Samstag, 23. Oktober 2010

"Des hommes et des dieux" - Tibhirine und seine Botschaft


Schon bei den Filmfestspielen 2010 in Cannes wurde dieser Film ausgezeichnet. Mit Spannung erwartete man seine Kinopremiere am 8. September in Frankreich. Das Magazin von "Le Figaro" hat mittlerweile schon zwei Ausgaben in kurzen Abständen auf den Markt gebracht, die sich mit den Mönchen von Notre-Dame de l'Atlas in Tibhirine, ihrem Leben, ihrem Blutzeugnis und ihrem Vermächtnis auseinandersetzen. In Frankreich hat der Film unerwartet viele Zuschauer in die Kinos gelockt. Französische Mitbrüder des Ordens, die um die Ereignisse in Tibhirine wissen, loben diesen Film und sprechen von einer gelungenen Verfilmung. "Le Figaro - magazine" schreibt auf der Titelseite der Ausgabe N° 1564 vom 16. Oktober 2010: "Die Mönche, die Frankreich erschüttern. 'Les hommes et les dieux': Die Gründe für einen unglaublichen Erfolg."
Diese Gründe sind wohl im Blutzeugnis für Christus zu suchen, das die sieben Zisterzienser von Tibhirine 1996 gegeben haben. Es ist ein Zeugnis jenseits aller Häme und triumphalistischen Verachtung des Aggressors - hier des Islam in Gestalt fundamentalistischer Vertreter und einer Staatsgewalt, die machtlos den Übergriffen der algerischen Untergrundbewegungen ausgeliefert war. Bis heute ist nicht geklärt, wen die Schuld am gewaltsamen Tod der Mönche trifft. Ihr Tod durch Gewalteinwirkung, ihre Entäußerung selbst noch im Tode - gefunden wurden nur ihre Häupter -: alles das sind die Konsequenzen eines Lebens, das sich vor allem als Geschenk verstand - ein Geschenk an Gott, den die Sieben verherrlicht wissen wollten, gerade auch durch ihr bedingungsloses Eintreten für die Gewaltlosigkeit und ein entschieden friedvolles Miteinander jenseits aller Glaubensunterschiede. Das Zisterzienserleben will eigentlich stete Vorbereitung sein auf das "Martyrium": Es ist letztlich eine unbedingte Aufmerksamkeit auf die Gegenwart des dreifaltigen, allmächtig liebevollen Gottes in unserem Leben. Vielleicht ist das einer der Gründe für die Erschütterung Frankreichs, wie Le Figaro schreibt?
Der Film kommt am 16. Dezember 2010 in die deutschen Kinos.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Tag der deutschen Einheit

Unser Nationalfeiertag sollte Anlass zu froher Besinnung sein: 20 Jahre Wiedervereinigung eines Volkes, das während langer Jahrzehnte getrennt war. Wenn man, wie ich, familiäre Wurzeln im heutigen Polen hat, dann weiß man das Geschenk der Einheit zu schätzen. Es geht nicht um die Freiheit zu reisen oder zu schreiben. es geht um die Gewissheit, dass die Menschen in einer offiziellen Form um das Band der Einheit wissen, das sie vereint. Der "Tag der deutschen Einheit" ist deshalb ein Tag des Dankes und der Freude - aller Schwierigkeiten zum Trotz, die die Zusammenführung zweier Staatssysteme mit sich gebracht hat.
Nicht anders kann es in geistlichen Lebensgemeinschaften sein: Auch hier brauchen wir sichtbare Zeichen der Einheit innerhalb der Familie. Meine eigene, die Zisterzienserfamilie, ist seit Jahren auf dem Weg. Dabei reicht es nicht, diesen schönen Begriff vorzuschieben und zu sagen: "Das ist schon unsere Einheit; so müsen wir sie auffassen und realisieren." Es fehlt ein wichtiges Fundament: das offizielle Band. Erst dieses Band, das uns als offiziell zusammengehörig auszeichnet, wird auch letzte Mauern ideologischer oder fundamentalistischer Art fallen lassen. Wir brauchen diese Zeichen der Zusammengehörigkeit, um innere Mauern überwinden zu können und die Andersartigkeit zu akzeptieren.
Möge Gott uns die Einheit schenken!

