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Mittwoch, 16. Februar 2022

Die Causa ROCOR - Rue Daru

Gott sei Dank! Die Versöhnung der zwei "Geschwister" konnte durch eine Einigung, durch persönlichen Kontakt und durch die Berufung auf die pastorale Notlage herbeigeführt werden. "ROCOR", also die russische Auslandskirche, ist ein historischer Teil des jetzigen "Archevêché des églises orthodoxes de tradition russe en Europe occidentale": Beide Institutionen haben seit ihrer Gründung als eine einzige Entität im Jahr 1920 unterschiedliche Richtungen eingeschlagen. Die ROCOR wurde schon bald, mindestens ab Mitte der 1920er Jahre, die oberste Institution für die russisch-orthodoxen Gemeinden außerhalb der russischen Grenzen. Relativ bald erfolgte der Bruch mit dem Moskauer Patriarchat aufgrund der politischen und dadurch auch kirchlichen Situation (bis 2007). Die Institution "Archevêché" (Rue Daru, Paris) verselbständigte sich ab Mitte der 1920er Jahre ebenfalls. Sie wurde geleitet vom Metropoliten Eulogius, dem 1921 die gesamten russischen Auslandsgemeinden unterstellt worden waren, auch jene der späteren ROCOR, der aber seine Rechte nicht durchsetzen wollte und sich daher auf die damals mit "Westeuropa" umschriebenen Gebiete (Teile des heutigen Ost-, sowie Mittel-, Nord- und Südeuropa) beschränkte. Seine Jurisdiktion unterstellte sich, ebenfalls aus politischen Gründen, ab 1930/31 dem ökumenischen Patriarchat (bis 2019). Der Streit zwischen den Diözesen von Großbritannien und "Rue Daru" entbrannte aufgrund von Rechtsfragen. Die unterschiedliche Handhabung der Kirchendisziplin führte mindestens ab Anfang 2021 zu Spannungen innerhalb des ROCOR-Bistums, die nicht zu lösen waren. Diese Situation sollte durch eine pastorale Hilfskonstruktion abgemildert, wenn nicht gelöst werden: Das scheiterte nicht nur aufgrund von Verständigungsproblemen; es belastete auch andere Institutionen außerhalb Großbritanniens. Dass beide, ROCOR und Rue Daru, sich nun versöhnen konnten, ist ein sicher notwendiger und - ebenso sicher - auch segensreicher Schritt. Nicht die eigenen Rechte, die "Orthodoxie" der kanonischen Wahrheit, auch nicht die bessere Rhetorik dürfen allerdings ausschlaggebend sein, wenn es um die Sendung der Kirche geht: Jeder der Beteiligten, den jetzt das einigende Band der communio wieder verbindet, darf mit Blick auf das Evangelium und auf den Auftrag der Kirche dankbar sein über das Geschenk der Versöhnung. Sind alle Beteiligten nun wirklich ins Boot geholt worden? Die Verlautbarung der ROCOR ist klar: Nein, es gibt Menschen, denen die Versöhnung der beiden Institutionen nicht zu einer Lösung ihrer Gewissensprobleme hat verhelfen können. Mit Blick auf das Kirche-Sein heißt das: Diese Menschen tragen weiterhin schwer an dem, was Auslöser und Grund der Entzweiung war. Sie tragen diese Last womöglich für all diejenigen, die jetzt wieder in communio stehen. Aus der Position des Unbeteiligten heraus gesprochen - falls es das in der Gemeinschaft der Kirche überhaupt geben darf! - kann das nur bedeuten: Die Kirche ist aufgefordert, sich bewusst zu machen, dass sie verantwortlich ist für die Menschen, die jetzt noch unter das Joch des Zwistes gebeugt sind. Der Sonntag des Zöllners und Pharisäers hat uns das deutlich machen wollen: Der Zöllner hat durch seine Worte "Gott, sei mir Sünder gnädig!" nicht eine rhetorische Demutsfloskel gebraucht, die ihn besser macht als den Pharisäer. Der Zöllner ist ein Sünder, vielleicht ein Betrüger, ein Helfershelfer der Okkupation und der Kolonialherrschaft. Sein Gebet bezieht sich auf wirkliche Schuld und Sünde! Aber er sieht, was falsch ist, was verdreht und "gottlos" ist an dem, was ihm als Ideologie vielleicht Halt und Kraft gegeben hatte. Der Pharisäer ist vor dem Gesetz zumindest in löblicher Weise gerechtfertigt. Er hält sich an das, was die Tradition und eine rigoristische Auslegung der canones vorschreiben. Aber ihm fehlt das Wesentliche: Er sieht nur sich und Gott, da ihm der Zöllner zwar auffällt, aber nur, um im besseren Licht dazustehen. Der Kirche ist ein solcher Blick verwehrt. Ohne alle anderen, die Geachteten oder Verachteten, die Geehrten oder auch Unehrenhaften, die Selbstsicheren oder Zweifelnden, die Machtbesessenen oder Unterdrückten, gibt es die Kirche nicht und gibt es keine Erlösung. Da trifft die "Causa ROCOR - Rue Daru" auf das Schisma in der Kirche: Es braucht die Versöhntheit und die communio und es braucht die mutige Entscheidung zur Versöhnung nach dem Vorbild des Zöllners, es braucht aber auch die Erkenntnis, was denn wirklich verdreht ist am Denken des Pharisäers. - Wie selbstverständlich, mit Betroffenheit gar, wünsche ich mich in die Rolle des Zöllners. Aber ich sehe nicht, dass die Haltung des Pharisäers in mir unbemerkt die Oberhand gewonnen hat, da sie pragmatisch ist, schlüssig und ... zutiefst unmenschlich.

