Dienstag, 12. Januar 2021

Die Macht des Wortes - verantwortungsvoller Journalismus

Gerade jetzt im neuen Jahr muss es sauer aufstoßen, wenn eine Zeitung wie "Die Tagespost" sich zum Sprachrohr der Parteiungen macht. Auffällig ist freilich nicht nur die Parteinahme der "Tagespost" für Strömungen innerhalb der Orthodoxie, die nicht so einfach abzuhandeln sind, wie es den Redakteuren erscheinen mag. In einem jüngst erschienenen Artikel beklagt Stephan Baier die Diskreditierung des Moskauer Patriarchats in Hinblick auf die Hilfe für verfolgte afrikanische Christen. Diese Diskreditierung sei Folge der kirchenpolitischen Ambitionen des Moskauer Patriarchats, seiner Eigeninteressen. Leider unterschlägt der Autor manche Details: Er erwähnt nicht die Positionierungen der Moskauer Bischofssynode zugunsten des "Ökumenischen Patriarchats" und seiner Bedeutung, er erwähnt nicht die bei weitem komplexere Binnensituation der orthodoxen Ortskirchen - Jerusalem mit ihrer Vermittlerrolle, die anderen Patriarchate in ihrer Stellung im politischen Gefüge - und sieht folglich nur die vermeintlichen russischen Angriffe auf die Aggressoren der russischen Kirche: den Phanar, dem seine Protos-Rechte streitig gemacht würden, den Patriarchen von Alexandrien, der zum "Phanar" hält und dem deshalb "Moskau" eine Hundertschaft Priester abspenstig machen will. S. Baier verkennt scheinbar völlig die strukturelle Schwachstelle seines Argumentationsgefüges: Die "Orthodoxie" sieht sich nicht zuerst als Größe, die es zu verteidigen gilt, sondern sie sieht sich vor allem als Kirche, die im apostolischen Glauben leben möchte. Obwohl sicherlich auch Machtgefüge und Einfluss nicht auszuklammern sind, verbietet sich doch eine einseitige Argumentation, wie sie S. Baier zum wiederholten Male vorträgt und für die er sich zum Sprachrohr macht. Orthodoxerseits findet tatsächlich ein Kampf statt: es ist der um die Orthopraxie, das rechte Handelns. Nicht umsonst hat das Außenamt des Moskauer Patriarchats betont, dass eine Übernahme von Priestern des Patriarchats von Alexandrien zuerst einmal nicht wünschenswert ist, da sie zu einem anderen Patriarchat gehören. Legitim wäre ein solche Übernahme erst dann, so ist zu folgern, wenn das Wohl der Gläubigen auf dem Spiel steht. Denn es ist die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen, um die es geht, es sind nicht Landesgrenzen oder Macht und Einfluss - was immer menschliche Unvollkommenheit auch durch die Hintertür einzubringen vermag (und was nicht abgestritten werden soll). Daher wäre es wichtig und wünschenswert, wenn auch im Journalismus die Macht des Wortes gebührend Beachtung fände. Es brauchte keine Lobhuddelei auf wen auch immer sein, aber eine einigermaßen ausgewogene Berichterstattung verdient auch jemand, dem ich nicht meine Sympathie entgegenbringe.

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