Freitag, 30. November 2012

Zum Fest des hl. Apostels Andreas






Der Blick vom Ufer des Sees von Galiläa in Richtung Bethsaida, der Heimat des hl. Apostels Andreas, vermittelt ein Bild der Heimat Jesu und vieler seiner Jünger, das in Israel selbst im Hochsommer nichts von seiner Schönheit einbüßt. Das Andreas-Fest ist ein markanter Tag für viele Nationen: Rußland, Schottland... Der Erstberufene kam auf seinen Missionsreisen ans Schwarze Meer. Selbst im Norden Rußlands, in Karelien, erzählt die Tradition von einem Halt des hl. Andreas auf der heutigen Klosterinsel Valaam im riesigen Ladogasee! Ein Apostelfest lädt immer auch dazu ein, über das heutige apostolische Wirken nachzudenken, zu dem die Christen berufen sind. Palästina wurde gestern ein Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen zuerkannt. Israel verbeißt sich weiterhin in seine Politik der beißenden Hunde: Kein Volk, weder das jüdische noch das palästinensische, kann in Frieden leben - und das seit Jahrzehnten, wenn nicht gar seit Jahrtausenden! Die Apostel waren einfältig genug, in Jesus Christus den Messias zu erkennen und ihn als ihren König anzubeten. Den heutign Christen wird so eine Zumutung nicht auferlegt. Die Erkenntnis des Messias war schon zur Zeit Jesu ein Glaubensakt. Und manchmal scheint es so, als würde hinter den schnellen ud totsicheren Antworten der Bischöfe und Priester, der "Hauptamtlichen", die seelische Wüste lauern, die den nach Gott suchenden Menschen in die Verzweiflung reißen möchte. Der hl. Andreas ist gleich bei der ersten Begegnung mit Christus zum Glauben gekommen: "Wir haben den Messias gefunden!" Aber Christus hatte keine schnellen Antworten bereit. Er konnte und wollte wohl auch nur die Lebenswirklichkeit bieten, die allen gemeinsam war. Noch viel weniger hat Christus eine Lebensphilosophie angeboten. Vielleicht werden die Apostel und ihre Nachfolger die Frohe Botschaft verkündet haben, wie sie es von Christus gelernt hatten. Und vielleicht war diese Verkündigung nur deshalb so authentisch, weil sie keine schnellen und schablonierten Antworten geben konnte. Ihre Antwort für Menschen war wohl nichts anderes als die Aufforderung, zu kommen und zu sehen. Was sicherlich auch heißt: Den Glauben zu leben und im Tun schon teilzuhaben am Reich Gottes.   

Donnerstag, 29. November 2012

Valaam, P. Seraphim und der Mönch


Montag Abend wurde auf KTO-TV der Dokumentarfilm "Valaam, l'archipel des moines" ausgestrahlt. Seitdem ist er im Youtube-Kanal abrufbar (s.o.). Der französische Film, der reichlich den monastischen Gesang der Valaamer Mönche einbezieht, ist ausserordentlich eindruckvoll. Eine Filmsequenz ist mir in Erinnerung geblieben: Der Regisseur trifft einen Starez wieder, den er 20 Jahre zuvor in England kennenlernen durfte. Der Starez, P. Seraphim, gebürtiger Franzose, steht in der Filiation des hl. Siluan vom Athos, denn er ist ein geistlicher Sohn von P. Sophrony, dem Biographen des hl. Siluan. P. Seraphim spricht im Film von der Kraft der Sanftmut und von der Notwendigkeit, den menschlichen Realitäten auf christliche Weise ins Auge zu sehen. Ein Satz hat besonderes Gewicht: "Ein Mönch soll die fleischgewordene Liebe sein. Denn das ist seine eigentliche Berufung." Um diese Berufung mit Leben zu füllen, bedarf es unaufhörlicher Anstrengung. Aber wie jedes Christenleben, so ist auch das Mönchsleben vor allem verschenkte Gnade und empfangene Liebe. Die Folgen dieser Erkenntnis sind nicht absehbar. 

