vor 5 Jahren
Sonntag, 24. Januar 2021
Hagia Sophia gegen Hagia Sophia?
Es ist zu lesen (und die seriöse Quelle sei an dieser Stelle mal verschwiegen), dass das ukrainische Schisma, das die gesamte Orthodoxie verwundet hat, sich an seinen Erschaffern rächt: Die Kiewer Hagia Sophia habe die Istanbuler Hagia Sophia mit in den Abgrund gezogen; die malträtierte ukrainische Nation sei das Vorspiel für eine malträtierte amerikanische Nation. Solche Behauptungen aufzustellen, hilft nicht gerade dabei, Versöhnliches und Klarstellendes hervorzuholen. Übrigens widerspricht eine solche Auslegung der geschichtlichen Ereignisse in einem entscheidenden Punkt der christlichen Sicht auf die Welt. Alles hängt zusammen - das ist wahr. Aber nicht alles wird automatisch zum oktroyierten Verhängnis für wen auch immer.
Kürzlich konnte man in der frankophonen Szene empörte Zwischenrufe vernehmen: Wie kann die Weihe eines katholisch-unierten Klerikers orthodox anerkannt werden, wenn die russische Kirche sogar orthodoxen Klerikern (in der - schismatischen - "orthodoxen Kirche der Ukraine") die Anerkennung verweigert und sie als Ungeweihte bezeichnet? Es stimmt: Alles hängt zusammen. Mit dem Unterschied, dass im letztgenannten Fall die Anerkennung von sakramentalen Akten eng mit dem unumgänglichen Willen zur Umkehr zusammenhängt, ohne den die Liebe Gottes wohl vergeblich anklopft. Der "Schismatiker" spaltet nicht unbedingt durch gegensätzliche Meinungen und Lehrsätze, sondern vielmehr durch seine Zurückweisung der "communio" in ihrer grundsätzlichsten Bedeutung: es ist bei ihm - und das eigentlich immer in der Kirchengeschichte - eine Verweigerung aller Verwundungen und Toten zum Trotz.
Und wo steht zwischen all dem Schmutz und Dreck das Evangelium? Es steht mittendrin und es ist sich nicht zu schade, uns Heutige immer wieder neu seine Zwischenrufe hören zu lassen: Dass Gott heilen will, dass Gott bedingungslos heilt, wenn wir ihn bitten, dass Gott sogar alle menschlichen Schubladen wie Volk, Rasse, Nation, Kultur, ja sogar Religion ... außer Acht lässt, um dem aufnahmebereiten Menschen alles Gnadengeschenke zukommen zu lassen. Und Gott heilt sogar vorbehaltlos, selbst wenn der Geheilte ihm noch nicht einmal seinen Dank zurückgibt.
Die oft verstörenden Wortmeldungen, von denen drei oben in Auszügen vorgestellt wurden, gehören ebenfalls in den Gesamtzusammenhang, der die Welt besser oder schlechter werden lässt! Gebe Gott, dass sie nicht Hass, Abneigung oder Entmutigung produzieren, sondern zu einem entschiedenen Willen zur Wahrhaftigkeit und zum evangeliumsgemäßen Handeln aufrufen.
