Sonntag, 29. April 2012

Das Heilige den Heiligen

Wenn jemandem einmal widerfahren sein sollte, dass sich während des Gottesdienstes sein Leben jenseits von Zeit und Raum in die Gegenwart Gottes gestellt sah - was ich eine große Gnade nenne -, dann werden ihm die Gedanken nicht abwegig erscheinen, die hier folgen. Der Ausruf "Das Heilige den Heiligen" - "Sancta sanctis" ist nicht nur Doxologie und Mahnung, es ist ein Aufruf zur Erdung jeglicher Anbetung. Was im Gottesdienst geschieht, passiert jenseits aller Zeitlichkeit und gleichzeitig mitten im Leben. Die Anbetung und Verehrung, die Gott gebühren und die Verehrung, die wir den Heiligen erweisen, wollen ihren Ausdruck in unserem Tun finden. Wer geschäftig oder interessiert Heiliges observiert, ohne zu verehren, der handelt wie jemand, der sich selbst mißachtet: Er verkennt das Verlangen seiner Seele und seines Körpers, das Heilige anzuerkennen. Vielleicht geschieht das aus Scham. Aber es ist immer verletzend - nicht so sehr Gott oder dem Heiligen gegenüber, sondern vielmehr sich selbst gegenüber. Der Mensch möchte die Schönheit wahrnehmen und ausleben. Gott - und durch ihn alles Heilige - ist die Schönheit par excellence! Es bleibt also ein wichtiger und erhebender Ruf: Das Heilige den Heiligen!

Montag, 23. April 2012

Zum Festtag des hl. Georg

Photo: Wikipedia. Сергей Панасенко-Михалкин Der hl. Märtyrer Georg hat als Christ und Offizier der römischen Armee ein grausames Martyrium erleiden müssen. Ihm wurde es nicht gedankt, dass sein Zeugnis für Christus die Christen aller Epochen erschüttert hat: Nicht zuletzt wurde ihm gar abgesprochen, überhaupt gelebt zu haben... "Eine Legende ist kein Märchen!" Diesen schönen und einprägsamen Satz habe ich kürzlich gehört, und er passt auf den hl. Georg, dessen Kampf mit dem Drachen zum beherrschenden ikonographischen Motiv seiner Vita geworden ist. Mittlerweile wirkt es etwas naiv auf mich, wenn danach gefragt wird, ob der Heilige wirklich den Drachen getötet hätte. Natürlich hat er das! Und natürlich ist der Drache keine Fiktion, sondern bitterer Ernst! Allen, die den Drachen des hl. Großmartyrers Georg nicht ernstnehmen, sei geraten, sich dem Leben zu stellen und die Augen zu öffnen. Der hl. Georg hat den Drachen beiegt, weil er getauft und im Glauben fest war. Der Drache, ob nun in Gestalt des Kaisers Diokletian oder in Gestalt des Teufels, bleibt real. Einem jeden ist es aufgegeben, den harten Kampf aufzunehmen für Christus. Wenn von uns kein grausames Martyrium gefordert wird, dürfen wir dennoch immmer wieder die hl. Märtyrer und Bekenner vor Augen haben. Auf ihrem Lebenszeugnis ist der Glaube auch der folgenden Generationen gegründet. Es ist leicht, den Drachen zu belächeln...

Freitag, 20. April 2012

Eine denkwürdige Entdeckung in Furness Abbey

Ausschnitt eines Photos mit der Krümme des aufgefundenen Hirtenstabs aus Furness Abbey Auf der Seite des "New Liturgical Movement" fand ich eben den Bericht über einen Zufallsfund in der englischen Zisterzienserabtei Furness: Über Jahrhunderte hinweg konnte das Grab eines Abtes (oder vielleicht doch Bischofs??? unentdeckt bleiben - trotz Zerstörung und Plünderung der Klöster während und nach der Regierungszeit König Heinrichs VIII.! HIER der vollständige Bericht in englischer Sprache. Die Archäologin datiert das Grab, wenn ich richtig übersetzt haben, eher in die Jahre nach 1350.

