Photo: Bruno Rotival in Cistopedia
Eine der wirklich beschämenden Erfahrungen war für mich die Begegnung mit einer älteren Frau im bayerischen Hinterland. Die Episode trug sich schon vor Jahren zu, bleibt mir aber nichtsdestotrotz in lebhafter Erinnerung. Als Zisterzienser erkenntlich, hielt mich diese Frau an und begann ohne Umschweife, ihrer großen Hochachtung vor dem zisterziensischen Mönchtum Ausdruck zu geben. Was für ein Trost es ihr bedeute, die Mönche in bedingungsloser Selbstverleugnung auf hartem Nachtlager ausgestreckt zu wissen. Welche geistliche Stärkung sie erfahre, wenn sie an die Nachtwachen, das strenge Fasten und die Abstinenz der Mönche denke. Wie getragen sie sich fühle, da das unablässige Gebet in den Klöstern ihr ein Trost sei, die so schwer nur beten könne.
Ich hatte damals nicht den Mut, die antiquierte Vorstellung des Mönchtums zu zerstören, die so liebenswürdig vermittelt wurde. Der "Strohsack", von dem die Rede war, existiert schon Jahrzehnte nicht mehr. Die "durchwachten Nächte" sind einer eher wohligen Nachtruhe im Bett und in einer einigermaßen abgeschlossener Zelle gewichen. Das Fasten und die Abstinenz lassen sich gut aushalten, da die Modernisierung der geistlichen Lebensweise vor dem Mönchtum nicht haltgemacht hat. Und das unablässige Gebet? Es ist ein ständiges Versuchen und Herantasten! Es ist die unablässige Sehnsucht, die zum Gebet werden möge. Aber das Maß der Väter liegt für mich noch in weiter Ferne. Selbst die Gabe der Tränen über solch eine Trägheit ist mir noch nicht gegeben.
Das "strenge Leben", das meiner Gesprächspartnerin so imponiert hat, ist tatsächlich eine sehr relative Sache. Wie streng kann einem das Leben erscheinen, wenn die Grundlagen des Mönchtums zwar weit gefasst und vereinfacht wurden, aber das Ziel dadurch nicht mehr ganz so einfach im Blick zu behalten ist? Es ist wirklich ein strenges Leben, wenn die Modernisierung unserer Lebensweise auch dazu geführt hat, dass Erprobtes und Bewährtes in der Versenkung verschwinden und nicht einmal mehr betrauert werden. Die "Strengheit" findet sich sicher nicht im gemeinsamen Schlafsaal, im peinlich beobachteten Stillschweigen, in der Abstinenz und im geordneten, durch viele Gebetszeiten unterbrochenen Tagesablauf, der um 3.00 Uhr in der Frühe beginnt. Die "Strenge", von der ich schreibe, findet sich in der Asozialisation unseres Lebens, die ich oftmals ausmache. War früher jedes Naseputzen reglementiert, so fällt es heute manchmal ins Auge, dass ein Gespür für das Dezente fehlt. Wie laut kann man ein Taschentuch nicht in Benutzung nehmen! Wie seismographisch auffällig kann man eine Tür zuschlagen! Wie interessant können Diskussionen über die Rubriken der liturgischen Bücher sein, die man bis in die letzten Ecken der Kirche mitverfolgen kann! Hier zeigt sich, wie streng man sich das Leben heute machen kann! Und wie viel prosaischer war nicht der (verbotene!) mitbrüderliche Namenstagsgruß nach der Komplet aus den Winkeln der aufgesetzten Kapuze heraus. "Strenge" bedeutet für mich auch, verzichten zu müssen auf die großartigen Kleinigkeiten (und Kleinlichkeiten!!!!) der Vergangenheit...
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