Labels:
Evangelium,
Orthodoxie,
Schisma,
Theologie
Dienstag, 12. Januar 2021
Die Macht des Wortes - verantwortungsvoller Journalismus
Gerade jetzt im neuen Jahr muss es sauer aufstoßen, wenn eine Zeitung wie "Die Tagespost" sich zum Sprachrohr der Parteiungen macht. Auffällig ist freilich nicht nur die Parteinahme der "Tagespost" für Strömungen innerhalb der Orthodoxie, die nicht so einfach abzuhandeln sind, wie es den Redakteuren erscheinen mag. In einem jüngst erschienenen Artikel beklagt Stephan Baier die Diskreditierung des Moskauer Patriarchats in Hinblick auf die Hilfe für verfolgte afrikanische Christen. Diese Diskreditierung sei Folge der kirchenpolitischen Ambitionen des Moskauer Patriarchats, seiner Eigeninteressen. Leider unterschlägt der Autor manche Details: Er erwähnt nicht die Positionierungen der Moskauer Bischofssynode zugunsten des "Ökumenischen Patriarchats" und seiner Bedeutung, er erwähnt nicht die bei weitem komplexere Binnensituation der orthodoxen Ortskirchen - Jerusalem mit ihrer Vermittlerrolle, die anderen Patriarchate in ihrer Stellung im politischen Gefüge - und sieht folglich nur die vermeintlichen russischen Angriffe auf die Aggressoren der russischen Kirche: den Phanar, dem seine Protos-Rechte streitig gemacht würden, den Patriarchen von Alexandrien, der zum "Phanar" hält und dem deshalb "Moskau" eine Hundertschaft Priester abspenstig machen will. S. Baier verkennt scheinbar völlig die strukturelle Schwachstelle seines Argumentationsgefüges: Die "Orthodoxie" sieht sich nicht zuerst als Größe, die es zu verteidigen gilt, sondern sie sieht sich vor allem als Kirche, die im apostolischen Glauben leben möchte. Obwohl sicherlich auch Machtgefüge und Einfluss nicht auszuklammern sind, verbietet sich doch eine einseitige Argumentation, wie sie S. Baier zum wiederholten Male vorträgt und für die er sich zum Sprachrohr macht. Orthodoxerseits findet tatsächlich ein Kampf statt: es ist der um die Orthopraxie, das rechte Handelns. Nicht umsonst hat das Außenamt des Moskauer Patriarchats betont, dass eine Übernahme von Priestern des Patriarchats von Alexandrien zuerst einmal nicht wünschenswert ist, da sie zu einem anderen Patriarchat gehören. Legitim wäre ein solche Übernahme erst dann, so ist zu folgern, wenn das Wohl der Gläubigen auf dem Spiel steht. Denn es ist die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen, um die es geht, es sind nicht Landesgrenzen oder Macht und Einfluss - was immer menschliche Unvollkommenheit auch durch die Hintertür einzubringen vermag (und was nicht abgestritten werden soll).
Daher wäre es wichtig und wünschenswert, wenn auch im Journalismus die Macht des Wortes gebührend Beachtung fände. Es brauchte keine Lobhuddelei auf wen auch immer sein, aber eine einigermaßen ausgewogene Berichterstattung verdient auch jemand, dem ich nicht meine Sympathie entgegenbringe.
Dienstag, 22. Dezember 2020
Gott hat sein Gesicht verloren ...
... Das könnte man meinen, wenn man sich umsieht. Natürlich ist das unmöglich: Gott hat uns allen ja sein Gesicht gegeben, da er der Schöpfer ist. Wir sind als Kirche sein Leib, ein mystischer, nur im Geheimnis wahrnehmbarer Leib zwar, aber trotzdem real und greifbar. Die Kirche hat fundamentale Stützen: die apostolische Lehren und das Glaubensbekenntnis. Gerade mehren sich die Botschaften verschiedener Bischöfe. Sie mahnen alle die Einheit der orthodoxen Kirche an. Welche Antworten geben die Stützpfeiler der Kirche auf die ungelösten Fragen, die häufig in diesen Bischofsbotschaften angesprochen werden? Einmal ist es die grundlegende Antwort überhaupt: Als Kirche und als Kirchen in Land X und in Land Y haben wir auf Christus zu schauen, nicht auf die Politik, auf Grenzen, auf Ethnien. Eine zweite, vielleicht drängendere Antwort aus apostolischer Zeit ist die Blickrichtung: die Kirche, bestehend aus ihren Bischöfen zusammen mit den Gläubigen, kennt keine andere Hierarchie als die apostolische, bei der das Haupt Christus, alle anderen aber Geschwister sind, wenn auch mit unterschiedlichen Augaben betraut. Daraus ergibt sich die Verfassung der Kirche, die notwendigerweise hierarchisch ist, was aber bedeutet: die Gemeinschaft der Kirche, vertreten durch die Bischöfe (von denen manche auch Patriarchen genannt werden), trifft Entscheidungen im Blick auf ihr Oberhaupt, Christus, in Zusammenkünften und auf Synoden. Diese apostolische Verfassung der Kirche ist keine kirchenrechtliche Spitzfindigkeit, sondern ein sakramentaler Ausdruck ihres Wesens. Einfacher ausgedrückt bedeutet das: Durch die Bewahrung der apostolischen, orthodoxen Verfasstheit der Kirche dürfen wir alle am sakramentalen Leben der Kirche teilhaben. Denn es sind weniger bestimmte Riten und Rubriken, die die Sakramente beseelen, sondern es ist der unverfälschte Glaube der Kirche, in den diese Mysterien mittels äußerer Formen eingepackt sind.
