Mittwoch, 2. Februar 2011

Mariae Reinigung - Lichtmess - Fest der Begegnung... und die Liturgie


Das erklärte Ziel der Liturgiereform in der römischen Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil war die tätige Mitfeier der Liturgie von Gemeinde und vom Volk Gottes, wie man gern sagte. Wurde das Ziel wirklich geradlinig ins Auge gefasst? Mir kommen Zweifel, wenn ich die Praxis sehe.
Abgesehen von den alltäglichen Unsäglichkeiten der "actuosa participatio", die in Form einer aktiven Teilnahme oft immer noch eingefordert wird, bleibt manchmal kein Auge trocken, wenn die "Aktivität" realiter ins Blickfeld rückt. "Purer Klerikozentrismus" fällt mir dann ein. Eine Errungenschaft der römischen Liturgiereform schien der Abschied vom Rubrizismus zu sein. Der ist freilich tatsächlich neueren Datums, kann sich nicht auf Phrasen stützen wie "Liturgie aller Zeiten" u.ä.M.(m.). Unsere Zisterzienserliturgie, die als solche ihre Zeugen hat in der Literatur der ersten Jahrhunderte der zisterziensischen Ordensgeschichte (Caesarius von Heisterbach z.B.), sie kennt den schönen Brauch der Darbringung der Kerzen an Mariae Reinigung / Lichtmess. Und was für ein Bild bietet sich heute oft? Die Zurüstung des Altars - ein Ritus, den der Priester als Beauftragter der Kirche, legitimiert durch die anwesende Gemeinde (!) vollzieht - sie geschieht unter dem hockenden Blick der Gemeinde, die sitzt und hoffentlich das Geheimnis betrachtet, das vollzogen wird. Wo ist hier die Liturgiehistorie? Unterstützt die Gemiende auf solche Art ihren Beauftragten, indem sie sich bei dieser heiligen Handlung hinsetzt, als wäre sie nicht beteiligt, als würde ein purer Veraltungsakt getätigt? Und am Festtag der Reinigung Mariens kommt der schöne Ritus der Opferung der Kerzen hinzu. Hier wird die Gemeinde noch mehr geadelt, als sie es sonst eigentlich schon ist. Sie darf nicht nur die "Benedicta", die heiligen Gaben von Brot und Wein, darbringen, sondern auch die geweihten und brennenden Kerzen, mit denen sie eben zur Liturgie gezogen ist. Überholt? Zu aufwendig? Veraltet? Gar: Demütigend?? Das Gebet zur Benediktion der Kerzen schließt mit dem Blick auf den Bräutigam, Christus, dem wir mit brennenden Herzen entgegengehen wollen. War das eine überholte Liturgie?

Dienstag, 1. Februar 2011

Wo der Glaube verdunstet


Wer genau von "Glaubensverdunstung" gesprochen hat, kann ich nicht mehr sagen - ein berühmtes Zitat ist es jedenfalls. Wenn ich an das Phänomen der Glaubensverdunstung denke, dann kommt mir zuerst in den Sinn, dass damit nicht nur das Bekenntnis zum christlichen Glauben gemeint ist, das ich ablege, wenn ich amtliche Dokumente ausfülle oder statistische Angaben zu meiner Person mache. Gemeint ist vor allem das Glaubenswissen, das immer mehr verdunstet: Das Bild ist sehr ansprechend, obwohl die Folgen verheerend sind. Was verdunstet, das schleicht sich davon und verpufft, nicht ohne sich doch bemerkbar zu machen. Das konkrete Bild läßt an Dunst und Nebel denken. Vernebelt und dunstig ist die Sicht auf den Glauben und die Glaubenspraxis allemal. Ich möchte nicht auf dieses oder jenes hinweisen, sondern konkret bleiben. Das Glaubenswissen im deutschen Zisterziensertum verdunstet langsam. Zu sehen ist die Glorie der Vergangenheit - die Kultur, die Kunst, die große Zeit der Klöster mit ihren Barockbauten, den gotischen Kleinodien, den hoffnungsvollen Neuanfängen nach der Säkularisation. Doch ist das wirklich das Fundament? Beileibe nicht! Der Grund- und Eckstein ist Christus. Gotik ohne Gott trägt nicht weiter. Barock ohne Gott ebensowenig. Niemand muss hinter der These stehen, dass alle Kunst und alle Kultur ohne die christlichen Grundlagen in unseren Breiten inextistent wären. Es wäre allerdings vermessen zu behaupten, dass die kulturelle Entwicklung ohne das christliche Fundament gleich gediegen und ähnlich fruchtbar verlaufen wäre.
Im Mönchtum ist es nicht anders. Es hätte nicht der zisterziensischen Abenteuerlust bedurft, um Großes zu leisten. Andere und gleichwertige Bewegungen hätten wohl nicht weniger kraftvolle Kulturarbeit getan. Dass es Cîteaux jedoch gibt und dass hier eine Spiritualität existiert, die einzigartig und berühmt ist, darf nicht dazu führen, die Wurzeln zu vergessen. Cîteaux und seine Geistigkeit läßt sich für mich engführen auf das Wort: Gott allein suchen. Wenn jetzt Einwände sich erheben und solipsistische Tendenzen unterstellen, dann verdunstet da schon ein Großteil der Quelle, die sich aus dem Evangelium speist. Gott allein suchen, dazu brauche ich den Menschen, dazu brauche ich die Gemeinschaft, die soziale Struktur und Stütze. Aber ich brauche keine krampfhafte Selbstbestätigung - nur das nicht. Und das ist das Schwerste. Allein damit hätte ich meine Kampfkraft erprobt und im Sieg Großes geleistet. Denn die Gemeinschaft der Heiligen, die Gemeinschaft der Kirche brauch nicht so sehr die Helden, die im Leib Christi gleichsam alle Gliedmaßen vertreten können. Die Kirche braucht zuerst und hier und jetzt diejenigen als Zisterzienser, die erstmal fähig sind, Gott allein zu suchen. Ein beunruhigender Gedanke, dass Glaubensverdunstung hic et nunc aufzuhalten ist durch die einfachste aller Handlungen: durch demütige und simple Treue im Gottesdienst.