Samstag, 24. November 2012

Christ vs. Mönch, Reform vs. Geistigkeit? - Ein Interview mit P. Gabriel Bunge


Pater Gabriel Bunge, zuerst Mönch in Chevetogne, dann Einsiedler im Tessin, antwortet in einem kürzlich aufgezeichneten Interview, das HIER einzusehen ist, in französisher Sprache auf Fragen zum monastischen Leben. Besonders interessant ist seine Haltung zu den Reformen des benediktinichen Mönchtums. P. Gabriel vertritt den Standpunkt, dass die Reformen im westlichen Mönchtum wesentlich von der Obrigkeit ausgingen. Das allerdings ist im Falle der Zisterzienser nicht unbesehen hinzunehmen. Die zisterziensische Reform nämlich ist nicht der Versuch, neue Zucht und Ordnung in ein rostiges System zu bringen, sondern sie ist ein Neuaufbruch: vom strengen Molesme hin zu einem neuen Leben unter erneuerten Vorzeichen, eben in das Novum Monasterium. P. Gabriel sagt im Interview auch, dass es nicht möglich ist, die Spiritualität zu reformieren. Das ist ein hervorragender Gedanke! Die wirkliche Spiritualität ist und bleibt immer neu, denn sie geht aus vom Heiligen Geist. Und was für ein beglückender Gedanke ist das doch: Cîteaux mit den Gründervätern ist keine aufgedrückte Reform, sondern ein Neuaufbruch zu einem christlichen Leben in der Gemeinschaft Gleichgesinnter. Ein zweiter wichtiger Gedanke von P. Gabriel ist zudem die Feststellung, dass das Mönchtum kein Sonderweg herausgehobener Menschen ist, sondern dass es der Versuch dazu Berufener zu einem echten Christenleben ist, das nicht höher steht, als das Leben der anderen Christen. Genug Gedanken, um beschäftigt zu sein und nachdenklich zu werden!

Donnerstag, 22. November 2012

Metropolit Euloge (Paris) - Eine packende Autobiographie II


Die umfangreiche Autobiographie von Metropolit Euloge (Georgievsky) von Paris ist ein beeindruckendes geistliches und zugleich zeitgeschichtliches Lebenszeugnis. Metropolit Euloge berichtet in einem persönlichen, aber um Objektivität bemühten Stil über sein bewegtes Leben. Die letzten Jahrzehnte des Zarenreichs, die russischen Bistümer in "Kongress-Polen", in der Ukraine, die Arbeit in der zweiten und dritten russischen Duma - alles das wird Wirklichkeit vor den inneren Augen des Lesers. Aber viel mehr noch: Es entsteht ein Bild von den verworrenen und ideenüberfrachteten patriotischen Bemühungen jener Jahre nach 1900, die nur durch die Zeugnisse von Augenzeugen - und Metr. Euloge war ein Handelnder und politisch Tätiger! - einigermaßen korrekt in die geschichtlichen Ereignisse eingeordnet werden können. Metropolit Euloge hat als Erzbischof von Cholm, von Wolhynien, der russ. Gemeinden in Westeuropa niemals um der Macht willen "Politik gemacht". Seine Politik galt ganz anderen Dingen: Sie wollte das Gottesreich bei den Menschen besser zur Geltung bringen. Dafür kämpfte Metr. Euloge in der russischen Nationalversammlung und vor den Bolschewiken. Und es erschüttert den Leser, wenn er an Passsagen kommt, die ungeschminkt die konkrete damalige Wirklichkeit in Worte fassen: Wenn kämpfende "Bolschewiken" de facto nur um ihre menschliche Freiheit und ihr Leben kämpfen und selbst nichts mehr von den politischen Überzeugungen wissen, für die sie vermeintlich kämpfen. Wenn ein rücksichtloser Chauvinismus der anderen Konfession zur entscheidenden Frage über Leben und Tod wird und Feindschaft zwischen den Völkern - hier des russischen und des polnischen bzw. des ukrainischen Volkes - über der Menschlichkeit steht. Aber Metropolit Euloge versucht stets, die persönlichen und politischen Hintergründe einzubeziehen. Er steht zu seinen Freundschaften alter und neuer Zeiten - sei es ein mittlerweile kommunistischer Mitstudent an der geistl. Akademie in der Duma, sei es der röm.-kath. Weihbischof von Mogilew (und spätere Erzbischof von Vilnius): was zählt, ist nicht das Vordergründige, sondern die Intention und die Aufrichtigkeit. Die Autobiographie von Metropolit Euloge ist ein wirkliches Geschichtsbuch, zusammengestellt von einem Menschen, der mit Frömmigkeit und Herzenseinfalt sein bewegtes und bedeutsames Leben Revue passieren läßt!      