Sonntag, 19. September 2010

Die Ästhetik des Schweigens

Als Zisterzienser stellt sich mir immer die Frage: wie steht es um das Schweigen? und wann dann oft zu hören ist, dass das Stillschweigen ein Erkennungszeichen der Zisterzienser ist, dann denke ich: Sind wir denn noch Künstler des Schweigens, Künstler der Kommunikation? Die Kunst des Stillschweigens ist sicherlich nicht in einer gut ausgedachten Zeichensprache zu finden. Sie besteht eher daraus, auch im gesprochenen Wort das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren - Gott, unserem hauptsächlichen Kommunikationspartner, ob nur mittels unseres Mitmenschen oder unmittelbar. Das Kloster als Ort des Gebets wird automatisch zum Ort des Schweigens, wenn unser Gebet echt ist. Dann werden wir sensibel für die Bedürfnisse unserer Mitmenschen und finden auch in der Trostlosigkeit das Schweigen nicht sinnlos, sondern nur schwer. Wer einmal eine Gemeinschaft erlebt hat, die echtes Schweigen praktiziert, der kann darin nichts Künstliches, wohl aber sehr viel Ästhetisches sehen. Das gute Schweigen ist wie die gute Kunst: Vor allem ist es dienendes Sein.
Es ist steht jenseits aller überholter Disziplin, deshalb bleibt es wichtig.

Samstag, 4. September 2010

Neuer Generalabt o. cist.


Am 2. September wurde in Rocca di Papa ein neuer Generalabt des o. cist. gewählt. Zum dritten Mal in diesem Jahrhundert fiel die Wahl auf einen Mönch der Mehrerauer Zisterzienserkongregation, nach Abt Kassian Haid von Wettingen-Mehrerau und Abt Sighard Kleiner von Hauterive zum zweiten Mal übrigens auch ein Mönch von Hauterive.
Generalabt Mauro-Giuseppe Lepori hat seit 1994 die Klostergemeinde von Hauterive als Abt geleitet und war daselbst Nachfolger von Abt Bernhard Kaul.
Schon in der kurzen Zeit, die seit der jüngsten Wahl zum Generalabt vergangen ist, sind in den Medien Stimmen laut geworden, die sich durch diese Wahl neuen Wind in die alten Mauern der Zisterzienserfamilie erhoffen. Nicht nur die Österreicher (Heiligenkreuz) haben sich schnell zu Wort gemeldet und als eine Stimme aus dem Orden Hoffnungen in den Neugewählten gesetzt. Anonyme Schreiber wurden, was verständlich ist, konkreter und fordernder: Sie ersehnen für den von ihnen hochgeschätzten Zisterzienserorden einen monastischen Neuaufbruch, jenseits allen Nutzens und allen Tuns und Schaffens. Ich schließe mich diesen Wünschen von ganzem Herzen an. Auch wenn es große Ziele sind, die ins Auge gefasst werden - der geistliche Neubeginn, die endlich doch zu bewerkstelligende Einheit in der Zisterzienserfamilie, um nur zwei große Gnadengaben zu benennen - auch wenn diese Ziele tatsächlich momentan vor allem Sehnsüchte von nicht wenigen Schwestern und Brüdern sind, so zeigen sie doch vor allem herzliche Verbundenheit mit dem neuen Generalabt. Nicht nur eine Ordensfamilie, sondern auch die Kirche wäre auf dem falschen Weg, wenn sie die Geistesgaben, die Charismen, aussperren wollte.
Ad multos annos!
(Photo: Abbaye de Hauterive)