Freitag, 28. Januar 2011

Ein sonniger Wintertag ...












... der das Herz aufgehen läßt und der Seele wieder die Sicht auf Wesentliches freischaufelt...

Donnerstag, 27. Januar 2011

Notre-Dame de l'Atlas / Tibhirine - fr. Christophe Lebreton, Fortsetzung


[15/01/1994]

Wo ist die Treue? Wer gehorcht? Der sagt und bekräftigt, vorschnell und sich seiner sicher: ich werde niemals weggehen von hier.
Oder der andere, der gesagt hat: ich werde abhauen, und der immer noch da ist...
ausharrt in deiner Lehre (EVANGELIUM hier und heute)
im Kloster bis zum Tode
(der so nahe ist und doch bedrohlich bleibt)
- teilnimmt an deinen Leiden, Christus, unser Osterlamm
durch die Geduld
um zu betrachten
um deines Reiches
Teilhaber zu sein
in die Eucharistie,
in Christus verwandelt.
Im Kloster bis zum Tod - ja, wenn und wie du willst, doch nicht jenseits einer zu deiner Lehre lebendigen Treue: zu dem, was der Geist uns gesagt hat in dieser Zeit der Kirche.
Aber was hat der Geist uns denn gesagt?
Mir will scheinen, dass das die Kirche betrifft "im Haus des Islam". Unsere Nachbarn haben mitbekommen, dass wir bereit waren, wegzugehen... quasi ohne es zu wollen. Ohne alles sagen zu können - denn es ist nutzlos, da sie wissen viel mehr als wir begreifen können - wurden Botschaften in Umlauf gebracht: wir können weder dem Wali, noch den Widerstandskämpfern gehorchen, sondern wir möchten hier Mönche bleiben, Menschen des Friedens und des Gebets... und der Arbeit.
Das Massaker an den Kroaten hat uns doch traumatisiert. Ja, hat es, denn wir werden nicht durch die Klausur abgeschottet. Sie bezeichnet einen Raum des Empfangens, sie steht für ein geöffnetes Herz: das verwundet wurde durch das Leid dieser Welt; und sie ist eine Entscheidung der gekreuzigten Liebe angesichts der Feinde.
Unsere Überzeugung, das Kloster verlassen zu müssen, erhielt eine lebhafte Bestätigung durch die Ereignisse des 24/12 [Ermordung der Kroaten] und wurde unterstrichen von Christian. Unsere christliche Gemeinschaft, hat sie dieses Massaker laut verurteilt?

Diese tiefe Unsicherheit quält mich:
wir
Mönche
Psychotiker
Künstler der Beklopptheit

und sie sagen:
Betet für uns
und lasst uns Entscheidungen treffen
zu denen ihr unfähig seid.

[...]

(Aus: Le souffle du don. Journal de fr. Christophe. paris, Bayard éditions, S. 43-44)

