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Freitag, 19. April 2013

Campus Galli - Eine Klosterstadt als Wellnessmuseum in Leichtbauweise?

Wall-Grabenanlage Campus Galli. Photo: meßkirch.de
Die Klosterstadt in Meßkirch wird zur Zeit kontrovers diskutiert. Man stößt auf allerhand Meinungen und Bedenken, wenn man das Netz durchstöbert. Für einen Realia-Mann wird es interessant, wenn sich die Geister scheiden und die Kontroverse sachlich begründet wird. So konnte man vor längerer Zeit schon (irgendwo?) lesen, dass "eine Architektin als Baustellenleiterin schon mal ein ganz verkehrterAnsatz" wäre, da es eine solche niemals im Mittelalter gegeben hätte. Nun läßt eine solche Aussage sich hinterfragen. Welche Vorstellung steht hinter einem solchen Satz? Wohl auch jene, dass eine Frau nicht in dieses Bild passt, wenn man "à la Plan von St. Gallen" Mittelalter spielen möchte. Das stimmt. Dann kann man jetzt lesen, dass Container, die man erst mittelalterlich verkleiden muss, dem Lebensmodell des St. Galler Klosterplans nicht angemessen seien (ein interpretierende Lesart des Kommentars); denn dann könne man tatsächlich auch amerikanisch inspirierte Phantasieländer besuchen, um sich bespaßen zu lassen. Auch das stimmt.
So verständlich diese Einwände von Personen sind, die sich Authentizität und Echtzeitcharakter wünschen - zu Recht, möchte man sagen! -, so wenig treffen sie doch auch den Lebensnerv der "Klosterstadt Campus Galli Meßkirch": Wie steril wissenschaftliche Ergebnisse für das konkrete Leben sein können, beweist die römische Liturgiereforn nach 1965. Die Liturgie ist lebendig und real, da sie mit Leben gefüllt wird von all denen, die sie feiern (im Himmel und auf Erden also!). Das Klosterstadtprojekt als experimentell-archäologische Forschungsstätte wäre sinnlos, wenn sie nicht im Heute stehen würde - mit allen Zwängen, die das mit ich bringt. Wer als Besucher des Campus Galli nur authentisch geschnittene Kleidung und Werkzeug nach eindeutig datierbaren Fundstücken besichtigt, ohne davon in sein konkretes Leben mitzunehmen, bleibt auf einem hohen, aber hohlen Niveau stehen. Die oben angesprochene Architektin ist ebensowenig anachronistisch, wie die verkleideten Container, denn beide sind nicht Selbstzweck, sondern irgendeiner Motivation geschuldet - sei es der Fähigkeit der Architektin oder der Praxistauglichkeit der Container. Wer Authentiziät wünscht, müsste tatsächlich weitergehen, als er wohl wollte: Er müsste nicht nur handgenähte Kleidung, ausschließliche Fachwerkbauweise und rekonstruiertes Werkzeug einsetzen, sondern müsste auf der Baustelle nach dem St. Galler Klosterplan auch seine Lebensumstände anpassen. Das wäre in höchstem Maße interessant und für die Wissenschaft nutzbar, denn dadurch würden tatsächlich Einblicke erlaubt, die interessant wären. Und ebenso Tatsache ist der Umstand, dass eine gedankliche Aufsplitterung bezüglich der Anwendung von mittelalterlicher Technik, Kleidung, Nahrung, Arbeitsweise, Hygiene und Frömmigkeit die Authentizität in erheblichem Maße verfälscht. Wer kann schon sagen, wie es ist, mit leerem Magen bis zur Vesper zu schuften, und auch dann nur Speise essen zu können, die ohne tierische Fette bereitet wurde (wie in der Fastenzeit für 6 volle Wochen vorgeschrieben)? Wer kann Antworten geben auf die Auswirkungen des monastischen Tagesablaufs auf die Arbeitsleistung der Handwerker und Mönche, wenn der Tag um 1.00 Uhr beginnt und um 17.00 Uhr schließt? Wer kann abschätzen, welchen Einfluss das geistliche Fundament auf eine Klosterbaustelle hat?
Wer verkleidete Container und Frauen in Führungpositionen nicht zulässt, der sollte so konsequent sein, und auch alle anderen (weiß Gott experimentell-archäologisch wesentlicheren!!!) Punkte einklagen! Und er sollte nicht vergessen, dass das Mönchtum, neben allem Geschenk und Charisma, harte Arbeit ist, die weder mystisch durchlebt, noch idealistisch hinter sich gebracht werden kann. Die Klosterbaustelle Campus Galli ist sehr sinnvoll, weil sie neben der Archäologie die heutigen Fragen und Hintergründe der Zeitgenossen nicht außer Acht lässt. Wer authentischer leben möchte, der möge damit beginnen, "in allem Gott zu verherrlichen" - schon das ist eine Lebensaufgabe!

Donnerstag, 31. Januar 2013

Domus necessaria - auch die Klosterbequemlichkeit ist Thema...

Rekonstruktion einer mittelalterlichen Latrine im ehem. Zisterzienserkloster Kirkstall (Leeds, GB)
Auf HSozuKult wird für den November dieses Jahres eine Tagung in Oberfell zur Entwicklung und kulturhistorischen Bedeutung der Latrinen angekündigt. Die Klöster sind nicht wenig daran interessiert gewesen, hygienische Standards einzuhalten. Ihre Consuetudines zeugen von einem relativ entspannten Umgang mit dem Thema der menschlichen Verdauung und natürlichen Entsorgung. Nicht zuletzt die sozialen Aspekte des Gemeinschaftslebens hängen unmittelbar mit der Praxis der Hygiene in all ihren Ausgestaltungen zusammen. 

Sonntag, 13. Januar 2013

Acey, seine Grangie und eine mittelalterliche Getreidemühle

Blick nach Osten in der Abteikirche von Acey (Photo: OCSO/Cistopedia)
Die alte (und 1873 wiederbesiedelte) Zisterzienserabtei Acey im französischen Jura - heute bekannt für ihre teilweise rekonstruierte gotische Kirche mit modernen Grisaille-Fenstern - besaß, wie alle Abteien, ihre Grangien, Wirtschaftshöfe, im näheren und weiteren Umland. Bei der Verlegung einer neuen TGV-Strecke zwischen Dijon und Mulhouse wurde in der Nähe einer dieser Grangien der europaweit als spektakulär eingeordnete Fund einer mittelalterlichen Mühle gemacht. Spezialisten aus allen betroffenen Fachbereichen graben diese Mühle / Mühlen aus und können dadurch einen noch relativ unerforschten Bereich der Mittelaltergeschichte beleuchten: die Konstruktion, die Funktion, die Qualität und das Arbeiten von Mühlen zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert. Für alle "Francophonen" HIER ein höchst interessanter Bericht des archäologischen Ausgrabungsteams!