Donnerstag, 19. April 2012

Ein unbequemer Heiliger, ein gescheiterter Mönch - Benoît-Joseph Labre

Am 16. April gedenkt der Zisterzienserorden seines einstigen Novizen fr. Urbain, Benoît-Joseph Labre (Einkleidung unter Dom Dorothée Jalloutz in Sept-Fons). Zuvor hatte dieser junge Mann zwei Mal im Zisterzienserkloster La Trappe um Aufnahme gebeten - immer war er abgewiesen worden, da er zu jung war. Als Novize bei den Kartäusern wurde er krank und musste auch dort das Kloster verlassen. In den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts, wenige Jahre vor den Wirren der Französischen Revolution, machte sich der junge Benoît-Joseph auf den Weg durch Europa, um seinen geistlichen Wegzu finden. Als Bettler und Landstreicher hat er Frankreich, Deutschland, die Schweiz und Italien durchquert, oft angepöbelt, manchmal heimlich verehrt. Seine letzten Lebensmonate vor seinem Tod 1783 hat er in Rom verbracht, einer Stadt, die schon damals vom Spagat zwischen Heidentum und Religion tief gezeichnet war. Der hl. Benoît-Joseph hat sich in seinem kurzen Leben nicht geschont. Wir Heutigen würden ihn wohl teils als Schmarotzer bezeichnen wollen, teils als Psychopathen, teils als religiösen Schwärmer. Geschafft hat er in seinem Leben nichts, was als konstruktiv für das sozial-ökonomische Fortkommen zu bezeichnen wäre - ein Vagabund, der heute dem Staat nur auf der Tasche läge, um es boshaft zu sagen. Steht hinter diesem verlausten Gaukler Gottes wirklich nur ein etwas exzentrischer Charakter, der nichts leisten will, aber am Ende als hochverehrter zweiter "il Santo" von den Römern verehrt wird? Noch heute vermag es die behördlich organisierte Kirche, fleißig und tatsächlich arbeitsam ihre eigene Bürokratie zu verwalten, in Deutschland vor allem. Den Arbeitern in diesem allegorischen und sprichwörtlichen Weinberg stößt dieser Umstand als ersten bitter auf! Sie stehen als erste im Zugzwang des immer schneller rotierenden Verwaltungsapparats und der Erwartungshaltung der Menschen, die Kinder ihrer Zeit sind. Ein energischer Ruf nach Einhalt wäre nötig, doch womöglich müßte er geballt und mit Autorität erfolgen, um überhaupt ernstgenommen zu werden. Das immer schnellere Kommunizieren und die immer gehetztere Omnipräsenz durch Internet, Telephon etc. hat auch die Arbeit teilweise entheiligt. Eine wirkliche "Populorum progressio" kann sie vielleicht nicht immer genannt werden, wo sie Menschen krank macht und geistig verstümmelt. Der hl. Benoît-Joseph Labre ist das Zerrbild heutiger "Stars": schwach, dreckig, unproduktiv, langsam, verschlossen, Ausländer, wenig gebildet, krank... Immerhin hat er versucht, das Evangelium für bare Münze zu nehmen und hat in allen Menschen, die ihm begegnet sind, das Antlitz Christi gefunden. Er hat nicht bekehren können, hat keine Zahlen aufzuweisen und erst recht keine Erfolge verbuchen können. Sein Tod hat allerdings die Menschen in Rom aufhorchen lassen. Der verlauste Vagabund hat geduftet, als man seine Leiche aufbahrte. Es ist schwer zu sagen, inwiefern er dem Menschen heute als Vorbild hingestellt werden kann. Seine größte Tugend war womöglich seine unbedingte Verfügbarkeit für Gott, hinter der er verschämt einen selten glühenden "amour fou" zu verbergen suchte.

Samstag, 14. April 2012

Iwan S. Schmeljow: Vorbereitung auf Ostern - Das Fest der Auferstehung Christi

Zum Osterfest und für die Tage der Osterzeit eine berührende autobiographische Erzählung des Schriftstellers Iwan S. Schmeljow aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in seiner Heimatstadt Moskau. Sie spiegelt verhalten und wirklich kontemplativ die Freude wider, die Christi Auferstehung in uns wachrufen möchte.