Donnerstag, 15. November 2012

Patriarch Kyrill konsekriert die Hauptkirche des Gorny-Klosters in Ein Karem - Jerusalem

Die Hauptkirche mit dem Patronat "Alle Heiligen des Russischen Landes" des Gorny-Klosters - Patriarch, Ehrengäste und Klostergemeinde. Photo: Moskauer Patriarchat

Während seiner Heilig-Land-Pilgerfahrt hat der Moskauer Patriarch Kyrill auch das Gorny-Kloster besucht und die dortige Hauptkirche konsekriert. Das Kloster liegt malerisch über dem Jerusalemer Vorort Ein Karem, dem Geburtsort des hl. Johannes des Täufers und dem Ort der Heimsuchung Mariens. Direkt neben dem Klosterkomplex, bestehend aus mehreren Kirchen und den verstreut auf dem Gelände liegenden Kellien der Mönchinnen und den Gästehäusern, befindet sich die alte byzantinische Pilgerstätte zu Ehren der Visitatio Mariae, an dem wohl zur Zeit Jesu das Landhaus des hl. Zacharias und der hl. Elisabeth stand. Sie wird heute von den Franziskanern betreut und gepflegt, die auch (seit mehr als 350 Jahren schon) die Pilgerstätte an der Geburtskirche versorgen. Von der (auf obigem Bild zum Posieren benutzten) Terrasse sieht man über das kleine Tal hinweg direkt auf die Geburtskirche des hl. Johannes des Täufers, dem ehemaligen Wohnhaus der hl. Zacharias und Elisabeth also. Obwohl das Gorny-Kloster durch die vergoldeten Kuppeln seiner Hauptkirche jedem Pilger sofort ins Auge sticht, ist es relativ schwer zu besuchen! Der Eingang des ausgedehnten Geländes wurde mittlerweise in der Nähe der Hadassah-Klinik eingerichtet. Von der Ortsmitte Ein Karem selbst ist das nur auf Umwegen zu finden bzw. mit einem Umweg über die Höhenstraße, von der Stadtmitte bzw. von Yad Vashem aus kommend.
Pfad zum Gorny-Kloster mit der Hadassah-Klinik im Hintergrund
   

