Dienstag, 25. Januar 2022

Aktuell und ergänzend zur Einschätzung des Ukraine-Konflikts - die "nouvelle théologie"

Es ist und bleibt verstörend und verletzend für die Christen, dass aus der christlichen, kirchlichen Gemeinschaft Beauftragte - Kleriker also, die ausgesondert wurden, folglich auch nicht durch Anspruch und Willen diesen Dienst übertragen bekamen - durch Unversöhnlichkeit und mangelnde Kommunikationsbereitschaft alle anderen mit sich in den Strudel der Entzweiung reißen. Denn, wie kürzlich dargelegt: Es geht nicht mehr um Kirchenpolitik, auch nicht um Geopolitik, auch nicht um Rache. Es geht jetzt um die Kirchlichkeit. Ein bescheiden daherkommender Begriff von enormer Tragweite. Wie es scheint, läuft alles hinaus auf eine Verdeutlichung der Positionen. Wo kann die orthodoxe Kirche nicht nur "kanonisch", sondern auch in ihren Mysterien und in ihrem Charisma weiterleben und weiter ihrer Sendung treu bleiben. In einem englischsprachigen Artikel wird dieses Problem von einem Bischof der griechischen Kirche aufgeworfen. Als Verteidiger der russischen Position im Ukraine-Konflikt sieht er in der Einrichtung eines Exarchats in Afrika durch die russische Kirche einen schweren Fehler, einenen Gesichtsverlust der russischen Kirchenpolitik, die er bislang ja unterstützt hatte. Genau hier zeigt sich die beklemmende Verzerrung der Positionen, je nach Penchant und Kulturkreis, so will es bald scheinen. Metropolit Seraphim, um dessen Position es hier geht, hat canones, Rechte, Bestimmungen und ein "Protokoll" innerkirchlicher Beziehungen vor Augen. Er sieht den Konflikt zwischen dem Phanar, Moskau und Alexandrien als misslungene geopolitische Aktion dreier sich mittlerweile nicht mehr verstehender Bürokratien. Dabei ist man geneigt, die Position der russischen Kirche ganz anders einzuordnen: Ist es wirklich zu weit hergeholt, die Gnadengaben des Heiligen Geistes an die menschliche Einwilligung zu binden, für diese Gnadengaben auch empfänglich zu sein? Ist es unverständlich, wenn das Evangelium eindeutige, strenge und unmissverständliche Worte findet, wie die Beziehung zwischen Gott und Mensch gelingen kann? Ist es weiters missverständlich formuliert, wenn die Mysterien der Kirche nicht auf Hochrechnung bestimmter vorhandener oder nicht vorhandener Komponenten funktionieren, sondern aufgrund der gesamten und intakten divino-humanen Realitäten des Kirche-Seins? Erzbischof Anastasius von Albanien hat unmissverständlich betont, dass genau diese Realität zerbrochen ist, wenn die Versöhnung fehlt. Er kann sich dabei stützen auf die Worte des Evangeliums, die jedes Opfer nichtig nennen, das unversöhnt dargebracht werden soll. Versöhnt heißt hier nicht: Unterscrhreibe eine offizielle Aktennotiz der Versöhnung und die Rechnung stimmt wieder. Versöhnt heißt hier konkret: Räume zuerst die Unversöhntheit aus der Welt, und zwar vor Gott und der Kirche, vor allen Beteiligten ("... versöhne dich zuerst mit deinem Bruder ...", Matth 5,23f.) Es reicht bei weitem nicht, symbolisch im Tempel den Zerknirschten zu mimen - bei fortdauerndem Hass, Unversöhntheit und Gewalt ist die Maske der Versöhnung eine Täuschung. Dass man zwei kirchliche Strukturen in Afrika hat, ist ein Akt der Verzweiflung, nicht der Geopolitik, erst recht nicht der Kirchenpolitik. Alle sind von nun an betroffen, denn alle haben sich zu sorgen um die Kirche, die nicht auf Gesetze und Protokolle gegründet ist, sondern auf Jesus Christus, der nicht Grieche, nicht Russe, nicht Serbe oder Rumäne oder Römer war. Dass der Herr der Kirche nicht nur war, sondern auch ist und sein wird, macht jede Kirchen- oder Geopolitik so erbärmlich für die Gewinner und für die Verlierer, ob sie es merken oder nicht. Für uns ist es ein Trost: Die Erbärmlichkeit wird keinen Bestand haben, wenn wir festhalten am Evangelium.

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