Verliert also Christus sein Gesicht, wenn die Kirche mit allen Kräften versucht, am apostolischen Glauben festzuhalten? Auch das kann nicht sein. Denn das, was gerade geschieht - Streit, Unfriede, Ärgernis, Ablehnung, Auflehnung -, das alles lässt zu, dass wir Menschen unser Gesicht vielleicht voreinander zu verlieren scheinen. Denn eines ist klar: Ein Christ verliert sein Gesicht nicht, weder durch die Sünde, noch durch Ehrenrührigkeiten... In dieser Weihnachtsfastenzeit wird daher sehr deutlich, was uns fehlt. Der Blick auf die Würde des Menschen, die soweit geht, dass ein früher Bischof sagen konnte: "Gott wurde Mensch, damit der Mensch vergöttlicht werde." (hl. Athanasius) Wenn dem so ist, dann müssen wir alles daransetzen, diese Würde des Menschen - jedes Menschen - zu verteidigen. Natürlich beginnt das im Kleinen, bei jedem Entrechteten oder Gedemütigten. Aber im Blick auf die Kirche heißt das eben auch: Die Einheit der Kirche kann nur in der gelebten Wahrhaftigkeit gefunden werden. Daher wird es keine Kirche in der Ukraine geben können, die auf Hass gegründet ist. Ein solches Konstrukt kann weder Kirche genannt werden, noch wird sie jemals apostolisch heißen. Deshalb sagt der Bischof von Kiew auch: "... bewaffnet Euch mit dem Gebet!" Und im Grunde ist das Gebet die einzige sinnvolle Waffe gegen den Hass! Es geht in dieser Frage nicht wirklich um Patriarchatsstreitigkeiten oder Vormachtstellungen. Es geht um die Kirche als Leib Christi! Nur aus diesem Grund gab es keine andere Möglichkeit, als uns allen ein Höchstmaß an liebender Verbundenheit abzuverlangen - durch die Aussetzung der "communio", die niemals auf Hass gegründet sein kann. Denn - in aller Ehrlichkeit gesagt - es ist doch völlig egal, welcher Bischofssitz die Verbindung zur Kirche gewährt, ob nun Moskau oder Istanbul, etc. Dass nunmehr aber die politischen Interessen umso deutlicher werden, sollte für die Kirche als ganze nur noch mehr Antrieb sein, sich entschieden gegen den Hass zu wenden und die Versöhnung zur Tat werden zu lassen. Das wird nur gelingen, wenn jeder bereit ist, auch die Geschichte als authentischen Ausdruck der Anwesenheit Gottes zu werten: dass "Konstantinopel" für die griechische Welt einen Halt darstellt, dass die "Rus" bis heute eine staatenverbindende Wirklichkeit sein darf, dass die Kirche in allen Sprachen und Kulturen auf eine je andere Art gegenwärtig sein kann. Nur dann übrigens sind wir wirklich orthodox, da jede Kleinkariertheit im Widerspruch steht zur apostolischen Lehre.
Denn sonst hätte der Erlöser der Welt niemals in einer Höhle geboren werden und niemals am Kreuz sterben dürfen. Er hätte sein Gesicht verloren, so denken wir sicher.
Montag, 14. Dezember 2020
Krankheit und Gesetz
Die Evangelienperikope von der verkrümmten Frau (Lk 13,10-17) ist eine mahnende
Botschaft an uns. Der Erlöser wird aus sich heraus tätig, ohne dass die Frau mit
einer Bitte an Ihn herantritt. Jesus heilt sie und provoziert dadurch ein
schweres Ärgernis: Am Sabbat in der Synagoge vollzieht Er die Heilung - gegen
das Gesetz und seine Vorschriften! Auch wir sind diese verkrümmte Frau, und in
mancherlei Hinsicht können wir uns sogar permanent in ihr wiederfinden. Christus
heilt uns beständig, manchmal bitten wir Ihn darum, manchmal haben wir andere
Sorgen... Solche Sorgen, die vom Wesentlichen ablenken, finden sich in der
Schriftstelle: "Sechs Tage gibt es, an denen man arbeiten darf; an denen kommt
und lasst euch heilen, aber nicht am Sabbat!" Der Wächter über Zucht und Ordnung
in der Synagoge ist emört über diese Schändung des Sabbat - und das Gesetz ist
wohl auch auf seiner Seite. Und doch ist es für ihn nur ein Vorwand. Er sieht
weder die geheilte Frau, noch sieht er den Erlöser und Herrn, sondern er wird
von Zorn und vielleicht auch Neid gepackt. Uns geht es tatsächlich oft genauso.