Sonntag, 11. November 2012

Das Fest des hl. Martin von Tours - ein Wendepunkt im liturgischen Jahr

Hl. Martin von Tours. Photo: orthpedia

Im November häufen sich Gedenk- und Festtage! Und im November begann für die Zisterzienser (regional bedingt) auch die vorweihnachtliche Fastenzeit, nach dem Martinsfest nämlich. Damit folgten sie einem sehr frühen Brauch, der statt vier Adventssonntage derer sieben kennt. Die Monastische Fastenzeit, die am 14. September begann, wurde mit der Weihnachtsfastenzeit geistlich aufgestockt, indem die Mahlzeiten einfacher wurden und der Seele mehr Freiheit für die Gottsuche zugestanden wurde. Unnötig, das manchem modernen Liturgiehistoriker so verhasste Adventsfasten ausführlicher zu begründen - schließlich weiß nur der Liebende, was die Erwartung des Geliebten bewirkt! Der christliche Osten hat das bis heute bewahren können, wenn er das Weihnachtsfasten am 15. November beginnen läßt. Es heißt dort "Philippsfasten", weil es am Tag nach dem Fest des Apostels Philippus beginnt. Ähnlich wie bei den Zisterziensern begnügt man sich mit Speisen, die ohne Eier, Milch, Fett, Fisch - und natürlich Fleisch zubereitet werden. Das Fest des hl. Martin gilt nicht nur im Hinblick auf das Weihnachtsfest im Westen als Wendepunkt: Seit frühesten Zeiten wurden auch die Löhne ausbezahlt, da nun die Winterpause begann. Noch um die Jahrhundertwende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert entsprach dem Martinsfest z. B. in Russland das Fest Mariae Schutz (1. / 14. Oktober). Nach diesem Datum wurde dort der erste Schnee erwartet.

Campus Galli-Baustelle 2012
Gestern wurde im Deutschlandradio eine Reportage über eine zukünftige experimentalarchäologische Baustelle ausgestrahlt: den Campus Galli in Meßkirch, eine "karolingische Klosterstadt" also, entwickelt nach dem St. Galler Klosterplan (datierbar etwa um 820). Der Zeitpunkt der Ausstrahlung war gut gewählt. Das Fest des hl. Martin, dessen Mantel eine Reichsreliquie war, wird auch, wie zu lesen ist, auf der ambitionierten Baustelle (geöffnet ab Frühjahr 2012) den Schlusspunkt der alljählichen Arbeitsperiode setzen. Dieses Projekt, obwohl eher ungewöhnlich und unkonventionell, darf mit Spannung erwartet werden. Ob der Wissenschaft auf breiter Basis gestattet wird, aus den Bau- und Lebensbedingungen auf dieser modernen karolingischen Baustelle Erkenntisse und Rückschlüsse zu ziehen? Der gut besetzte Wissenschaftliche Beirat des "Vereins Karolingische Klosterstadt Campus Galli" ist in dieser Hinsicht ein vielversprechendes Zeichen. Hoffentlich dürfen sich die Forschenden und Wissenschaftler an den Früchten der wachsenden Klosterstadt freuen. Zahlreiche, nur theoretisch erörterte Fragen liegen parat, die sich nur beantworten lassen, wenn man sie mit Leben füllt. So renommierte Wissenschaftler wie der Liturgiehistoriker P. Angelus A. Häussling von Maria Laach haben sich mit dem St. Galler Klosterplan beschäftigt. Verwiesen sei nur auf den umfassenden Aufsatzband "Studien zum St. Galler Klosterplan II" von 2002.
Das Martinsfest als jährlicher Aufbruch in die Winterzeit ist nicht nur Aufhänger für zahlreiche Bräuche, sondern auch der Tag des Waffenstillstands 1918, nach dem Ersten Weltkrieg.  Vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg ist es kein großer Schritt mehr, weshalb die Reichskristallnacht 1938, die nur einen Tag vor dem Martinsfest eskalierte, nicht minder in diese Betrachtung gehört. Nur fünfzig Jahre später sollte am 9. November schließlich die Mauer zerfallen, die durch die Folgen des Krieges in Deutschland errichtet worden war. Alles in allem ist der November also ein an Gedenktagen äußerst segensreicher Monat; segensreich solange, wie die Menschennicht nicht vergessen, woher sie kommen und wohin sie unterwegs sind.                 

