Dienstag, 1. Februar 2011
Wo der Glaube verdunstet
Wer genau von "Glaubensverdunstung" gesprochen hat, kann ich nicht mehr sagen - ein berühmtes Zitat ist es jedenfalls. Wenn ich an das Phänomen der Glaubensverdunstung denke, dann kommt mir zuerst in den Sinn, dass damit nicht nur das Bekenntnis zum christlichen Glauben gemeint ist, das ich ablege, wenn ich amtliche Dokumente ausfülle oder statistische Angaben zu meiner Person mache. Gemeint ist vor allem das Glaubenswissen, das immer mehr verdunstet: Das Bild ist sehr ansprechend, obwohl die Folgen verheerend sind. Was verdunstet, das schleicht sich davon und verpufft, nicht ohne sich doch bemerkbar zu machen. Das konkrete Bild läßt an Dunst und Nebel denken. Vernebelt und dunstig ist die Sicht auf den Glauben und die Glaubenspraxis allemal. Ich möchte nicht auf dieses oder jenes hinweisen, sondern konkret bleiben. Das Glaubenswissen im deutschen Zisterziensertum verdunstet langsam. Zu sehen ist die Glorie der Vergangenheit - die Kultur, die Kunst, die große Zeit der Klöster mit ihren Barockbauten, den gotischen Kleinodien, den hoffnungsvollen Neuanfängen nach der Säkularisation. Doch ist das wirklich das Fundament? Beileibe nicht! Der Grund- und Eckstein ist Christus. Gotik ohne Gott trägt nicht weiter. Barock ohne Gott ebensowenig. Niemand muss hinter der These stehen, dass alle Kunst und alle Kultur ohne die christlichen Grundlagen in unseren Breiten inextistent wären. Es wäre allerdings vermessen zu behaupten, dass die kulturelle Entwicklung ohne das christliche Fundament gleich gediegen und ähnlich fruchtbar verlaufen wäre.
Im Mönchtum ist es nicht anders. Es hätte nicht der zisterziensischen Abenteuerlust bedurft, um Großes zu leisten. Andere und gleichwertige Bewegungen hätten wohl nicht weniger kraftvolle Kulturarbeit getan. Dass es Cîteaux jedoch gibt und dass hier eine Spiritualität existiert, die einzigartig und berühmt ist, darf nicht dazu führen, die Wurzeln zu vergessen. Cîteaux und seine Geistigkeit läßt sich für mich engführen auf das Wort: Gott allein suchen. Wenn jetzt Einwände sich erheben und solipsistische Tendenzen unterstellen, dann verdunstet da schon ein Großteil der Quelle, die sich aus dem Evangelium speist. Gott allein suchen, dazu brauche ich den Menschen, dazu brauche ich die Gemeinschaft, die soziale Struktur und Stütze. Aber ich brauche keine krampfhafte Selbstbestätigung - nur das nicht. Und das ist das Schwerste. Allein damit hätte ich meine Kampfkraft erprobt und im Sieg Großes geleistet. Denn die Gemeinschaft der Heiligen, die Gemeinschaft der Kirche brauch nicht so sehr die Helden, die im Leib Christi gleichsam alle Gliedmaßen vertreten können. Die Kirche braucht zuerst und hier und jetzt diejenigen als Zisterzienser, die erstmal fähig sind, Gott allein zu suchen. Ein beunruhigender Gedanke, dass Glaubensverdunstung hic et nunc aufzuhalten ist durch die einfachste aller Handlungen: durch demütige und simple Treue im Gottesdienst.
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