Sonntag, 11. November 2012

Das Fest des hl. Martin von Tours - ein Wendepunkt im liturgischen Jahr

Hl. Martin von Tours. Photo: orthpedia

Im November häufen sich Gedenk- und Festtage! Und im November begann für die Zisterzienser (regional bedingt) auch die vorweihnachtliche Fastenzeit, nach dem Martinsfest nämlich. Damit folgten sie einem sehr frühen Brauch, der statt vier Adventssonntage derer sieben kennt. Die Monastische Fastenzeit, die am 14. September begann, wurde mit der Weihnachtsfastenzeit geistlich aufgestockt, indem die Mahlzeiten einfacher wurden und der Seele mehr Freiheit für die Gottsuche zugestanden wurde. Unnötig, das manchem modernen Liturgiehistoriker so verhasste Adventsfasten ausführlicher zu begründen - schließlich weiß nur der Liebende, was die Erwartung des Geliebten bewirkt! Der christliche Osten hat das bis heute bewahren können, wenn er das Weihnachtsfasten am 15. November beginnen läßt. Es heißt dort "Philippsfasten", weil es am Tag nach dem Fest des Apostels Philippus beginnt. Ähnlich wie bei den Zisterziensern begnügt man sich mit Speisen, die ohne Eier, Milch, Fett, Fisch - und natürlich Fleisch zubereitet werden. Das Fest des hl. Martin gilt nicht nur im Hinblick auf das Weihnachtsfest im Westen als Wendepunkt: Seit frühesten Zeiten wurden auch die Löhne ausbezahlt, da nun die Winterpause begann. Noch um die Jahrhundertwende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert entsprach dem Martinsfest z. B. in Russland das Fest Mariae Schutz (1. / 14. Oktober). Nach diesem Datum wurde dort der erste Schnee erwartet.

Campus Galli-Baustelle 2012
Gestern wurde im Deutschlandradio eine Reportage über eine zukünftige experimentalarchäologische Baustelle ausgestrahlt: den Campus Galli in Meßkirch, eine "karolingische Klosterstadt" also, entwickelt nach dem St. Galler Klosterplan (datierbar etwa um 820). Der Zeitpunkt der Ausstrahlung war gut gewählt. Das Fest des hl. Martin, dessen Mantel eine Reichsreliquie war, wird auch, wie zu lesen ist, auf der ambitionierten Baustelle (geöffnet ab Frühjahr 2012) den Schlusspunkt der alljählichen Arbeitsperiode setzen. Dieses Projekt, obwohl eher ungewöhnlich und unkonventionell, darf mit Spannung erwartet werden. Ob der Wissenschaft auf breiter Basis gestattet wird, aus den Bau- und Lebensbedingungen auf dieser modernen karolingischen Baustelle Erkenntisse und Rückschlüsse zu ziehen? Der gut besetzte Wissenschaftliche Beirat des "Vereins Karolingische Klosterstadt Campus Galli" ist in dieser Hinsicht ein vielversprechendes Zeichen. Hoffentlich dürfen sich die Forschenden und Wissenschaftler an den Früchten der wachsenden Klosterstadt freuen. Zahlreiche, nur theoretisch erörterte Fragen liegen parat, die sich nur beantworten lassen, wenn man sie mit Leben füllt. So renommierte Wissenschaftler wie der Liturgiehistoriker P. Angelus A. Häussling von Maria Laach haben sich mit dem St. Galler Klosterplan beschäftigt. Verwiesen sei nur auf den umfassenden Aufsatzband "Studien zum St. Galler Klosterplan II" von 2002.
Das Martinsfest als jährlicher Aufbruch in die Winterzeit ist nicht nur Aufhänger für zahlreiche Bräuche, sondern auch der Tag des Waffenstillstands 1918, nach dem Ersten Weltkrieg.  Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg ist es kein großer Schritt mehr, weshalb die Reichskristallnacht 1938, die nur einen Tag vor dem Martinsfest eskalierte, nicht minder in diese Betrachtung gehört. Nur fünfzig Jahre später sollte am 9. November schließlich die Mauer zerfallen, die durch die Folgen des Krieges in Deutschland errichtet worden war. Alles in allem ist der November also ein an Gedenktagen äußerst segensreicher Monat; segensreich solange, wie die Menschennicht nicht vergessen, woher sie kommen und wohin sie unterwegs sind.                 

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