichen Begriffsdichte im oben angeführten Text war das Zitat unerlässlich. Im Text wird der russischen Kirche u.a. vorgeworfen, gefälliges "Spielzeug" des russischen Staates zu sein, um besser bestehen zu können. Eine berechtigte Frage an den Verfasser könnte lauten, wo er sich selber als Angestellten einer Institution in Deutschland sieht, die aus ihrer politischen Verbindung in ein anderes Land bedeutende Vorteile auch finanzieller Natur zieht, ganz zu schweigen von der kirchlichen Eingebundenheit der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland, die ihre Grundlage auf Konkordate gründet. Der scharfe Vorwurf der "Unterwerfung unter ein staatliches Willkürregime" erscheint in der Form als wirklich bedauernwerte Verurteilung sowohl eines Staatssystems an sich, als auch einer Kirche, die auf dem Gebiet eben jenes Staates existiert - und zwar nicht nur als "Prälatenkirche" ohne Gläubige, sondern gerade als Kirche von Gläubigen, zu denen auch ihre Bischöfe zählen! So traurig es ist - die Istanbuler Kirche wird oft genug als eine "Prälatenkirche" bezeichnet, da ihnen fast alle Gläubigen abgehen und nurmehr der Verwaltungsapparat bleibt, der mittels der Diaspora um sein Überleben kämpft. Warum er das muss? Zum einen sicherlich darum, weil er vergessen ließ, dass die Kirche sich nicht um Vorrang und Macht und Ansehen und Rasse (ja, vor allem um die NICHT) zu kümmern hat, sondern um das Reich Gottes, das in ihr schon existent sein soll.

Dienstag, 20. August 2019

Erzbistum der russisch-orthodoxen Gemeinden in Westeuropa (Rue Daru, Paris)

 Tatsächlich tobt momentan ein kirchenpolitischer Machtkampf: Die Menschen kämpfen scheinbar um Ansehen, Größe, Einfluss und Vormachtstellungen - und all das hat Jesus Christus vorhergesehen, man möge die bekannten Stellen in den Evnagelien nachlesen. Erbittert wird zur Zeit um Quoten gerungen im nicht mehr existierenden "Exarchat russischer Tradition in Westeuropa", dem jetzigen "Erzbistum russisch-orthodoxer Gemeinden in Westeuropa". Es ist nicht jedermanns Sache, an solchen Diskussionen teilzunehmen; Quoten, Gemeindeanzahl und Gemeindegröße sind eher Anhaltspunkte für die Lokalpolitik und dürfen daher niemals missbraucht werden, um die Kirche Christi zu "bewerten" oder um Chancen auszurechnen, wie man am besten überleben kann. Der Herr der Kirche ist die einzige und einzig wirkliche Chance, das Überleben zu sichern; vielmehr noch: Er wird alle Krankheiten und allen Hass heilen! Städte und Metropolen werden fallen und vergehen, wie auch das Konstantinopel Konstantins und seiner Nachfolger vergangen ist und niemals wieder sein wird. Auch das heilige Moskau des Zaren wird es nicht mehr geben. Das alles ist gut und beruhigend, denn die Kirche braucht weder Konstantinopel, noch Jerusalem, noch Moskau, noch Bukarest, noch Sophia, noch irgendeine der Metropolen, um Christi Leib zu sein und zu bleiben. Das einzig Notwendige für sie sind die Menschen - wenige oder viele, das ist völlig egal!
Hier einige lesenswerte Initiativen, die versuchen, verlorenes kirchliches Denken in die Diskussion einzubringen, wie die Zukunft des Erzbistums der russisch-orthodoxen Gemeinden in Westeuropa weitergehen könnte, wenn man bereit ist, die Freiheit Christi zu wählen, nicht die der (doch allzu trügerischen!) weltlichen Mächte:
- Unterstützung für Erzbischof Johannes von Chariopolis.
- Offener Brief des engl. Priesters Vater Timothy Curtis.

Freitag, 28. Juni 2019

Moskau und Paris

Wie hier zu lesen ist, hat ein Gespräch von Vertretern des Moskauer Patriarchats und dem Erzbistum der russisch-orthodoxen Gemeinden in Westeuropa (Rue Daru, Paris) am 21. Juni in Wien stattgefunden. Der Titel des Blogbeitrags wird sicherlich direkt Ablehnung in manchen Kreisen hervorrufen: "Die russisch-orthodoxe Kirche ist bereit, ihre Statuten für ihre Landsleute zu ändern". Dass es immer noch und vor allem um Versöhnung geht zwischen den beiden Seiten, darf nicht vergessen werden; dass politische Machenschaften keinesfalls die Kirche regieren dürfen, das muss klar sein: Als orthodoxe Christen sind wir alle "Landsleute", denn wir gehören zur Gemeinschaft der Heiligen, das himmlische Jerusalem ist unser aller Heimat. Es ist anzunehmen, dass der Blogtitel mit Bedacht gewählt wurde. Die beißenden Reaktionen sind nämlich vorherzusehen - der Menschen nämlich, die zu allem bereit sind, außer sich versöhnen zu lassen mit "den Russen", so will es manchmal scheinen! Wie wichtig ist es da, uns die himmlische Heimat eines jeden in Erinnerung zu rufen, nach der wir alle "compatriotes" sind, die nicht die Glorie dieses oder jenes "Neu-" oder "Neu-Neu-Rom" suchen, sondern die Verherrlichung Gottes durch den Frieden, der Christus selbst ist und den wir annehmen dürfen, wenn wir das wollen. Es drängt sich der Vergleich mit der Situation in der Ukraine auf, wo vor lauter Autokephalie und Hass auf Rußland das Wesentliche zerstört wurde - der Friede Christi zwischen Christen und sogar Nicht-Christen. 

