Montag, 21. Mai 2012
Die Frucht des Ölbaums
Der Ölbaum ist nicht nur ein biblischer Baum "par excellence", er kann auch ein guter Lehrmeister sein. Sein unter Umständen langes Leben im südländischen Klima ist nicht unbedingt immer zielorientiert im modernen Sinn: Auf den Landwirt, der seinen Ölbaum pflegt und seine Ernte bestellt, kann schon bald jemand folgen, dem der Baum und seine Frucht egal sind; der vielleicht nicht ernten, aber ganz sicher nicht seinen Baum pflegen möchte. Der Ölbaum nimmt es ihm nicht übel: Er trägt seine Früchte, so gut er kann und so gut die Verhältnisse es zulassen. In seinem viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauernden Leben ist der Ölbaum nicht auf Effekthascherei aus. Obwohl er stämmig ist und seine Blätter markant leuchten, läßt er sich (zumindest aus deutscher Sicht) vom äußeren Erscheinungsbild her nicht an der Buche oder Eiche messen. Der Ölbaum wird aufgrund des Klimas nicht zum Baumriesen werden. Trotzdem kann einen gärtnerisch etwas beflissenen Menschen der Umgang mit dem Ölbaum sonderbar berühren. Sobald man ihn beschneidet und pflegt, werden seine Oliven saftiger und seine Ernte wird ergiebiger. Der Ölbaum ist dankbar und trägt nicht nach.
Ganz zu schweigen von der Olive. Kein mediterranes Essen ohne diese Frucht, gekocht oder eingelegt, als Beilage oder verarbeitet. Sobald die Olivenernte eingebracht ist und über ihre Verwendung entschieden wurde, kann aus ihr schließlich auch das Öl werden, dass für die Christen von besonderer Bedeutung ist. Bei der Taufe und der Firmung wird das eigens geweihte Olivenöl, vermischt mit anderen, zum Teil ebenfalls kostbaren Substanzen, als Chrisam zur Salbung des neuen Christen verwendet. Bei der priesterlichen Weihe wird der Weihekandidat mit dem Chrisam-Öl erneut gesalbt, als Zeichen seiner besonderen Berufung durch Gott und die Gemeinde zur Anteilnahme am Hohepriesteramt Christi. Schon vor der Taufe allerdings wird der Katechumene mit dem Öl der Katechumenen, das ebenfalls eigens geweiht wurde, gesalbt: ein Zeichen der Stärkung im Glauben. Dem Kranken schließlich soll die Salbung mit dem Krankenöl Hilfe in der Krankheit und Trost im Leid bringen. Die Tradition der Kirche verwendet das hl. Chrisamöl auch für die Weihe der Kultgegenstände, die früher dadurch sogar nur von Klerikern berührt werden durften: Allen voran die Heiligen Gefäße, Kelch und Patene, dann der Altar einer jeden Kirche, der zusammen mit den Kirchenwänden bei der Kirchweihe gesalbt wurde, sowie die Glocken.
Eine wichtige Funktion, die heute oft übersehen werden könnte, hat das Öl durch seine Fähigkeit zu brennen. Zahlreiche Lampen brennen Tag und Nacht vor den Altären und Bildern als Zeichen der Verehrung. Die Frucht des Ölbaums ist unscheinbar. Der Baum imponiert nicht durch seine Blütenpracht oder Höhe, aber ohne ihn und seine Frucht wäre das Leben ärmer, vielleicht sogar unerträglich.
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