Montag, 2. August 2010

Der Gott der Mystiker? A propos... Henri Boulad

Heute habe ich eine interessante Behauptung gehört, die der bekannte Priester und Schriftsteller Henri Boulad in einem seiner Bücher vertreten hat: Gott braucht unsere Kniebeugen, unsere Verehrung Seines Bildes, unsere körperlichen Ausdrucksformen nicht. - damit hat Boulad wohl recht... Gott braucht das alles nicht, aber wir brauchen es, um auszudrücken, was uns bewegt. Natürlich wäre es nicht nötig, dass Liebende sich küssen! Natürlich sind Andenken an liebe Menschen unnütz. Aber wir Menschen würden verarmen, vereinsamen, verkümmern, wenn wir das alles nicht hätten. Deshalb haben wir die Kniebeugen, immer wieder und immer wieder. Deshalb verehren wir das hl. Bild, deshalb strengen wir uns an, fasten, üben Verzicht. Auch ohne das alles ist Gott uns nahe, näher als wir selbst uns sein können! Aber wir können unseren Teil dazu beitragen, Gott immer näher zu kommen und Gott immer näher an uns heranzulassen. Eben auch durch Zeichen und durch unser Tun.

Samstag, 19. Juni 2010

Notre-Dame de l'Atlas - anläßlich des neuen Films


Vierzehn Jahre ist es her... Die Mitbrüder von Notre-Dame de l'Atlas (oben ein Bild von E. Audrain)waren auf dem österlichen Weg, schon seit Monaten alarmiert und innerlich angespannt. Sieben unserer Brüder wurden in der Nacht zum 27. März entführt, mitgenommen, aus ihrem Kloster geschleppt. Immer wieder kleine Nachrichten, Botschaften der Entführer, Hoffnung und Bangen. Am 21. Mai hat man die stillen Zeugen enthauptet. Gefunden wurden nur die Leiber nie. Einzig die Häupter konnten in Tibhirine begraben werden. Um ihre Entführung und ihr Ende ranken sich seitdem Legenden und sich widersprechende Berichte. Erst im letzten Jahr wurde die Untersuchung in Frankreich wieder aufgenommen. Was am Ende stehen wird, ist ungewiss. Zu verworren scheint die Mitwirkung hoher staatlicher Stellen oder hoher Militärfunktionäre.
Ihr Zeugnis steht für uns. "Weder Lob noch Furcht" war der Leitsatz des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen. Daran denke ich, wenn mir die Sieben in den Sinn kommen. Jeder von ihnen hat auf seine Weise das menschliche Lebenspotenzial ausgereizt. Letztlich bleibt nur Gott allein - ihnen wie uns.
Hier ein Link, der auf den neuen Film verweist.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Terribilis est locus iste

Das Haus Gottes, das Kloster, das Oratorium des Klosters, die Räume und Gänge - ehrfurchtgebietend ist tatsächlich die Vorstellung, dass der Mönch in der Gegenwart Gottes leben darf. Sein Schweigen ist niemals zuerst disziplinär oder gar sprachlos. Das Schweigen des Zisterziensers ist vor allem Offenheit und Bereitschaft zu hören und empfänglich zu sein für die Gegenwart Gottes. Es geht sicher auch anders... Wenn die Routine in ihren festen und ausgefahrenen Spuren den Weg eben und bequem gemacht hat, wird es gefährlich. Das Gebet war für unsere frühen Väter immer körperlich fordernd. Die Rekreation war deshalb wichtig: Das stille Verweilen, Lesen oder Betrachten im Kreuzgang, im Kapitelsaal gewährte dem physisch erschöpften Körper nach Stunden intensiver Gebetsarbeit Erholung. Braucht es wirklich fernöstliche Praktiken, Klangschalen, "Meditationssitze" etc.?
Meine Augen wollen einen neuen Blick einüben. Die Gegenwart Gottes wollen sie in den Blick nehmen, die heute so gerne verstellt ist hinter kunsthistorischen Kostbarkeiten, hinter "liturgisch-pastoraler Notwenigkeit", hinter der beklemmenden Routine eingefahrener Alltäglichkeiten und Gedankenlosigkeiten.
Es muss uns um mehr gehen, als um Nutzen für die Welt und den vorgeschobenen Anspruch, den die Kirche uns scheinbar stellt. Sie fordert von uns nicht mehr, als die Treue zu dem, was das Geschenk des Heiligen Geistes an unsere geistlichen Väter war - die Wüste, in der sich Gott von einem jeden von uns finden lassen möchte.