Samstag, 10. November 2012

fr. Luc Brésard - ein Zisterzienserleben mit den Vätern


Gestern ist fr. Luc Brésard, geboren 1924, heimgegangen. Mönch von Cîteaux, eingetreten als Konverse, war er ein ausgewiesener Fachmann, wenn es um die Väter der Kirche ging. Als Verfasser mehrerer Publikationen zur Spiritualität des Mönchtums ist er im Zisterzienserorden und darüberhinaus bekannt. Jahre-, wenn nicht jahrzehntelang war er in Cîteaux zuständig für die Auswahl der Väterlesungen in den Nachtwachen. Die Studieneinheit "Histoire de la Spiritualité monastique" reiht sich wie selbstverständlich in sein Forschen und seine "Ruminatio" ein. Als Mönch, stattlich an Gestalt, konnte er beeindrucken. Als Mensch, mit der Aura seriösen Schalks, war er durchaus ein Vorbild in mancherlei Hinsicht. Seine Kenntnis der Väter durfte er auch außerhalb seiner Gemeinschaft weitergeben, wofür nicht wenige Menschen dankbar sind. Requiescat in Pace.

Mittwoch, 7. November 2012

"Häresie der Formlosigkeit" - ein Schlag nach links oder rechts?

In der letzten Ausgabe der dünnen Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" (die ich mit einiger Vorsicht lese), fand ich einen Kommentar von Gotthard Fuchs mit dem Titel "Empor die Herzen". Dort entwirft er einen - oh Wunder - rubrizistisch-pastoralen Kommentar zu den jüngeren Entwicklungen in der römischen Liturgie. Der ausladende Gestus während der Eucharistiefeier, den manche Priester nach älterem, wiederbelebtem Muster pflegen, wird in dieser Kolumne ebenso aufs Korn genommen, wie der Neurenaissance-Stil der Papstliturgien und die Tendenz mancher Bischöfe, den Stil und die Fülle ihrer Gewandung einer byzantinischen Inszenierung anzugleichen. Leider wurde die weitere Lektüre dieses Textes getrübt.
"Liturgien können als symbolische Inszenierungen jenes wunderbaren Zusammenspiels verstanden werden, in dem Gott Mensch wird, damit der Mensch Gott begegne und eins mit ihm werde." - Dieses Zitat führt vor Augen, was die Liturgie nicht ist: Liturgie ist nicht Symbol von etwas, was als Zeichen herhalten muss. Die Liturgie und der Gottesdienst sind wesenhaft "communio" - nämlich als reale Verbindung von Gott und Mensch zu verstehen. Und deshalb ist der Begriff der "Häresie der Formlosigkeit" (in Anlehnung an M. Mosebachs Buch) eben auch keine "Verunglimpfung derer, die in der Liturgie Kommunikation - und also Communio - großschreiben" (so meint jedenfalls G. Fuchs). Es ist aber vielleicht die große Behinderung der Neuevangelisierung, dass das Glaubensleben in seiner Gänze großflächig verlorengegangen ist: Die Gänze meint hier die notwendige und der Natur nach zusammengehörige Verbindung von Glaubenswissen und Glaubenspraxis. Dass der Gottesdienst der Kirche Symbole bereithält, steht außer Frage, ob er ein Symbol sein wird, muss sich in jeder Liturgie zeigen. In dieser liturgischen Communio nämlich, vollzieht sich eine Durchdringung von Zeit und Ort, die zum Symbol, also zum Erkennungszeichen des Christen werden muss, wenn er die liturgische Wirklichkeit weiterträgt: in seiner Beziehung zu allen, die ihm begegnen. "Actuosa participatio" ist nicht etwa nur die ständige Berieselung mit Worten (oder gar Wörtern...) und die Antwort der Gemeinde auf z.B. gestalterische Elemente. "Aktive Teilhabe" kann und muss auch die individuelle Antwort des betenden Christen in der liturgischen Feier sein dürfen, denn nicht das Kollektiv steht im Vordergrund, sondern die Herrlichkeit Gottes, die sich in der Seele des Einzelnen manifestieren möchte. Dann erst wird aus den Gliedern des Herrenleibes die Kirche als Gestalt des verherrlichten Leibes Christi. "Der Ton macht die Musik." - und da hat G. Fuchs wirklich recht!