Montag, 24. Juni 2019

Die Saat geht auf...

Nach der Lokalsynode des "Kiever Patriarchats" unter Filaret Denisenko am 20. Juni 2019 und nach der am 22. Juni erfolgten Bestellung des Elias Zelensky zum "Bischof von Charkow" durch Filaret D. hat Epifanij Dumenko als Oberhaupt der nicht anerkannten "orthodoxen Kirche der Ukraine" den durch Filaret Denisenko Bestellten suspendiert. Es war vorauszusehen, dass die politisch motivierte Diplomatie des Phanar in der Ukraine, die zu einer Einheit der orthodoxen Kirche dieses Landes führen sollte, nur die Früchte hervorbringen konnte, die nunmehr offenkundig sind. Wie es heißt, stehen auch viele Hierarchen der dem Phanar unterstellten Kirchen nicht mehr hinter Patriarch Bartholomäus, nachdem dieser wohl allzu offenkundig an der vergangenen Glorie festzuhalten scheint. Dass die Kirchenordnung sehr gut gegründet ist und ohne das einstige Konstantinopel, das es nicht mehr gibt, auskommen kann, wird geflissentlich übersehen: Für die Kirche ist allein das Fundament des orthodoxen Glaubens lebenswichtig - nicht diese oder jene Stadt, möge sie auch noch so traditionsträchtig sein. Die orthodoxe Kirche wird weiterbestehen können ohne die alten und neuen Patriarchate, während sie nicht ohne die Treue zum apostolischen Vermächtnis leben kann: im Festhalten am Evangelium und am kirchlichen Leben, d. h. an der Kirchengemeinschaft. Jede "Autoproklamation", führe sie nun zur Autokratie oder zur Autokephalie, wird vor diesem Hintergrund zur Farce...

Samstag, 22. Juni 2019

Schisma in der Ukraine - Ist die Position des Phanar wirklich nur kanonisch in Zweifel zu ziehen?


Nach der österlichen Festfeier beginnt in der orthodoxen Kirche traditionell wieder die neuerliche Vorbereitungszeit auf das kommende Osterfest. In diesem Jahr war die Festzeit überschattet von den kirchlichen Unruhen in der Ukraine, in Westeuropa und gezwungenermaßen dadurch auch in den anderen orthodoxen Kirchen. Am 20. Juni hat der ehem. Metropolit von Kiev, Filaret Denisenko, eine Lokalsynode abhalten lassen, auf der u. a. die Beschlüsse des "Vereinigungskonzils" vom vergangenen 15. Dezember in Kiev zurückgewiesen wurden. An sich ist diese Entwicklung nicht erstaunlich; sie war vorherzusehen, wenn man die Positionen der unkanonischen Entitäten auf dem ukrainischen Schlachtfeld sehen wollte: mit Kirchlichkeit hat die Positionierung gegen die kanonische ukrainische orthodoxe Kirche nichts zu tun. Das hätte jeder - sogar der Dümmste - wissen können. Kürzlich ordnete Patriarch Theodoros von Alexandrien die Ukraine-Frage der kanonischen Ordnung zu. Die neuesten Äußerungen von Filaret Denisenko sollten allerdings auch den eher dem Hellenismus nahestehenden Kirchen zu denken geben. Es geht hier nicht darum, die Positionen von Filaret Denisenko als richtig oder falsch einzuordnen. Es geht sicher auch nicht darum, dessen Wortmeldungen als Ausfluss von Egomanie oder Demenz zu brandmarken. Vielmehr muss es darum gehen, die Hintergründe zu erhellen, die scheinbar dem orthodoxen Ukraine-Konflikt zugrunde liegen. F. Denisenko behauptet im Vorfeld seiner Lokalsynode, dass das gesamte Autokephaliegebilde unlauter ist. Er begründet seine These mit der Feststellung, dass der Phanar hätte wissen müssen, dass sein neuernannter Außenminister Epifanij Dumenko, der eigentlich von der Vereinigungssynode im Dezember zum Oberhaupt der neuen Parallelkirche "der Ukraine" gewählt worden ist, gar keine Weihe besitzt,

Dienstag, 5. Februar 2019

Diabolos und Kairos - Orthodoxie als Herausforderung, das Schisma zu überwinden

"Kairós" von Salviati in Rom - keine Aufforderung zum Opportunismus!
Die beiden Begrifflichkeiten der Überschrift - der diabolos und der kairós - sind auch in die deutsche Sprache eingegangen. Der diabolisch Handelnde vertritt den Teufel oder Satan; wer den Kairós getroffen hat, dem ist etwas geglückt, der hat richtig entschieden, den rechten Augenblick genutzt. Auch wenn sich viel abgemüht wird, wenn es um die korrekte Übersetzung z.B. der Hl. Schrift geht: der Orthodoxe wird mit jeder halbwegs treuen Übertragung sehr gut umgehen können, denn der Text erschließt sich nicht philologisch, sondern "pneumatologisch" - einzig durch das Wirken des Hl. Geistes. Der Heilige Geist wirkt in der Kirche, die Erklärerin und Vermittlerin zum Verständnis der Hl. Schrift ist. Allerdings geht es hier nicht um Exegese, sondern um die schwierige Auflösung der kirchlichen Verwirrung, die momentan herrscht. Und da greift das, was vorhin gesagt wurde, ebenfalls: die Kirche als Leib Christi interpretiert auch die kirchlichen Gesetze, die canones. Und da kommt der 'Diabolos' ins Spiel, der verleumderische Ankläger. Wir sehen momentan die Parteiungen: Istanbul, die Ukraine, die USA, Moskau, Belgrad, Warschau, Prag, Damaskus, Jerusalem, etc.