"Meiner Meinung
nach wollten die beiden Brüder Jakobus und Johannes, als sie nach
den ersten Plätzen, den höchsten Ämtern und größten Ehren
strebten, Macht über die Anderen bekommen. Deshalb widersetzt sich
Jesus ihrem Anspruch, legt ihre geheimen Gedanken bloß und sagt zu
ihnen: „Wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller
sein“. Mit anderen Worten: „Wenn ihr die ersten Plätze und die
höchsten Ehren anstrebt, dann bemüht euch um den letzten Platz,
verwendet eure Anstrengung darauf, die Einfachsten, Bescheidensten
und Kleinsten von allen zu werden. Stellt euch hinter die Anderen.
Diese Tugend wird euch die Ehre verschaffen, die ihr anstrebt. Dafür
habt ihr ein leuchtendes Beispiel unter euch; denn auch „der
Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um
zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk
10,45). So werden euch Ehre und Ruhm zuteil. Seht doch, wie es bei
mir ist: ich strebe nicht nach Ruhm und Ehre, und doch ist das Gute,
das ich auf diese Weise bewirke, unendlich groß.“
Wir wissen es:
vor der Menschwerdung Christi, vor seiner Verdemütigung war alles
verloren und zersetzt; als er sich aber verdemütigte, richtete er
alles wieder auf. Er hat Flüche außer Kraft gesetzt, den Tod
vernichtet, das Paradies aufgeschlossen, die Sünde getötet, die
Riegel der Himmelspforten gelöst, um den Erstlingen unserer
Menschheit wieder Zugang zu verschaffen. Er hat den Glauben auf der
ganzen Welt verbreitet, den Irrtum vertrieben und die Wahrheit wieder
eingesetzt. Die Erstlinge unserer Menschheit hat er auf einen
königlichen Thron gesetzt. Christus ist der Urheber unendlich vieler
Wohltaten, die weder ich noch irgendein anderer Mensch recht
darstellen könnte. Vor seiner Erniedrigung kannten ihn nur die
Engel, aber nach seiner Selbstverdemütigung hat ihn die ganze
Menschheit erkannt."
(Homilie
gegen die Anomäer; 8,6; PG 48,776)
Was für ein Drama, wenn uns die Gesetze wichtiger sind als das Evangelium, das sie beseelt; wenn die vermeintlichen Traditionen höherstehen als die Menschen, denen sie helfen sollten; wenn Vorrechte sich heilsamer auswirken sollen als gelebte Realitäten!
Es wäre lohnenswert, zuallererst die geistliche Dimension einer Diözese im Blick zu behalten, deren konkrete Gestalt vom Menschen abhängt, der in ihr lebt: die Grundlage der orthodoxen Ekklesiologie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen