Samstag, 1. Dezember 2018

Russisch geprägte Orthodoxie auf dem Prüfstand


Der Synod des ökumenischen Patriarchats in Istanbul hat am Dienstag die Auflösung des "Exarchats orthodoxer Gemeinden russischer Tradition in Westeuropa" beschlossen, dem vor allem in Frankreich zahlreiche Gemeinden angehören. Es ist eine Gründung des hl. Patriarchen Tichon von Moskau. Daher seine Prägung und sein Herkommen. Erst durch die politischen Zwänge der 1930er Jahre hat sich das "Exarchat der Rue Daru" dem ökumenischen Patriarchat "provisorisch" unterstellt, nachdem die Repressalien seitens der UdSSR nicht mehr akzeptabel waren. Hier soll in dt. Übersetzung ein erhellender Kommentar ineinem französischsprachigen Forum ("Parlons d'orthodoxie") folgen, der einen interessanten Blickpunkt offenbart. Überdies scheint sich nicht wenig zu bewahrheiten von dem, was ausgewogene Kommentare schon seit längerer Zeit vermuten lassen.
"père Joachim" schreibt auf "Parlons d'orthodoxie" (in Übersetzung):
"01/12/2018 00:23
Es ist bekannt, dass die Gesamtheit der Professorenschaft des Institut Saint Serge, in der Vergangenheit, immer den "PROVISORISCHEN" Charakter der kanonischen Absicherung des Erzbistums [Exarchat der Rue Daru] durch den Phanar [in Istanbul] unterstützt hat.

Der "provisorische" Charakter war eine ANTWORT auf einen Aufruf der russischen Hierarchie in der Emigration im Bruch mit der "heterogenen" Staatsmacht, die sich des heiligen Rußland und seiner monarchischen Regierung bemächtigt hatte.
In Folge dieses Aufrufs haben sich Träume und Hoffnungen mit dieser "kanonischen Absicherung" verbunden, deren schrittweise Aufhebung nur zu bedauern ist.
Aus aktuellem Anlass hat Vater BALACHOF, vom besagten russischen Departement für ausländische Angelegenheiten, uns den Vorschlag des Moskauer Patriarchats in Erinnerung gerufen, der als offene Tür zu verstehen ist für eine Wiederherstellung von "Norm und Form", wie es mir ein sehr lieber Mitbruder anvertraut hat.

Was Konstantinopel angeht, so zeigt sich ein gewisser "Zusammenhang" in puncto "PROVISORIUM", und [Konstantinopel] öffnet höflichst ein Hintertürchen des griechischen Refugiums für Interessierte. Es drückt seine Hochachtung aus für die normalisierte Situation der Kirche im nach-sovietischen Rußland und VOR ALLEM unterstreicht [Konstantinopel], dass es nicht die unnormale Existenz zweier unterschiedlicher Diözesen unter derselben Obedienz (die griechische Metropolie und das Erzbistum) akzeptiert, wie man auf zutiefst kuriose Weise in den Vereinigten Staaten sehen kann, wo man sogar auf drei Entitäten unter einer einzigen Bischofsmitra kommt."
 
Diesem Kommentar ist hinzuzufügen, dass man sich kirchenpolitisch nur selten an die geistlichen Hintergründe zu erinnern scheint. Die "canones" existieren aufgrund der Glaubensrealitäten, nicht umgekehrt. Das Evangelium kann nicht dem Gesetz geopfert werden, ohne grundlegende Abstriche an der Orthodoxie zu machen - das wird auch der Grund für die Aufhebung der Kommuniongemeinschaft mit dem ökumenischen Patriarchat seitens des Moskauer Patriarchats sein. Ein sehr gewichtiger Grund, der zu denken geben sollte.

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