- Die "Tempelordnung" läuft Gefahr, ausgehebelt zu werden. Das "Typikon" wird
missachtet. Altes Recht und älteste Bräuche sind in Gefahr. Leichtsinn und
Unordnung herrschen in der Kirche Christi... Alles das mag stimmen, alles das
mag bedacht werden. Doch wirklich wichtig ist zuallererst: Der Herr und Erlöser
der Menschen heilt hier und jetzt durch Sein sakramentales Tun, das zwar nicht
rubrikengemäß ist, aber das die Fülle aller Tradition und Gesetzmäßigkeit in
sich trägt. Und das ist tatsächlich auch orthodoxe Lehre: der Blick über die
äußerlichen Kanones hinaus auf das Wesen des sakramentalen Handelns. "Diese
Tochter Abrahams, die der Satan schon achtzehn Jahre lang gefesselt hielt,
musste sie nicht am Sabbat von dieser Fessel befreit werden?" Der Herr antwortet
uns exakt und mit Akribie: Seine Heilung ist der Sieg über die Fesseln Satans.
Dieser "Verwirrer", der uns alle in Atem hält, musste gerade am Sabbat seine
Niederlage entgegennehmen. Bei uns scheinen nur solche recht groben Winke mit
dem Zaunpfahl - wenn überhaupt - Wirkung zu zeigen. Und wie lange kann man nicht
brauchen, um diese längst und nur zu gut bekannte Perikope so zu verstehen? Dass
all das, was uns trennt und immer mehr trennt, weil es scheinbar gegen das
Gesetz und gegen die Kanones ist (und zwar auf allen Seiten!!!), nur deshalb
trennen kann, weil wir nicht auf den Erlöser blicken, sondern auf das, was um
ein Vielfaches kleiner und sogar erbärmlicher ist als Er. Wohlgemerkt: Es geht
hier nicht um die Abschaffung oder Verwässerung der Kanones, des Typikons oder
der Kirchengesetze! Nichts weniger als das will die Perikope ausdrücken. Denn
Christus sagt eindeutig und mit klaren Worten: "... musste sie nicht am Sabbat
von dieser Fessel befreit werden?" Der Sabbat, der hier für all das steht, was
uns äußerlich als Kirche zusammenhält und trägt, ist absolut unerlässlich für
diese Heilung, denn erst mittels dieser äußeren Form wurde der Satan wirklich
besiegt, da der Erlöser auf das Wesentliche hingewiesen hat: die Liebe in ihrer
Vollform. Deshalb klingt der letzte Satz der Perikope wie das Finale einer
Synphonie: "Als Er dies sagte, wurden alle Seine Widersacher beschämt, und das
ganze Volk freute sich über alles Herrliche, was durch Ihn geschah." Wir, die
Widersacher, und wir, die Kirche, sollten uns schämen, wenn wir das Gute aus dem
Blickwinkel des "Verwirrers" vorgegaukelt bekommen und es nicht als solches
erkennen (wollen?). Denn eigentlich dürfen wir uns aufrichtig freuen über die
Wunder Christi, die jeden Tag vor unseren Augen geschehen. Es ist ein
Evangeliumsabschnitt gegen Kurzsichtigkeit in all ihren Formen!
