Dienstag, 5. Mai 2020

"Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern..." (Mt 28,19)

Kathedrale Rue Daru, Paris, 2017: Bischof Nestor, Erzbischof Jean, Metropolit Emmanuel
Christus ist auferstanden!
Es ist Ostern und die Erde wartet nicht erst seit Anfang März auf die Frohe Botschaft. Und obwohl es Ostern ist, bleibt die Kirche der Welt vieles schuldig. Am sichtbarsten ist momentan die Schuld der Zersplitterung. Manche reden von Schisma, doch dazu fehlt es an Intelligenz und Größe bei de, was sich tut oder nicht tut.
Kürzlich wurde - und das ist der Anstoß dieser Meditation - eine neue orthodoxe Gemeinde in Paris (VIIème) gegründet. Es ist die Splittergruppe der alten "Krypta"-Gemeinde der Kathedrale der Rue Daru, die sich mit respektabler Mehrheit dafür entschieden hatte, ihrem Bischof zu folgen. Es gibt nun Kommentare, HIER z.B., wo es heißt: "Alexandra de Moffarts. La crypte est passé à Moscou, et une petite moitié était contre ce passage et l'a quittée." (Will heißen: "Die Krypta ist zu Moskau übergewechselt und eine kleine Hälfte war gegen diesen Wechsel und hat [die Krypta-Gemeinde] verlassen."). Verwunderlich, wie wenig dort von einer gesunden Ekklesiologie zu lesen ist. Man wechselt "nach Moskau"! Natürlich ist gemeint: Man hat das Patriarchat gewechselt...
aber der Ausdruck ist mehr als verräterisch. Man ist ebensowenig "nach Moskau" übergewechselt, wie andere Gemeinden "nach Istanbul" (wo der Patriarch des ehemaligen Konstantinopel sitzt) oder "nach Bukarest" - oder "nach Rom" überwechseln. Es steht außer Frage, dass das gesamte Vorgehen rund um das einstige "russische Exarchat" des Ökumenischen Patriarchats höchst zwiespältig, aufreibend und auch oft beschämend war, doch die Existenz von christlichen Gemeinden mit einem "nach Moskau" oder "nach Konstantinopel" etc. gleichzusetzen, verrät eine Schieflage der Dogmatik, die mehr als nur bedenkenswert ist. Es geht bei diesen Fragen keinesfalls um politische Dimensionen, auch wenn eine solche "schiefe" Dogmatik wohl zuallererst einzig von solchen auszugehen scheint. Die Kirche ist an sich a-politisch - denn sie gründet sich auf Jesus Christus, nicht auf die "polis". Wer "nach Moskau" geht, der verlässt die Kirche - so wie es jeder tut, der "nach XY" geht, um Ideologien oder Hirngespinsten zu folgen.
Und Ideologien sind bei der Causa "Rue Daru" im Spiel, und nicht wenige! Für viele der Gegner der neuorientierten Erzdiözese "Rue Daru", die jetzt wieder zum Moskauer Patriarchat gehört, war dieser Schritt ein nur schlecht kaschierter Selbstmord auf Raten durch die Moskauer Sowjet-Kirche. Manchen Kommentaren auf der oben verlinkten Seite merkt man beständig die defensive und aggressive Grundhaltung an, die scheinbar vor allem aus der Angst vor Dominanz zu leben scheint. Das ist kein Grund, auf dem das Evangelium gelebt werden kann. Die Angst gehört zu den subtilsten Waffen des Bösen, da er durch sie die Liebe überdecken kann. Und auch der Friede, mit dem sich im Evangelium sogar Christus selbst überkleidet, findet keinen Platz in einem angstzermürbten Herzen.
Was nützt es da, die Freiheit zu beschwören, wenn sie geknechtet ist, ohne es zu merken? Eine "Ortskirche" kann nicht "nach Moskau" gehen - aber sie kann auch nicht aus der karikaturhaften Profilierung als Gegenpart zu "Moskau" leben, da beides zutiefst gegen das Evangelium gerichtet ist: Der zu Christus Gehörende ist "kein Grieche, kein Jude," kein Russe und auch nicht zuerst ein orthodox Geborener, der Christ "hat Christus angezogen", wie es jetzt wieder feierlich gesungen und bekannt wurde am Osterfest. Wem das nicht reicht und wer eine andere Freiheit sucht, eine Freiheit, die er beschwört als jenseits "von Moskau" und "von Istanbul" und "von XY", dem ist zu wünschen, dass er das Evangelium neu entdecken möge. Es spricht auf jeder Seite von der einzig möglichen Freiheit für den Menschen, und das nicht nur im römisch besetzten historischen Israel, sondern auch in der verängstigten und bedrängten Welt von heute, die allen Grund hätte, befreit von Angst und Bedrängnis, in Osterjubel auszubrechen. Denn: Er ist wahrhaftig auferstanden!   

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