Freitag, 12. April 2013

Cura animarum - das Kloster, die Kranken, die Gemeinschaft

Monte Sión - Photo: ocso.org
Auf der Webseite des Ordens - siehe hier - wurde gestern die Nachricht veröffentlicht, dass ein neues Kloster am 6. April offiziell eingeweiht werden konnte: Monte Sión in Toledo, Spanien. Wie die Überschrift schon verrät, handelt es sich um ein Kloster der anderen Art, ein medizintechnisch voll ausgestattetes Kloster für Mönche und Monialen der verschiedenen Zisterziensergemeinschaften Spaniens, jurisdiktionsübergreifend. Die Einrichtung eines solchen "Infirmariums", das nicht zu einer ganz bestimmten Klostergemeinde gehört, ist für die Zisterzienser in dieser Form Neuland. Dass man eine solche Lösung in Angriff nehmen musste, ergibt sich aus verschiedenen Überlegungen:
Die Gemeinden werden kleiner und älter, und gleichzeitig kann die moderne Medizin Erstaunliches bewirken, wenn es um die Vitalität und die Heilung von Älteren oder chronisch Kranken geht.
Die Schwestern oder Brüder, die für die Versorgung der Kranken in den Gemeinschaften zuständig sind, brauchen umfassende Ausbildungen, um ihren Dienst überhaupt verantwortlich ausüben zu können.
Der Lebensrhythmus in vielen Klöstern musste sich, oft notgedrungen, an den krankheitsfördernden Lebensrhythmus des Zivillebens anhängen. Das heißt: Aus der wirklich christlichen Zeit wurde oft eine unchristliche - eine Zeit, die nicht Gott und seine Schöpfung im Blick hat, sondern die diktatorische Zwänge der entmenschlichten und scheinbar objektivierten Maß-Zeit.
Alte und Kranke haben in diesem Zeitschema im zivilen Leben selten Platz und werden zu Kunden. Im Kloster zeigen sich die Folgen der "Zeitkrankheit" auf andere Weise. Die Schwestern und Brüder sind oft gezwungenermaßen durch ihre Arbeit und die Notwendigkeiten des Lebens gleichsam solidarisch Kranke in diesem Zeitsystem, manchmal auch gefangen in den alten Mustern ihres Lebens vor dem Klostereintritt. Fatal wirken sich diese Zwänge aus auf die alten und kranken Mitschwestern und -brüder. Ihr Lebensrhythmus darf anderen Zeiteinheiten folgen, als denen einer Funkuhr oder eines sozialversicherungstechnisch gesteuerten Arbeitstages. Deshalb sind die Infirmare der Gemeinden oft nicht nur ausbildungsmäßig, sondern auch kräftemäßig überfordert, da kompetente Hilfe - wo sie von außen in Anspruch genommen werden kann! - in den engen Grenzen der Bürokratisierung arbeitet. Das Infirmerie-Kloster Monte Sión könnte diesem Grundübel der modernen Gesellschaft einerseits gezielt entgegenstehen, indem es in der christlichen Zeit lebt, andererseits entspricht es nicht dem, was das benediktinische Mönchtum ausmacht: Die Gemeinde ist nicht Zweckverband, um besser vor der Welt bestehen und in ihr wirken zu können, sondern zuallererst eine wirkliche Familie, die in den Blutsbanden der Communio eine Einheit und eine komplette Lebensgemeinschaft bildet. Die Älteren und Kranken aus ihr herauszulösen, weil die Versorgung nicht mehr gewährleistet werden kann, ist eigentlich immer ein letzter Schritt, wenn alles andere aussichtlos ist. Allerdings ist das neue Kloster Monte Sión auch ein Zeichen der Demut: Dass der Mensch, obwohl er bis zu einem gewissen Grad verantwortlich ist für seine Mitmenschen, letztlich und Gott sei Dank am Perfektionismus scheitern wird. Und dass die Perfektion der Liebe tatsächlich allein in der Gemeinschaft mit Gott zu finden ist. Vielleicht gelingen die schmerzlichen Schritte der zahlreichen leidenden Schwestern und Brüder, die ihrer Reifung und ihrer Lebensernte entgegensehen, aus ihren Gemeinden heraus auf das neue Terrain in Monte Sión. Es könnte ja tatsächlich als klösterliches Paradies zum Abbild des Himmlischen Jerusalem werden.        

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