Labels:
christliches Leben,
Exegese,
Ideologie,
Orthodoxie,
Schisma,
Theologie
Freitag, 27. November 2020
Verschobene Realitäten
Neben den zahlreichen Meldungen der letzten Tage, die Angst und Unsicherheit verbreiten (wollen?), da sie das existenzielle Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit in Frage stellen, wenn es um ihre Gesundheit und das Wohlergehen geht, kreisen auch andere im Netz, die für Christen auch existenziell sind. Es sind die Meldungen zu Äußerungen von Patriarch Bartholomäus zum Status der orthodoxen Christen in der Ukraine. Wer bislang von einem rein rechtlich fußenden Streit zwischen Ersthierarchen (Moskau / Phanar) ausging, wird allerspätestens jetzt begriffen haben, das dem nicht so ist. Es geht in der Ukraine-Frage um nichts weniger als den orthodoxen Glauben, und zwar um die grundlegenden Fragen der Kirche. Patr. Bartholomäus, so wird er in einem diesbezüglichen Beitrag zitiert, "toleriert zeitweilig" (- d.h. duldet die Zugehörigkeit zu einer anderen Denomination als der von ihm eingesetzten -) die Gläubigen der autonomen Ukrainischen orthodoxen Kirche (des Moskauer Patriarchats). Es ist spannend, die Argumentation zu verfolgen, zeigt sie doch, wie sehr die gesunden Grundlagen der orthodoxen Theologie schon beiseite geschoben sind. Für den Phanar gilt: Als kirchliches Haupt der "Ökumene" ist es recht und billig, alle Fragen innerhalb der "Ökumene" zu behandeln, auch unter Umgehung der Ortskirche. Das Problem beginnt schon an diesem Punkt: Die "Ökumene" war ein klar umschriebener Begiff des byzantinischen Reichs, der - grob gesagt - den ganzen Erdkreis umfasste. Die "Ökumene" unterstand dem Kaiser in Byzanz per definitionem. Wenn sich heute jemand "ökumenischer Patriarch" mit Sitz in "Konstantinopel" nennt, dann darf gefragt werden, welches Selbstverständnis er hat. Die Frage eindeutig zu beantworten, verbietet sich in diesem Kontext aus Respekt vor dem Bischofssitz in Istanbul. Dass es heute keine Stadt Konstantinopel mehr gibt, dass der Kaiser in Konstantinopel schon lange nicht mehr existent ist, das sind Tatsachen, die ein Christ nicht verdrängen sollte und auch nicht verdrängen darf. Beides, der Kaiser und seine Stadt Byzanz, sind für die christliche Botschaft heute tatsächlich völlig bedeutungslos. Der Erzbischof von Istanbul tut recht daran, zum Wohl der ihm unterstellten Christen alles ihm Mögliche zu tun - nur eines sollte er nicht: den orthodoxen Glauben, der untrennbar mit der Kirche verbunden ist, ins Lächerliche ziehen. Das jedoch geschieht momentan in großem Stil durch Wort und Tat. Das Wesen der Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen, versammelt als Glieder Christi in der Gnade des Heiligen Geistes, kann unmöglich dem politischen Kalkül untergeordnet werden, wie es momentan geschieht. Das Weihesakrament ist sichtbarer und unsichtbarer Ausdruck des Glaubenslebens der Kirche durch das Zusammentreffen von Bestellung und Einsetzung des Weiheempfängers. Dieses Zusammenspiel ist Ausdruck des Glaubens der Kirche, daher kann die Weihe "genommen" werden, wenn wesentliche Elemente des Glaubens nicht mehr gegeben sind. Das ist der Fall bei klerikalen Angehörigen der durch den Phanar in Istanbul geförderten "Kirche der Ukraine". Ein so schwerwiegender Umstand kann nicht durch ein rechtliches Dokument, wie seitens des Phanar geschehen, für nichtig erklärt werden, ohne wesentliche Elemente des orthodoxen Glaubens beiseite zu schieben. Und nicht umsonst wird eine Weihe bei Wiederaufnahme von solchen "Klerikern" in die orthodoxe Kirche nachgeholt. Leider wird diese Theologie momentan komplett umgedreht. Ein "Erzbischof von Konstantinopel" habe als "ökumenischer Patriarch" historisch verbrieftes Recht, um Ordnung zu schaffen und um die Ordnung der Kirche zu wahren. Die Kirchen der heutigen "Ökumene", der realen und oft sehr bedrängten, sollten nicht den "Kaiser" suchen, der ihnen Schutz und Hilfe gewährt. Er wird sich nicht in den USA oder im Kreml oder sonstwo finden lassen, denn es gibt ihn nicht mehr. Die Kirchen heute und jetzt müssen Christus verkörpern durch ihre Beten und Handeln. Bei aller Not und aller Hilflosigkeit angesichts der menschlichen, sozialen Realitäten ist es die tröstliche Antwort, die ein für allemal gegeben ist - die für uns heute aufgeschrieben wurde: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des Ewigen Lebens!"