Mittwoch, 26. Januar 2011

Die hl. Gründerväter von Cîteaux ... und Bileam

Durch Zufall bin ich heute auf eine gereimte Fassung der Bileamgeschichte gestoßen. Und heute feiern wir auch noch das Fest der Gründerväter von Cîteaux. Was für ein Zufall. Da ließe sich doch in moderner Manier eine schöne sozial angehauchte Analogie herleiten. Leider fällt mir zu dieser Zusammenschau nur wenig sozialkritisches Geschwafel ein. Ich darf allerdings erkennen, dass der Mensch ungeheuer viel Dummheit mit sich schleppt. Bileam und seine Eselin - wir erinnern uns: das Tier sieht den Engel des Herrn auf dem Weg, während Bileam blind bleibt und sich nur in die Gewalt flüchten kann. Bileam und die Eselin also stehen für zwei Geschöpfe, die sich ihrer berufung gemäß durch's Leben schlagen. Bileam vergißt während dieser Begebenheit alles, was die Eselin ihm bislang an Diensten erwisen hatte. Bileam schlägt zu - ein dummer Esel hat zu gehorchen, auch wenn sein vermeintlicher Herr viel zu dumm ist, die Realität zu begreifen. Der Engel des Herrn gehört in diese Realität und steht für die Wirklichkeit, die bei aller Objektivität und allem realen Unterscheidungsvermögen den Weg versperrt. Die Gründer von Cîteaux hatten in ihren Herzen eine unbändige Liebe und ein grenzenloses Vertrauen: Sie wollten die Augen ihres Körpers und ihres Herzens offenhalten für den Engel des Herrn, für die Wirklichkeit, die das tumbe Auge verschielt, und für die barmherzige Liebe unseres Gottes, die uns aufstrahlt aus der Höhe. Einzig deshalb sind sie in eine reale Wüste gezogen, haben sie eine authentische Armut auf sich genommen und haben für sich ein Leben gewählt, dass ohne dieses Herzensauge reichlich psychopathisch anmuten würde. Es lohnt sich sicher, die Begebenheit von Bileam und seiner Eselin mit neune, glaubenden Augen zu lesen. Die Eselin ist die große Sehende, und vielleicht braucht die Kirche viel mehr Esel und viel mehr störrische Demut, um hinter der wohlgeordneten, juristisch einwandfrei gepflegten Fassade die Gnade der verletzten Liebe zu entdecken. Zumindest die hl. Väter Robert, Alberich und Stephan weiß sie dann auf ihrer Seite!

Samstag, 15. Januar 2011

Mönchtum am Rande


Rencontre Internationale et Interconfessionelle de Religieux/ses. In diesem Jahr fand das Treffen des E.I.I.R. im Rila-Kloster in Bulgarien statt. Leider konnte ich nicht teilnehmen. Am 12. Juli, einen Tag vor dem Beginn des Treffens, ist Dom André Louf heimgegangen, der sich eigentlich noch zum Treffen angemeldet hatte. Durch Zufall hatte ich die Todesanzeigen durchgesehen und war erstaunt, Dom André unter den Verstorbenen zu finden! Wenn vom "Mönchtum am Rande" die Rede ist, soll das nicht auf marginale Strömungen oder ähnliches bezogen sein. Mönchtum am Rande bezieht sich viel mehr auf die wesentliche Funktion des Mönchtums als Randerscheinung. Es werden niemals die Massen der Gläubigen als Mönche oder Mönchinnen diesen Weg einschlagen. In der Kirche steht das Mönchtum deshalb zahlenmäßig am Rande - auch das allerdings ein Denkmuster, das allzuviel vom Denken der säkularisierten Gesellschaft widerspiegelt. Dom André hat das Mönchtum am Rande gelebt, als Einsiedler, als Wanderer zwischen zwei Traditionen - der zisterziensischen und der kartusianischen, als Wanderer auch zwischen den Traditionen der Kirchen. Nicht etwa, dass er synkretistisch angehaucht war: Er kannte seine eigene Tradition zu genüge, um sich des Schatzes bewußt zu sein, die sie birgt. Aber Dom André konnte sehr prägnant in Frage stellen, was bestimmte Traditionen festgefahren und selbstbewußt als unumstößlich weitergeben wollten. Das ist das "Mönchtum am Rande", das schmerzhaft erfahren muss, wie wenig von der Botschaft Christi angekommen ist, wenn die Menschen nicht auf Christus schauen, sondern auf Idole, auch das Idol der absoluten Wahrheit, die nur der Dreifaltige Gott sein kann. P. André Louf hatte ein großes Herz, das auch marginalen Mönchen zu vermitteln wußte, was wirklich wichtig ist. Vielleicht muß unser Mönchtum immer am Rande leben, um ganz im Zentrum zu sein?
(Photo: E.I.I.R. news)

Dienstag, 11. Januar 2011

Notre-Dame de l'Atlas / Tibhirine - fr. Christophe Lebreton, Fortsetzung


Aus fr. Christophes Tagebuch.

[29/12/1993]

Mohammed: "Ihr habt immer noch eine Hintertür, durch die ihr verschwinden könnt.
Für uns gibt es keinen Ausweg, keine Tür. Hier sind wir in der schönszen Ecke der "wilaya", von ganz Algerien sogar, und sie [die islamistischen Extremisten] wollen ..."

Es steht hier mehr im Raum als nur die Verteigigung eines Klosters.
"Die Sendung des Volkes, das leidet" öffnet das Haus des Gebets weit.

Mohammed wartet, wie Simeon im Tempel (und das seit er jung war!) - dieser gerechte und eifrige Mann -, er wartet auf TROST.
Die Kirche, auch das algerische Volk: ihre Seele hat ein Schwert durchbohrt.

(Le souffle du don... Paris, Bayard 1999, S. 35/36. Photo: WikimediaCommons, Bildautor: Ps2613)