Samstag, 13. Oktober 2012

Metropolit Euloge (Paris) - eine packende Autobiographie

Der Metropolit des Erzbistums der russischen Gemeinden in Westeuropa, Euloge bzw. in Transkription Evlogij, hatte einen bewegten Lebensweg hinter sich, als er 1946 in Paris, Rue Daru, starb.
Bischof in den westlichen Gebieten des russischen Reichs (also konfrontiert mit dem Wirken der römischen und unierten Hierarchen in der Ukraine und in Polen bzw. Österreich, Mitglied der dritten Duma, des russischen Parlaments, Teilnehmer am Moskauer Konzil von 1917, bei dem nach jahrhunderterlanger Pause ein neuer russischer Patriarch gewählt werden konnte: alles das verdient es, der Nachwelt übermittelt zu werden. Metropolit Euloge hat das gegen Ende seines Lebens, im Jahre 1938, in mühsamer Arbeit getan. Daraus ist eine 1947 veröffentlichte russische Autobiographie geworden, die lange Jahre auf ihre Übersetzung ins Französische warten musste. Nachdem im Jahre 2000 die Übersetzung abgeschlossen war, konnte die französische Fassung endlich als erster Band der "Presse Saint-Serge" erscheinen. Das "Institut de Théologie orthodoxe Saint-Serge Paris" hatte einen eigenen Verlag gegründet und mit diesem wichtigen Werk seine erste Publikation verwirklichen können. Metropolit Euloge gehört zu den Gestalten der neuen Kirchengeschichte, denen große Verantwortung und schicksalhafte Entscheidungen zufielen. Zuerst Oberhaupt der "Russischen Kirche außerhalb der Grenzen [Rußlands]", als solcher durch (kirchen-)politische Intrigen abgesetzt, unterstellte er sich und seine Gemeinden dem Patriarchen von Konstantinopel - nachdem nicht wenige Gemeinden diesen Schritt nicht zustimmten und unter der Jurisdiktion der "Auslandskirche" verblieben waren, die sich erst 2007 wieder mit der russischen Kirche verband. Diese Komplikationen konnten allerdings nicht verhindern, dass sich die Jurisdiktion der "Rue Daru" (benannt nach dem Hauptsitz an der Kathedrale St. Alexandre-Nevskij, Rue Daru, in Paris) gut entwickelte: Das theologische Institut besitzt namhafte Professoren, deren Veröffentlichungen teilweise auch in deutscher Sprache zugänglich sind (Lossky etc.), die Gemeinden verteilen sich auf ganz Europa und haben einen teilweise vorbildlichen Integrationsprozess hinter sich: Es sind nicht mehr Ghetto-Gemeinden russischer Nostalgie, sondern Zentren authentischen orthodoxen Christentums.
Das Andenken des Metropoliten Euloge in hohen Ehren zu halten, ist also mehr als nur ein Auftrag, sondern eine Dringlichkeit. Sein Werk ruht auf den Schultern nicht weniger Heiliger: z.B. der hl. Mutter Maria Skobtsov von Paris, des hl. Alexis von Ugine, dessen zweiter Festtag der heutige 13. Oktober ist, und weiterer Bekenner und Märtyrer.