Labels:
Ekklesiologie,
Orthodoxie,
Schisma,
Theologie
Freitag, 20. November 2020
Steht fest im Glauben!
Es ist ein ganz und gar biblisch inspirierter Leitsatz, der als Thema und Aufhänger dient (vgl. 1 Kor 16,13). Die Heilige Schrift ist denn auch erste und letzte Instanz für alles Handeln des Christen, und zwar nicht in Form individueller Interpretation, sondern gegründet auf die Kirchlichkeit, die das Leben des orthodoxen Christen prägt. Das Zeitalter virtueller Informationsverbreitung bringt es mit sich, dass nicht nur viel konsumiert, sondern auch viel produziert wird an Nachrichten. Neben den desaströsen Folgen ungezügelter Nachrichtenschwemmen gibt es auch Vorteile: der Mensch kann sich bilden und sich weiterbilden. Schließlich kann sich ein Christ nicht aus dem Hier und Jetzt herausnehmen und so tun, als könne er völlig losgelöst dem Alltag entkommen.
Heute erschien, französischsprachig, ein Beitrag, der die Ekklesiologie der "nouvelle théologie" des Phanar kritisch hinterfragt: HIER. Schon der Titel hat, auch übersetzt, Bekenntnischarakter: "Die Sache ist jetzt klar!" Es geht denn auch um nichts Geringeres als um die Darlegung der Differenzen, die sich in den letzten Verlautbarungen des Patriarchen Bartholomäus auftun im Bezug auf die traditionelle orthodoxe Lehre. Das "primus sine paribus", das "Erster ohne Gleichrangige", wird im zitierten Beitrag als häretisch, das heißt also, als stark verkürzender (und somit verfälschender) Auszug aus der gültigen Lehre der Kirche, gebrandmarkt. Nichts weniger als dogmatische Gründe werden nunmehr auch, nach zwei Jahren gemäßigter Kommunikation, angeführt als Begründung für die Aussetzung der Kommemoration des Erzbischofs Chrysostomus von Zypern: die kirchliche Gemeinschaft mit Schismatikern (d.i. mit den vom Phanar 2018 anerkannten Mitgliedern seiner neugebildeten ukrainischen Nationalkirche) ist nicht zu rechtfertigen: HIER. "Jetzt ist die Sache klar!", so sagt es die Überschrift des oben zitierten Beitrags. Klar ist nunmehr, und tatsächlich nicht erst seit heute, dass gravierende dogmatische Gründe einen Bruch in der Orthodoxie haben entstehen lassen. Kreise zieht dieser Bruch, der theologisch grundgelegt ist, auch bis in die deutschsprachige Sphäre. Der griechische Metropolit Arsenios von Österreich hat schon vor Wochen theologisch verstörende Gedanken geäußert, die bis jetzt noch unverdaut sind. Sie sind, veröffentlicht HIER in der "Tagespost", auch nicht berichtigt worden und somit wohl geltende Meinung des Metropoliten. Das verstört umso mehr und umso tiefer, weil sie grundlegende kirchliche Strukturen, etwa die diözesanen, ad absurdum führen. Selbst im noch einigermaßen rechtgläubigen Mittelalter konnten im Westen solche Theorien nicht als Lehrmeinung der (römischen!) Kirche durchgehen, die heute scheinbar höchste Billigung des ökumenishcen Patriarchen besitzen, wenn sie nicht sogar mit Gewalt durchgesetzt werden sollen. So erscheint es beinahe, wenn man Verlautbarungen des Patriarchen Bartholomäus liest, die in den letzten Wochen erschienen sind, etwa HIER.
Es kann beruhigen, dass Klarheiten geschaffen sind. Es bleibt verstörend, wie wenig sich die Kirchenpolitik aus den handfesten Folgen eines solchen Handelns zu machen scheint. Es geht schließlich um nichts weniger als den mystischen, geheimnisvollen Leib Christi. Möge der Himmlische König, der Geist der Wahrheit und Spender des Lebens, einem jeden von uns die Kraft und Einsicht schenken, das Rechte zu tun und zu bekennen!
