Mittwoch, 6. Februar 2013

Zeit oder Unzeit

Es gehört beinahe zum guten Ton des Arbeitenden, seine Auslastung und Effektivität durch ein "Leider habe ich jetzt keine Zeit!" zu bekräftigen und zu unterstreichen. Wer immer Zeit hat, kann ja, so der automatische Lernerfolg aller Betroffenen, nicht zur arbeitenden und ehrbaren Schicht gehören. Die Potenzierung der Effektivität strahlt somit erst dann hervor, wenn das "Ich habe leider keine Zeit!" mit hastigen Aktionen unterstrichen wird. Leider Gottes bleiben dabei sowohl die Effektivität als auch die Arbeitskraft weit hinter dem Maximum zurück: Ein knallende Tür ist nicht nur ein Ärgernis für das soziale Umfeld und den Handwerker, sondern auch für den Zeitsparenden, der sie knallen lässt. Der nämlich vergiftet nicht nur sein Verhältnis zur Schöpfung mit diesem Akt des Vandalismus, sondern stellt sich nur zu oft ein Bein, da die so misshandelte Tür oft nicht schließt - wohl dem also, der eine Tür handhabt, wie es sich gehört: Er darf sich 1. an ihrer längeren Lebenszeit freuen, 2. verschont er seine Mitmenschen vor lärmenden Türblättern, 3. erspart er sich häufig einen zweiten und dritten Gewaltakt gegenüber der Tür und spart somit 4. mindestens doppelt so viel Zeit, wenn er die Klinke in die Hand nimmt und sie mit Dankbarkeit gegenüber Gott und dem guten Tischler drückt.
Das heutige Zeitproblem zeigt sich leider fast überall. Um beim Naheliegenden zu bleiben: Die Mönche haben es vielerorts gut verstanden, sich den Tageslauf freizuschaufeln - und herausgekommen ist oft ein stark reduziertes Offizium, ein dadurch leichter zu bewältigender Arbeitsrhythmus, ein Anwachsen der Arbeitsfelder, eine oftmals spürbare Arbeitsüberlastung - und als Folge der Prioritätenverschiebung: immer weniger Menschen, die den Ruf Gottes zu einem Leben als Mönch hören können. Vielleicht ist es wirklich die fehlende Zeit, die das Grundübel darstellt. Die Zeit, die dem Menschen und Gott nicht geschenkt ist, wirkt sich defizitär aus, denn sie wird zur Negativzeit, die sich selbst verschluckt. Es ist die asoziale Zeit, die - im doppelten Wortsinn- fehlt.          

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