Schmeljow, Ivan S.: Wanja im heiligen Moskau (Лето Господне). Übersetzung: Rudolf Karmann
Auszug aus Schmeljows Beschreibung der Vorbereitung auf die Osterfeier am Fest der Auferstehung Christi (S. 80 ff.):
Karsamstag: „Die Plaschtschanitza [das Grabtuch Christi] steht nun mitten in der Kirche, ganz allein – und ringsum brennen die Öllämpchen. ER aber ist jetzt in die Hölle hinabgestiegen und wird alle abgeschiedenen Seelen aus dem feurigen Schlund heraufführen. Und um seinetwillen ist Ganjka auf das Kreuz hinaufgeklettert [um es zu schmücken], um seinetwillen wird der Vater den Glockenturm im Kreml besteigen, und Wassilj-Wassilitsch und alle unsere Burschen tun alles für ihn! Die Barken auf der Moskwa liegen vor Anker, die ganze Bemannung ist fort – nur je ein Wächter verblieb auf jedem Schiff. Auch die Flöße sind gestern angekommen. Einsam schaukeln sie auf dem dunklen Wasser. Aber Christus ist auch bei ihnen, ist überall… […]
Karsamstag, Abend. Im Hause ist es still, alle haben sich vor der Frühmesse zur Ruhe gelegt. Ich schleiche in den Saal, will sehen, was auf der Straße los ist. Drunten sieht man nur wenig Leute, sie tragen meist Kulitsche [Osterkuchen] und Paskhas [Osterquarkspeise] in großen Pappschachteln. Die Tapeten im Saal schimmern rosig im Schein der untergehenden Sonne. In den Zimmern glühen purpurrote Öllämpchen vor den Ikonen – waren sie zu Weihnachten nicht blau? Im Wohnzimmer liegt der Osterteppich mit dem roten Blumenmuster ausgebreitet. Man hat die grauen Überzüge von den Sesseln abgenommen. An den Heiligenbildern hängen Kränzchen von Rosen. Im Saal und auf den Korridor neue rote Läufer. Im Speisezimmer auf den Fenstern bunte Eier in Körben, auch alle rot: Morgen wird der Vater mit den Leuten den Osterkuß wechseln. Im Vorzimmer grüne Viertelseimerflaschen mit Wodka, die Gäste zu bewirten. Auf Daunenkissen im Esszimmer liegen auf dem Sofa riesige Kulitsche, mit rosa Musselin zugedeckt – zum Abkühlen. Sie strömen einen süßen warmen Duft aus.
Still ist’s auf der Straße. Aus dem Hofkommt ein zottiger Karren gefahren – er bringt Wacholderzweige in die Kirche. Es ist schon ganz dunkel. Da schreckt mich unerwartetes Flüstern auf:
„He, warum schläfst du nicht, schlenderst hier herum?“ Es ist der Vater. Er ist eben erst heimgekommen. Ich weiß nicht, was ich antworten soll: Es macht mir Spaß, durch die stillen Stuben zu gehen, zu schauen und zu lauschen. Es ist alles so ganz anders heute, so ungewöhnlich, heilig.
Der Vater zieht seine Sommerjacke an und beginnt die Lampadas anzustecken. Das macht er immer selbst, die anderen verstehen es nicht so gut. Er wandelt mit den Öllämpchen durch alle Zimmer und singt halblaut: „Deine Auferstehung, Christe Erlöser … besingen die Engel im Himmel.“ … Und ich gehe mit ihm. Es ist mir so froh und friedlich ums Herz, und zugleich möchte ich weinen. […] Ich schmiege mich an des Vaters Bein. Er tätschelt meine Wange. Seine Finger riechen nach duftigem Öl vom Berg Athos. […] Ich küsse die nach Baumöl riechende zärtliche Hand. Er setzt mich auf seine Knie, streichelt mich…
„Wie müde bin ich, mein Junge… So viel Arbeit… Schlaf mal noch ein bisschen, ich will mich auch hinlegen.“
O unvergeßlicher Abend! O dieses erlöschende Licht in den Fenstern… Heute noch glaube ich die langsamen Schritte zu hören, mit dem Öllämpchen, und die versonnen singende Stimme:
„Besingen die Engel im Himmel…“

Donnerstag, 5. April 2012

Der Gründonnerstag - Das Sakrament der Fußwaschung

Die Zisterzienser haben lange an den überlieferten Bräuchen festgehalten, die die Benediktsregel nennt. Im 6. Jahrhundert entstanden, kennt sie noch viel weniger jene Engführungen, die im Laufe der frühen Neuzeit das liturgische Leben der lateinischen Riten ein Stück weit in die Selbstzerstörung getrieben haben. Die Tradition der Zisterzienser ist folglich sehr authentisch zu nennen - ohne alles Spätere und Andere als falsch und verdorben hinstellen zu wollen... Gerade das ja nicht!
Ein sehr eindrücklicher Ritus war das sogenannte "Mandatum" des Gründonnerstags. Es unterscheidet sich in wichtigen Punkten von der wöchentlichen Fußwaschung der Mönche, die samstags stattfand. Das Große Mandatum der Karwoche wurde gehalten nach der (nachmittäglichen) Abendmahlsmesse, die nach der Non gefeiert wurde. Zum Mandatum wurden so viele Arme in den Kreuzgang / Lesegang geführt, wie das Kloster Mönche zählte. Ein jeder von den Mönchen wusch nach der Eucharistiefeier einem Armen die Füße, küßte sie und gab ihm ein Almosen. Die letzte vollständige Ausgabe des Rituale cisterciense von 1949 hat diesen Ritus - Gott sei Dank - bewahren können. Ein ganzer Kranz von Gesängen ist zum Mandatum im Processionale cisterciense (z.B. in der Ausgabe von 1960) vorgesehen, darunter auch die Antiphon "Mandatum novum do vobis, ut diligatis invicem" - Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander... Der hl. Bernhard von Clairvaux kennt neben der späteren Siebenzahl der Sakramente auch das Sakrament der Fußwaschung, das, sündenvergebend und gnadenvermittelnd, in erhabener Weise seine Einsetzung durch Christus erhalten hat. Die äußere Form - Waschung und Kuss - sind Ausdruck der neuen christlichen Lebenshaltung. Eine Antiphon singt deshalb von der alles übertreffenden Liebe, die Frucht und Lohn des österlich lebenden Menschen ist:
Glaube, Hoffnung und Liebe sollen in uns bleiben. Diese drei. Am größten jedoch ist die Liebe.
Dieses Bekenntnis ist der Grundtenor der gesamten Fastenzeit, der Drei österlichen Tage und der Osterzeit. Im Grunde soll das Mandatum den Weg zeigen, den der Mensch in seinem durch die Auferstehung geprägten Leben zu gehen hat. Das gelingt nicht immer, aber vielleicht manchmal.