Montag, 2. September 2024

Wehe euch, ... ihr Scheinheiligen

 Die Überschrift ist dem Matthäusevangelium entnommen. Es ist ein Satz, den Jesus Christus im 23. Kapitel mehrmals so und ähnlich wiederholt, um die Menschen zu warnen: das Heilige heilig zu halten und nicht das Unheilige durch Lug und Trug so darzustellen, als könne es den Menschen Nutzen bringen. Das Heilige in der Kirche ist Gott, er ist die Essenz der Kirche, also aller Menschen, die sich glaubend in Einheit zusammenfinden, um ein Leben der Anbetung in Liebe zu führen. Viel mehr braucht es nicht: Gott anbeten, das heißt, ihn erkennen in seinen Geschöpfen. Was in der Kirche geschieht, muss aus dieser Anbetung in Liebe hervorgehen. Kein Kanon im kirchlichen Recht kann der Anbetung Gottes entgegenstehen. Deshalb steht auch kein Kanon über der Tradition der Kirche, denn diese Tradition umfasst das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche.

Wenn momentan alles darangesetzt wird, die Einheit der Kirche mittels Parteiungen in der Kirche wiederherzustellen, dann geschieht das durch Verurteilungen oder Hinweise auf verschiedene Kanones. Dass eine Lösung nicht durch Rechtssysteme und durch die besseren Beziehungen des Einen oder Anderen zustande kommen wird, liegt auf der Hand. Das Wehe im Evangelium gilt denen, die sich das Heilige unterwerfen möchten. Das Gold des Tempels ist nichtig; doch der Mensch lässt sich verführen und verblenden. Ansprüche, wie ein Primat oder die letzte Rechtsinstanz, sind nicht Privilegien einer Stadt oder einer historischen Entwicklung, sondern müssen immer auf das Ziel ausgerichtet sein, dem sie zu dienen haben: Ihr Ziel ist die Anbetung Gottes im gelebten Glauben. Wo Kaiser, Könige, Herrscher, Mächtige und Regierende als Staatslenker regieren, hat die Kirche ihren Anteil, denn die Gläubigen sind Teil eines Staates oder eines Landes. Patriarchen und Bischöfe treten als Staatsbürger in Beziehung zur Regierung, nicht aber als Hierarchen mit Staatsbefugnissen. Das Heilige ist heilig durch den Heiligen, nicht dadurch, dass man es heilig nennt.

Die Verfolgungen, denen Menschen auf der Welt ausgesetzt sind, zeigen an, wie sehr der Böse leichtes Spiel hat mit den Menschen. Man glaubt einer geschickten Rhetorik und einer gewinnenden Sprache. "Russlandfreundliche Parteien" können auf einmal zu einem Schimpfwort werden, dabei kann es nicht schlecht sein, wenn wir uns hüten vor einer Russlandfeindlichkeit, wie wir uns auch hüten sollten vor einer Frankreich-, Amerika-, Israelfeindlichkeit - die Liste der Länder und Völker ist beliebig zu ergänzen. Nur weil Staatsraison, Wirtschaftserfolge und politisches Kalkül die Völker immer wieder in schlimmste Katastrophen führen, dürfen die Menschen doch nicht das Heilige und Gute mit Füßen treten und das Verwerfliche und Böse heilig nennen!

Freundlichkeit, Friede und Freiheit, Menschenliebe und Menschenfreundlichkeit gegenüber allen und jedem Menschen sind für alle, vor allem aber für die, die zu Christus gehören, grundlegend und unverzichtbar.