Donnerstag, 21. Juni 2012

Ein modernes Itinerarium aus dem Heiligen Land - VI


Auf einer Pilgerreise stellt sich immer wieder die bedrängende Frage, wie sich das Bemühen um ein effektiveres geistliches Leben auf die persönliche Gottesbeziehung auswirkt. Und es stellt sich zwangsläufig auch die Frage, nicht minder bedrängend übrigens, inwieweit ich die intensive Beziehung zu Gott überhaupt wünsche. Die glühende Mittagshitze in Israel kann für die brennend heißen Fragen stehen, die einem immer wieder durch den Kopf jagen. Ist es nicht viel angenehmer, sich nicht von Christus ergreifen zu lassen? Ist nicht der arm dran, der in die Hände des lebendigen Gottes fällt? (Frei nach der Heiligen Schrift zitiert!) Beide Fragen lassen sich positiv beantworten: Es ist angenehmer, so in den Tag hineinzuleben, ein sozial geschultes Gewissen zu haben und danach zu handeln. Denn Christus fordert heraus. Obwohl er sich nicht zurückhält mit seiner Liebe, sind wir frei, zu antworten. Und das ist gerade nicht die Problematik! Wie viel drängender ist doch die Suche nach dem lebendigen Gott, selbst wenn man sie abzustreifen versucht. Denn es bleibt die innere Gewissheit, dass ein einziger Tag in den Vorhöfen Gottes - also bei Gott! - besser sein wird, als alle vergleichbaren Ausflüchte und Ausweichmöglichkeiten. Alles kühle Planen und alle Berechnung, sogar alle Beschwichtigungen, dass Gott schließlich größer ist als man erfassen kann, bleiben hinter der Erfahrung der Gottesliebe zurück. Gott fordert alle, die sich ihm überlassen. Er fordert nicht zu viel, aber sehr viel. Es wird allerdings um einiges ärmer zurückbleiben, wer aus Angst vor dem Abenteuer Gottes auf die Bequemlichkeit setzt. Die Glut des Mittags wird bleiben, nur wird sie ohne Gott schier unerträglich oder totlangweilig.

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