Samstag, 16. Juni 2012
Ein modernes Itinerarium aus dem Heiligen Land - IV
Es hat Tradition, die einzelnen Kirchen im Heiligen Land oder andernorts an ihren Festtagen zu besuchen und die Festgottesdienste mitzufeiern. Am 15. Juni bin ich allerdings nicht aus Traditionsbewußtsein zur Vesper in das Gorny Monastery der russischen Mönchinnen gegangen. So kam ich eher zufällig dort an, als man sich zum Vespergottesdienst für das Patronatsfest der relativ neuen Hauptkirche rüstete: Das Fest aller Heiligen der Russischen Lande, das andernorts am folgenden Sonntag gefeiert wird. Nach altem Brauch wird der Gottesdienst vor Feiertagen als Nachtwache begangen: An die Vesper(n) schließt sich ohne Pause der Nachtgottesdienst an. Nunmehr im Bilde, bin ich heute zum Vespergottesdienst den Berg zum Kloster hinaufgestiegen, um den Feiertag mitzufeiern. Die (alt-)kirchliche Ordnung beschränkt sich nicht auf sinnentleertes Bewahren, sondern ist ein Geschenk an die mitfeiernde Gemeinde: Heute durften wir den Feiertag ausklingen und den Sonntag beginnen lassen - wieder mit einer Nachtwache. Da diese Zeilen als modernes Itinerarium gedacht sind, sollen sie auch moderne Gedanken enthalten, die mir gekommen sind:
Es ist die Modernität des Mönchtums, die mir in den Sinn kam. Vor Zeiten wurde das Mönchtum als Segen für die Kirche angesehen. Nicht, dass man die Mönche achtete, weil sie durch ihre Profess zu Quasi-Klerikern wurden, oder weil sie hinter unzugänglichen Mauern ein geheimnisvolles Leben führten. Der spürbare Segen des Mönchtums ging vielmehr von der Gewissheit aus, dass alle Gläubigen an einem Strang zogen. Der Dienst der Mönche - z.B. der Gottesdienst - war nicht klerikale Verpflichtung, sondern wurde als Dienst der ganzen Gemeinde wahrgenommen, den die Mönche mit besonderer Hingabe ausübten. Das sind eben die modernen Gedanken: Die Gottesdienste der Kirche, die vom Menschen Standhaftigkeit, Zeit und Kraft verlangen, sind ein Geschenk für die Gemeinde, die nicht auf die Uhr starrt. Insofern war der Festtag des Gornenskij Klosters eine Lektion und ein geistlicher Anstoß.
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