Labels:
Ekklesiologie,
Konzil,
ökumenisches Patriarchat,
Orthodoxie,
Theologie
Mittwoch, 4. November 2020
Dankbarkeit
Es ist gerade ein Jahr her, dass sich der älteste Zweig der außerhalb Rußlands existierenden Diözesanverbände des Moskauer Patriarchats, das "Erzbistum der orthodoxen Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa", wieder als Diözese in die Obedienz seiner geistlichen Erzeugerin bzw. Mutterkirche begeben hat. Nach dem in Rußland gültigen kirchlichen Kalender fiel der letzte offizielle Tag der Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung (vom 2. bis 4. November 2019) auf das Fest der Gottesmutterikone von Kasan, die unter diesem Titel als Schutzpatronin des russischen Landes verehrt wird. Das "Erzbistum" war lange Jahrzehnte jurisdiktionell einem anderen Patriarchat angeschlossen, dem ökumenischen mit Sitz im Phanar. Vielleicht waren es die sich immer schneller drehenden Mühlen der Bürokratie und der Diplomatie, die die Wiedervereinigung am 3. November 2019 in Moskau haben zustande kommen lassen. Zumindest kann es heute nur providentiell erscheinen, dass sich zumindest ein Zankapfel der orthodoxen Welt eindeutig positionieren musste und durfte. Dass leider auch da Zwistigkeiten und Verärgerungen zu Trennungen geführt haben, ist nicht zu verschmerzen, aber - so scheint es - keine Tür ist in diesem Fall wirklich zugefallen und verbaut. Für weite Teile der orthodoxen Welt ist das Ereignis der Wiedervereinigung von zwei in langen Jahren eher auseinandergedrifteten Institutionen ein Anlass zu großer Dankbarkeit, denn es ist ein Segen und segenreich für alle, denen die Einheit und der orthodoxe Glaube am Herzen liegen. Manches Mal könnte es so scheinen, als sei ein diplomatischer Akt vor Gott zu einem Sprungbrett geworden: nämlich zur Überwindung immer gewichtiger erscheinender Mauern und Vorurteilen, die sich in den Augen Gottes wohl allesamt als dürftige Vorbehalte erweisen werden. Die Dankbarkeit sollte umso größer sein, als sich jetzt nur noch tiefere Abgründe der Uneinigkeiten auftun in den orthodoxen Kirchen. Immer mehr tun sich allerdings auch theologische Abgründe auf, die nicht mehr kaschiert werden, da sie als gegeben präsentiert werden: die Abgründe einer Ekklesiologie, die sich noch nicht einmal mehr den Mantel der apostolischen Orthodoxie überwirft. Es ist die Ekklesiologie der Ansprüche und Vorränge, nicht mehr die der Communio und der Communicatio. Es geht scheinbar um Werte und Kultur, dabei lägen sie doch gerade im Wesen der wirklich orthodoxen Ekklesiologie begründet: Es wären die Werte der Hinordnung auf den einzigen Herrn und Hirten der Kirche, auf den Erlöser und Bischof unserer Seelen, auf Jesus Christus. Dankbarkeit und gewissenhaftes Bekenntnis sind die wesentlichen Früchte jenes aufrichtigen Wiederfindens der alten kirchlichen Communio, wie es für das "Erzbistum" und das Moskauer Patriarchat der Fall ist. Dass es Wunden und Verletzungen gab und gibt, bleibt dann nebensächlich, da sie auf der Grundlage der gemeinsamen Fundamente heilbar sind. Viel wichtiger ist aber wohl jetzt noch, dass diese Wunden endlich verbunden werden, da viele von ihnen erst jetzt wirklich angeschaut und gereinigt werden können. Wenn das geschehen ist, darf die Ausheilung in Ruhe und gründlich vor sich gehen; aber sie wird zur völligen Gesundung führen! Die Dankbarkeit dafür wird zum Gebet um die Wiederherstellung des wirklich orthodoxen Glaubens:
Auf die Gebete unserer heiligen Väter, Herr Jesus Christus, unser Gott, erbarme Dich unser!
Abonnieren
Posts (Atom)