Donnerstag, 1. November 2012

Dom Alexis Presse, das Anniversarium seines Heimgangs und die Liturgie


Der 1. November, in vielen lateinischen Riten als Gedächtnis aller Heiligen gefeiert, ist gleichzeitig der Todestag von Dom Alexis Presse im Jahre 1965. Als "enfant terrible" des zisterziensischen Aufbruchs, nach den Jahren der Rekonstituierung von nunmehr zwei Zweigen des Zisterzienserordens vor mehr als 100 Jahren, konnte Dom Alexis viel Gutes tun: Sein Wirken wurde oft belächelt, oft auch mit Stirnrunzeln bedacht und öffentlich geächtet. Die "Affäre Alexis Presse", wie seine Causa selbst in neuesten Veröffentlichungen genannt wird (so in der in mehreren Sprachen vor wenigen Jahren erschienenen Geschichte ocso), war die Affäre eines Suchenden - und ist zu einer Affäre vieler Suchender geworden! Dom Alexis hat einen Gedanken, der ihn nicht losläßt: Wie kann ich Gott suchen, und wie kann ich den Menschen, die mir begegnen, bei ihrer Gottsuche helfen, ohne den Blick entweder nur auf Gott oder nur auf die Menschen zu richten? Seine Lösung des Problems war zu einfach - und sie war deshalb nicht allgemein verständlich. Dom Alexis, als hochgebildeter Theologe im wahren Sinne des Wortes, nahm relativ bald auf seinem Weg, der zur "Affäre" wurde, die Traditionen seines Ordens, der Zisterzienser also, und prüfte sie auf ihre Wegtauglichkeit, indem er neben sie das Evangelium legte. Bei der Prüfung gebrauchte er die Hilfsmittel, die ihm zur Verfügung standen: die Wissenschaften der Theologie und der Historie (und die des Rechts... um sich verteidigen zu können...). Er führte Neues ein in den Gemeinschaften, die ihn zu ihrem geistlichen Vater gewählt hatten (zuerst Tamié, dann Boquen). Das Neue stand im Gegensatz zu vielem von dem, was bislang durch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Geltung besaß. Dom Alexis war sich bewußt, dass dieser Kurs nicht ohne Konfrontationen gehalten werden konnte. Er blieb am Steuer, ohne seinen eigenen Untergang zu fürchten. Die Frage seines Lebens - Wie Gott suchen und zu ihm gelangen? - löste er idealtypisch: Er machte sein Leben zur Liturgie. Diese Lösung fand er bei den Zisterzienservätern (und nicht im Kirchenrecht). Die Väter von Cîteaux hatten einfach gelebt, was ihnen anvertraut worden war. Sie hatten sich gegen das gestellt, was ihrem Ruf entgegenstand. Sie hatten jahrhundertealte Regeln gebrochen, um neue aufzustellen. Aber sie waren nicht Herrscher über eine Idee, sondern Vasallen des größten Königs, Teilhaber am Himmlischen Königreich. Diese Teilhabe lebten sie hier und jetzt, im "paradisus claustralis", dem klösterlichen Paradies. Dom Alexis Presse kannte die Väter und wußte um ihre Lebensleidenschaft: sie - so erkannte er damals - feiern zeit- und schrankenlos die Himmlische Liturgie, in ihren Klöstern und im Himmel, der auf Erden beginnt. An dieser Erkenntnis scheiterte Dom Alexis wohl vielleicht, denn sie läßt sich nur noch schwer in die engen Grenzen der Neuscholastik integrieren. Heute würde Dom Alexis vielleicht nicht mehr ausgeschlossen. Verstanden hingegen würde er wohl ebensowenig wie damals.
Alle Heiligen, unsere Mütter und Väter, ihr Märtyrer und Bekenner, bittet bei Gott für uns!