Freitag, 22. März 2013

De trappista communis observantiae?

Eine etwas kuriose Meditation als Ausblick zum Festtag des hl. Benedikt, zugegeben:
Was könnte mit dem Zisterzienserorden passieren, wenn es plötzlich, mir nichts dir nichts, keine Mönche, Nonnen und Novizen des Ordo Cisterciensis mehr gäbe? Was hieße das konkret für die Institution dieses Ordo? Dass er nicht mehr existent ist? Diese Antwort jedenfalls ist falsch - und aller fiktiver Fragestellung zum Trotz steht hier das Präsens. Der Zisterzienserorden ist nämlich ein abenteuerliches Konstrukt seltener Spitzfindigkeit: Er besteht de facto und offiziell als sogenannte Familia cisterciensis. Und eben diesen Terminus setzten die Päpste der vergangenen Jahrhunderte anstelle das lateinischen Wortes "ordo" - wohl um nicht den zisterziensischen Zorn auf sich zu ziehen. (Man findet das in entsprechenden offiziellen Dokumenten, etwa in "Non mediocri sane", etc...) Demnach - eben weil die "familia" im römischen Sprachgebrauch des beginnenden 20. Jahrhunderts als Synonym für "ordo" gesetzt wurde - bestehen die verschiedenen "ordines" der Familia cisterciensis innerhalb eines konsequenterweise so genannten "ordo familiae cisterciensis"... Die "ordines cistercienses" beider Observanzen nun sind - wieder lassen sich hier die römischen Dokumente bemühen - jedenfalls beide gleichrangige Rechtsnachfolger aller Rechte und Privilegien, die dem Zisterzienserorden jemals übereignet worden sind. Falls nun also einer der "ordines cistercienses", welcher Observanz auch immer, verschwinden sollte - was wiederum ein durchaus spitzfindiges kanonistisches Konstrukt ist - tangiert das in keiner Weise die Existenz des "ordo cisterciensis"! Und damit wäre die im Titel gestellte Frage insofern gelöst, als ein "Trappist der communis observantia" nicht nur als Ausdruck inexistent ist, sondern sogar ein "Trappistenorden" (der Rechtslage nach schon seit langem) nicht nur nicht existiert, sondern auch als rechtlich selbständige Körperschaft vollständig der "ordo cisterciensis" ist. Und genauso verhält es sich selbstredend umgekehrt.

Auf Bild 1: Graduale cisterciense 1960: Ein und ein anderer (et encore!) Generalobere(r) und ein (der Diktion nach) einziger Orden.
Auf Bild 2: Saal des Generalkapitels in Cîteaux: Zwei (oder drei, oder ...) Generalkapitel und trotzdem ein Orden?
Anstoß für diese Überlegungen war nicht nur die Lektüre römischer Dokumente zur neueren Rechtsgeschichte des (!) Ordens, sondern ein gewisses Unbehagen: Selbst von wirklich gescheiten Brüdern und Schwestern begeben sich viele wie automatisch in den Teufelskreis der sorgsam von Zisterziensergeneration zu Zisterziensergeneration weitervererbten Klischees des "Saint Ordre [Cistercien]" dort und der "trappistes" hier - et vice versa. Ob dahinter das Wissen lebendig ist, dass "le Saint Ordre" derselbe "ordo cisterciensis" ist, wie "l'ordre trappiste". Es scheint, dass sich der Observanzenstreit durch die Jahrhunderte zum Selbstläufer entwickelt hat. Schade nur, dass nicht allein die Kirchenrechtler daran verzweifeln.
Trotz der Fastenzeit sei dieser ernste und doch ernsthaft zu hinterfragende Zustand des Zisterzienserordens nicht ohne Humor als Gewissenserforschung zum Benediktsfest offengelegt.                     

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen